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Seine Brücken prägen Zürich und die Schweiz: Dialma Jakob Bänziger ist im Alter von 94 Jahren gestorben
Neue Zürcher Zeitung

Die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik entstand auf seinem Pult, der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt von ihm. Und zu einer der bekanntesten Schweizer Brücken trug der Ingenieur entscheidend bei.

5. September 2022 - Thomas Vogel
Die Schweiz hat immer wieder hervorragende Brücken-Ingenieure hervorgebracht – Dialma Jakob Bänziger war einer von ihnen. Der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt beispielsweise von ihm, an der berühmten Sunnibergbrücke in Klosters hatte er entscheidenden Anteil, aber auch die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik, die heute als Kunsthochschule genutzt wird, entstand auf seinem Pult. Die Schwierigkeit mit dieser Rampe war, dass sie von schweren Milchtanklastwagen befahren werden musste. Um das Bauwerk dementsprechend zeichnen zu können, baute Bänziger ein Lastwagenmodell im Massstab 1:100 und konstruierte mit dessen Hilfe die korrekte Kurve.

Schon als Kind lernte Dialma Jakob Bänziger weite Teile der Schweiz kennen. Sein Vater war Grenzwächter und in dieser Funktion an immer neuen Standorten in den Kantonen St. Gallen und Graubünden sowie im Fürstentum Liechtenstein tätig. Bei einem Praktikum in der Rheinebene in der St. Galler Gemeinde Altstätten, bei dem es um ein Meliorationsprojekt ging, liess sich der junge Dialma Jakob für den Beruf des Bauingenieurs begeistern.

Er studierte von 1947 bis 1951 Bauingenieurwesen an der ETH und spezialisierte sich auf Massivbrückenbau und Wasserkraftanlagen. Beim Bau der Staumauer Sambuco konnte er das Gelernte erstmals umsetzen. Im Ingenieurbüro Hans Eichenberger erledigte er als Projektleiter die statische Berechnung der Weinlandbrücke Andelfingen. Diese sollte in Spannbeton erstellt werden, einer damals neuen Bauweise, zu der es kaum Normen und erst wenig Erfahrungen gab. Deshalb hatte er sein Bemessungskonzept auch gegenüber ETH-Professoren zu verteidigen, die der Vorspannung noch kritisch gegenüberstanden. Bei der Sektion Brückenbau der SBB lernte er die Bauherrenseite und das Bauen unter Betrieb kennen.

1959 eröffnete Bänziger mit Edy Toscano ein eigenes Ingenieurbüro in Zürich und kurz darauf auch Zweigbüros in der St. Galler Gemeinde Buchs und dem Engadiner Dorf Pontresina. Bereits 1962 trennten sich allerdings die beiden Partner wieder und gingen eigene Wege. Damals begann in der Schweiz der Bau der Autobahnen, wofür auch anspruchsvolle Brücken erforderlich waren. Ein erster Wettbewerbserfolg war Bänziger mit der Achereggbrücke in Stansstad schon 1960 gelungen.

Weitere Brücken aus gewonnenen Wettbewerben folgten, so unter anderem der SBB-Hardturmviadukt in Zürich, der Lehnenviadukt Beckenried, der Sitterviadukt bei St. Gallen, die Aarebrücke bei Schinznach, die Rheinbrücke Diepoldsau, der Neubau der Seebrücke in Luzern, die Dreirosenbrücke in Basel und die Rhonebrücken in Raron. Ein besonderes Projekt war die Detailprojektierung und Ausführung des Entwurfs von Christian Menn für die Sunnibergbrücke in Klosters, die heute eine Ikone des Schweizer Brückenbaus im 20. Jahrhundert ist.

Mit dem Bau der Toni-Molkerei im Jahr 1972 mit extrem kurzen Projektierungszeiten und Mangel an Fachkräften ist auch eine einschneidende persönliche Erfahrung von Bänziger verbunden: ein Burn-out, das allerdings damals noch nicht so genannt wurde. Die dreimonatige ärztlich verordnete Absenz von Büro und Beruf führte zu einer breiter aufgestellten Betriebsleitung und besser strukturierten Freizeitaktivitäten, wie dem wöchentlichen Ausritt mit der Offiziers-Reitgesellschaft Zürich.

Insgesamt wirkte Dialma Jakob Bänziger zwischen 1959 und 2004, dem Jahr seines Rücktritts aus der Führungsverantwortung, an knapp 500 Brückenprojekten mit. Er verstand den Brückenentwurf immer als Zusammenspiel von Gestaltung und Konstruktion, zu der auch der Bauvorgang beziehungsweise das Bauverfahren gehört. So suchte er jeweils früh den Kontakt mit Bauunternehmern und bot Hand, auch neue oder für die Schweiz ungewohnte Bauverfahren anzuwenden, wie etwa die Vorschubrüstung in Beckenried.

Brücken bauen kann symbolisch verstanden werden, als Prozess zur Überwindung von Hindernissen durch Annäherung unterschiedlicher Standpunkte zugunsten eines übergeordneten Ziels. Auch in dieser Hinsicht hat Bänziger Beträchtliches geleistet, als vorbildlicher, selbstbewusster, aber doch bescheidener Patron und als begeisterter Verfechter des Berufsbilds des Bauingenieurs. Er war auch immer neugierig, wenn neue Disziplinen auftauchten wie die Landschaftsarchitektur oder die Umweltingenieurwissenschaften.

Mit dem Hinschied von Dialma Jakob Bänziger, der in Richterswil wohnhaft war, hat die Schweiz einen profilierten Brückenbauer und vorbildlichen Bauingenieur verloren.

{ Thomas Vogel ist emeritierter Professor am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich. ]

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