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Im Klimarat wird nur diskutiert
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Die deutschen Landschaftsarchitekten fordern eine Klimapolitik, die Innovationen in der Stadtentwicklung und grüne Infrastruktur fördert. Hierorts werden Fachvertreter in klimarelevanten Gremien nicht einmal berücksichtigt.

6. Dezember 2022 - Stephanie Drlik
Die deutsche Bundesregierung hat beachtliche Maßnahmen für Klimaanpassung und -schutz in Aussicht gestellt: So wurden ein neues Klimaanpassungsgesetz sowie eine nationale -strategie, das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ und eine Reform des Baurechts angekündigt. Dies gab den Anlass für den Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen (BDLA), mit „Essentials zur Klimaanpassung“ den wichtigen Beitrag der Landschaftsarchitektur zur Klimalösung aufzuzeigen und 20 konkrete Empfehlungen an die Bundesregierung zu richten. Gefordert wird eine zukunftsfähige Klimapolitik, die Innovationen in der Stadt- und Landschaftsentwicklung und grüne Infrastruktur fördert. Schließlich geht es um wichtige Aufgaben wie den Bau kühler und wassersensibler Städte oder die Umsetzung von „Nature-based Solutions“ als natürlichem Klimaschutz.

Der Landschaftsarchitektur fehlt es oft an rechtsverbindlichen Reglements, Normen und Orientierungswerten, weshalb der BDLA klimawirksame Planungsinstrumente wie Klima- und Freiraumchecks, verpflichtende Freiraumentwicklungskonzepte und gesetzliche Rahmen fordert. In Deutschland findet das Strategiepapier Beachtung, schließlich ist die Disziplin mit ihren Klimalösungen längst anerkannt, ebenso wie die unabhängige und einflussreiche Fachvertretung BDLA. In Österreich tut sich die Landschaftsarchitektur schwerer. Das Fach hat in den letzten Jahren zwar an Wertschätzung gewonnen, doch die gesetzlichen Vertretungen der freiberuflichen Planungsbüros, also die Kammer der Ziviltechniker:innen und die Wirtschaftskammer, treten – wenn überhaupt – nur zurückhaltend für die Branche ein. Und dem heimischen Pendant zum deutschen BDLA, der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur (ÖGLA), fehlt es an Mitteln. Zwar wird die Organisation von einem Großteil der in Österreich tätigen Landschaftsarchitekt:innen ideologisch und finanziell unterstützt, doch schon aufgrund der überschaubaren Größe des heimischen Marktes ist diese Basisfinanzierung begrenzt. Die Aufgaben der ÖGLA als Berufsvertretung müssen somit überwiegend ehrenamtlich gestemmt werden.

Wien als klimaresiliente Stadt?

Die Folge dieser Situation ist, dass die Landschaftsarchitektur nicht nur viel zu leise im sonst recht lauten Getöse der Baukultur- und Klimadebatte bleibt: Expert:innen sind kaum in strategischen oder wissenschaftlichen Gremien und Fachbeiräten vertreten, was sich früher oder später negativ auf unsere krisengeplagten Lebenswelten auswirken wird, schließlich spielt es eine wesentliche Rolle, wer in Beiräten sitzt. Fehlt die landschaftsarchitektonische Kompetenz in den Gremien, fehlt sie früher oder später in der gebauten Realität. Österreich hat bereits 2012 ein strategisches Konzept zur Klimawandelanpassung mit einem umfassenden Aktionsplan zur Umsetzung konkreter Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Für 2023 sieht das zuständige Ministerium für Klimaschutz eine Überarbeitung vor. Für das Aktivitätsfeld „Stadt – Urbane Frei- und Grünräume“ wurde bereits eine große Gruppe von Expert:innen eingebunden – Berufsvertreter:innen der inhaltlich zuständigen Landschaftsarchitektur waren nicht dabei. Die grüne, klimaresiliente Stadt ist das erklärte Ziel – warum das umfassende Fachnetzwerk der ÖGLA bei der Überarbeitung nicht zurate gezogen wurde, ist nicht bekannt. Auf Intervention des Verbandes konnte zumindest nachträglich zur allgemeinen Thematik schriftlich Stellung genommen werden.

Im Bundesministerium für Kunst und Kultur ist das wichtige Thema der Baukultur angesiedelt. Man leistet sich einen Beirat, der Politik und Verwaltung berät. „Dabei ist der Raum zwischen den Gebäuden ebenso wichtig wie die Architektur. Und gerade mit der Thematik des Klimawandels ist es zunehmend von Bedeutung, den zuständigen Kompetenzbereich Landschaftsarchitektur einzubinden“, so Robert Temel, Sprecher der Plattform Baukulturpolitik und eines von 28 Mitgliedern des Beirats. Die Ziviltechnikerkammer hat drei Sitze, die sie an die Fachbereiche Architektur, Raumplanung und Bauingenieurwesen vergibt. Warum die Kammer gerade die für die Baukultur des 21. Jahrhunderts so wesentliche Landschaftsarchitektur vergessen hat? „Der Beirat Baukultur wurde 2008 gegründet, damals hat man einfach zu wenig darüber nachgedacht, welche Disziplinen vertreten sein müssen. Die Plattform Baukulturpolitik setzt sich aber bereits dafür ein, dass die Zusammensetzung angepasst wird“, lenkt Temel ein. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Verankerung der fachlichen Anliegen auf allen politischen Ebenen und in Dienststellen der Verwaltung.

Fehlende Durchsetzungskraft

Die Wiener Stadtpolitik möchte die Stadt künftig mit reichlich grüner Infrastruktur ausstatten, um für Klimaextreme gerüstet zu sein. Wie dies sowie andere Fragen zum Klimawandel strategisch angegangen werden sollen, diskutiert man im Wiener Klimarat, dem rund 40 Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Praxis, Interessensvertretungen, NGOs und Zivilgesellschaft angehören – Fachvertreter:innen der Landschaftsarchitektur sind nicht darunter.

Simon Tschannett, Stadtklimatologe und Vorsitzender des wissenschaftlichen Advisory Board des Klimarats, lobt die Ambitionen der Stadt, nicht nur Klimaschutz, sondern auch die Anpassung an klimatische Veränderungen zu thematisieren: „Natürlich muss dadurch die Gruppe der Beteiligten entsprechend erweitert werden. Die Landschaftsarchitektur sollte im nächsten Turnus jedenfalls einen Platz bekommen. Aufgrund des Status quo gibt es in vielen Gremien und Beiräten bei Besetzungen bestimmte Zuordnungen.“ Doch vor dem Hintergrund, dass die Klimakrise eine Jahrhundertaufgabe und der Beitrag von Disziplinen wie der Landschaftsarchitektur oder der Stadtklimatologie essenziell ist, sollte man bisherige Vergabeschlüssel überdenken. Dass sich die geänderten Rahmenbedingungen auch in der Zusammensetzung der Beiräte widerspiegeln müssen, davon ist der Klimaexperte überzeugt.

„Die Zahl der in Österreich freiberuflich tätigen Landschaftsarchitekt:innen ist im internationalen Vergleich noch immer relativ klein“, erklärt Landschaftsarchitektin und ÖGLA-Präsidentin Anna Detzlhofer. Was vermutlich – auch – ein Grund für die fehlende Durchsetzungskraft in der Klimapolitik ist. Doch die Fachstimme wird zunehmend lauter, hat die Disziplin doch Wichtiges zur Lösung der Klimakrise, zur natur- und landschaftsverträglichen Energiewende und zum Einbremsen des Artensterbens beizutragen. „Im weiten ÖGLA-Netzwerk sind die nötigen Kompetenzen vorhanden – wir stehen bereit“, bietet Detzlhofer an. Bleibt zu hoffen, dass dieses Angebot künftig angenommen wird.

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