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Ab 27. Juli sind grafische Reiseerinnerungen aus der Perspektive des Architekten Friedrich Kurrent im Wiener Ringturm zu sehen.

23. Juli 1999
Die Reise beginnt in den Städten des klassischen Altertums in Griechenland: in Athen, Delphi, Syrakus. Weiter geht's nach Italien, von dort nach Norden, bis hinauf nach Helsinki und Oslo. Dann wieder zurück in den Süden, via St. Petersburg und Moskau, nach Istanbul und Kairo, und schließlich über Nordafrika nach Spanien. Von dort führt der Weg nach Paris, dem Endpunkt der Reise. Die beschriebene Route bildet den roten Faden durch die Ausstellung „Städtezeichnungen“ von Friedrich Kurrent. Zu sehen ab 27. Juli im Wiener Ringturm.


Reisen, um sehen zu lernen

Kurrents Blätter, durchwegs Federzeichnungen in einheitlichem Format, spiegeln das Bemühen nach „eigenständigem Sehen“ im Kontext der Architekturstudie wider. Eine Wurzel für dieses Bestreben ist wohl im Grundgedanken der „Schule des Sehens“ zu suchen: So hieß ein Sommerkurs, den Oskar Kokoschka 1953 in Salzburg leitete. Der Maler erklärte dazu, er wolle seinen Schülern „die Kunst, mit eigenen Augen zu sehen“, vermitteln. Auch Friedrich Kurrent, damals ein junger Abgänger der Architekturklasse von Clemens Holzmeister an der Wiener Akademie der bildenden Künste und Mitglied der „arbeitsgruppe 4“, suchte in dieser Zeit den Kontakt zum Künstler.


Subjektive Sichtweise

Freilich, man erkennt auf den Blättern noch immer die Bauten, die der Architekt in lockeren Strichen darstellt; doch der Zeichner nimmt zusätzlich einen subjektiven Standpunkt ein, arbeitet Details je nach ihrer relativen Wichtigkeit unterschiedlich stark heraus und wählt unterschiedliche Blickwinkel.

Die Prager Karlsbrücke erscheint so verlängert und verzerrt. Wenn Kurrent als Betrachter auf den Petersdom zugeht, die Front des Doms dabei immer näher rücken sieht, bis sie schließlich den Blick auf die Kuppel verdeckt, finden sich auf seinem Skizzenblatt hintereinander gleich drei Ansichten aus verschiedenen Perspektiven.


Das Wesen einer Stadt erfassen

Heutzutage wird jeder Tourist mit Hilfe des Fotoapparats zum Hersteller von Bildern, die Fotografie hat die Tradition der zeichnerischen Reiseerinnerungen beendet, die „Veduten“, die klassischen Stadtansichten verdrängt. Für den Architekten Kurrent ist Zeichnen jedoch nicht einfach das bloße Abbilden von Sinneseindrücken, sondern eher ein Versuch, die Städte „in den Griff zu bekommen“. Um sich ein Bild der Stadt zu machen, nimmt Kurrent Pläne, Baubeschreibungen und Entwicklungsgeschichten zur Hand. Wissenshintergrund, persönliche Erfahrung und der Akt des Zeichnens selbst sind die Komponenten, aus denen sich für ihn die Erinnerung an eine Stadt zusammensetzt.

Dementsprechend erscheinen auch die Texte, mit denen Kurrent seine Städtestudien in der Ausstellung und im Katalog kommentiert: Persönliche Anekdoten und literarische Zitate aus den klassischen Reisenotizen von Goethe oder Johann Gottfried Seume wechseln sich darin mit architekturtheoretischen Überlegungen und Bemerkungen zur Geschichte des Städtebaus ab.

Tip:
Friedrich Kurrent: Städtezeichnungen. Zeichnen als visuelle Erinnerung. Ab 27. Juli im Ausstellungszentrum im Ringturm, 1010Wien, Schottenring 30. Eintritt frei.

Ein Buch mit Reproduktionen der Zeichnungen ist im Verlag Anton Pustet, Salzburg, erschienen.

Link:
Mehr zu Kurrents Bauten finden Sie in der Architekturdatenbank nextroom

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