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Schöne Aussichten
Der Standard

Wohntürme werden in Wien zur Gewohnheit, gleich mehrere werden dieser Tage bezogen. So spektakulär wie ihre Erscheinung ist bisweilen auch ihr Bau, wie das Beispiel Danubeflats zeigt.

18. März 2023 - Martin Putschögl
Er nimmt Formen an, der wohl umstrittenste Wohnturm Wiens des vergangenen Jahrzehnts: Am nördlichen Ende der Reichsbrücke ragen die Danubeflats bereits 36 Stockwerke in den Donaustädter Himmel. Das Großprojekt von Soravia und S+B Gruppe wird mit geplanten 172 Metern das benachbarte Hochhaus Neue Donau von Harry Seidler (reine Bauhöhe 120 Meter) signifikant überragen und mit dem auch schon in Bau befindlichen DC Tower 2, den S+B für Investor Commerzreal baut, direkt vis-à-vis ein „Tor“ als nördliche Einfahrt zur Reichsbrücke schaffen.

Die Eigentumswohnungen in den Danubeflats mit stolzen Preisen um die 10.000 Euro je Quadratmeter sind zu 80 Prozent verkauft, berichtete Andrea Jarisch von der S+B Gruppe kürzlich bei einer Baustellenbesichtigung. Bei den Wohnungsgrößen sind 40 bis 500 Quadratmeter möglich, die Einrichtung ist in drei Varianten erhältlich, genannt „Classic“, „Style“ und „Elegant“. Die ersten Wohnungen werden dieser Tage auch schon fertig, müssen aber auf Bewohnerinnen und Bewohner noch bis 2025 warten, wenn der ganze Turm fertig sein wird.

Taborama und V22 fertig

Im Nordbahnviertel ist Bauträger Strabag Real Estate hingegen schon mit der Übergabe der 213 freifinanzierten Eigentumswohnungen beschäftigt; mit 19 Stockwerken ist der Turm aber auch wesentlich niedriger als die Danubeflats. Hier sind alle Wohnungen verkauft, berichtet Strabag-Kommunikatorin Martina Magnet.

Signa/ARE-Turm ist fertig

Und ebenfalls gerade fertiggestellt und bezogen wird der 110 Meter hohe Wohnturm von Signa und ARE in Wien-Kagran („Vienna TwentyTwo“ bzw. „V22“). Er hat keinen eigenen Namen, wird nur „Bauteil 6“ genannt; mehr als 100 der 300 Eigentumswohnungen wurden bereits übergeben, heißt es von den Entwicklern. 20 Einheiten sind noch verfügbar, der Rest ist verkauft.

Und auf demselben Bauplatz, einem ehemaligen Parkplatz neben der U1-Station Kagran, ist auch der größere Bruder des 110-Meter-Turms schon in Bau: Das 155-Meter-Hochhaus mit dem klingenden Namen „Bauteil 1“ ist schon bei Stockwerk acht angelangt. Er wird aber kein reiner Wohnturm, sondern bekommt eine Mischnutzung aus Büros, Geschäftsflächen und 350 Mietwohnungen. Wie DER STANDARD erfuhr, wurde der Turm außerdem bereits im Zuge eines Forward Deals an einen Investor verkauft. Wer ihn gekauft hat, wird noch nicht verraten.

Weitgehend fertiggestellt sind die drei „The Marks“-Türme (siehe nächste Seiten), wobei der Helio Tower der Buwog schon im Vorjahr fertig wurde und die beiden Türme von ÖSW, WBV-GPA und Neues Leben unmittelbar vor dem Abschluss stehen. Und beim Prater baut Value One schon seit fast einem Jahr an den Türmen „Grünblick“ und „Weitblick“, wobei Ersterer ein Wohn-, Zweiterer ein Gewerbeturm wird.

Baulich sind solche riesigen Gebäude natürlich immer eine Herausforderung. Bei den eingangs erwähnten Danubeflats ist aber auch das noch eine Untertreibung. Die untersten 15 Stockwerke werden Richtung Donau immer breiter, sie überspannen dort dann auch die überplattete Autobahn A22. Weil die Last des Turms nicht auf der Überplattung ruhen kann, sondern direkt neben der Autobahn zunächst auf die drei bis fünf Meter dicke Bodenplatte und dann über 800 Bohrpfähle weiter ins Erdreich abgetragen werden muss, hat man eine bauliche Lösung mit einem sogenannten „Rucksack“ erdacht, wie Bauleiter Hannes Zadrobilek erklärt: Also eine Auskragung Richtung Süden ab dem fünften Stockwerk, die mit dem Turm nicht gleich mitgebaut werden konnte, sondern nachträglich „drangehängt“ wurde. „Denn der Turm musste erst eine bestimme Höhe haben, um das Gewicht tragen zu können“, sagt Zadrobilek.

Warum ab dem fünften Stock? Weil auf der Autobahn-Überplattung aus statischen Gründen nur vier Etagen gebaut werden dürfen. Genau genommen handelt es sich also um zwei Bauwerke, die im fünften Stock aufeinanderstoßen. Man sollte später im Idealfall nichts davon bemerken.

Schief ist Trumpf

Aber das ist noch nicht alles an Komplexität, die hier gefordert ist. Im Zentrum des Turms befinden sich H-förmige Hauptstützen aus Stahlbeton, die auch die Stiegenhäuser und Lifte beinhalten werden. Die jedenfalls im unteren Bereich weit auskragenden „Flügel“ aus Stahlbeton hingegen werden dann nur von relativ dünnen Stützen getragen. Und weil sich diese anders setzen bzw. „stauchen“ werden als die Hauptträger (die sich noch zwischen sechs und acht Zentimeter senken dürften, das ergaben jedenfalls die Berechnungen), müssen diese unterschiedlichen Bewegungen schon beim Bau einkalkuliert werden. Das heißt: Die Betondecken sind nicht ganz eben, sondern neigen sich außen um ein paar Zentimeter nach oben. Auch der Estrich muss deshalb leicht abschüssig verlegt werden, Fugen beim Innenausbau werden eingeplant, und so manches Bad kann noch nicht ausgebaut werden, sondern erst kurz vor der Fertigstellung des ganzen Turms in zwei Jahren. Wenn die Berechnungen für die Setzungen stimmen, sollte schlussendlich alles eben sein. Die Nähe zur Reichsbrücke war eine zusätzliche Herausforderung.

Direkt auf der schon erwähnten meterdicken Bodenplatte hat man aus Kostengründen mehr als 70 Sattelschlepper-Ladungen an Trockenbauwänden eingebunkert, die nun nach und nach in den Wohnungen verbaut werden. Es war die einzige Möglichkeit für die Lagerung, die Platten wären sonst viel zu schwer. Und außerdem ist hier unten auch die Sprinklerzentrale mit zwei bis zu sechs Meter tiefen Wassertanks untergebracht. Sollte es im Turm brennen, geht die Sprinkleranlage los, und die Feuerwehr steht vor der Tür – denn manche Feuermelder sind direkt mit der Feuerwehr verbunden, wie das in Hochhäusern vorgeschrieben ist.

Geheizt und gekühlt wird über Betonkernaktivierung und Fernwärme, es gibt auch eine kontrollierte Wohnraumlüftung. Die Qualitätssicherung bzw. das Mängelmanagement am Bau erfolgt über die Software von Planradar, einem österreichischen Unternehmen, das mittlerweile global tätig ist. So sollte der extrem komplizierte Bau am Ende nahezu fehlerlos dastehen.

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