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Profil

Studium der Kunstgeschichte und politische Geschichte in Basel und Heidelberg, wo Lutz Windhöfel auch promoviert wurde. Er arbeitet als Autor und Journalist für Einzelpublikationen, Jahrbücher und die Presse, und lebt in Basel.

Lehrtätigkeit

Schule für Gestaltung Basel. Vortragstätigkeit an der ETH-Zürich und der Technischen Universität Karlsruhe

Publikationen

Architekturführer Basel: neue Bauten in der trinationalen Stadt seit 1980. Birkhäuser, Basel 2014, ISBN 978-3-03821-393-2.
Chinetik. Reinhardt, Basel 2009, ISBN 978-3-7245-1602-6.
Drei Länder, eine Stadt: neueste Bauten im grenzübergreifenden Stadtraum Basel 1992–1997. Birkhäuser, Basel 1997, ISBN 978-3-7643-5657-6.
Augusto Giacometti: Leben und Werk. Verl. Bündner Monatsblatt, Chur 1991, ISBN 978-3-905241-22-8.
Paul Westheim und Das Kunstblatt: Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik. Dissertationen zur Kunstgeschichte, 35. Böhlau Verlag, Köln 1995, ISBN 978-3-412-04095-6.

Wettbewerbe

Mit Andreas Scheiwiller (Basel) und Yves Lion (Paris) für das Hochhaus der Messe Basel (um 1998). Beratende Tätigkeit für zahlreiche rennomiertr Architektur-Adressen.

Karte

Artikel

10. März 2000 Neue Zürcher Zeitung

Reurbanisation eines Basler Stadtquartiers

Der letzte architektonische Mosaikstein im St.-Alban-Tal

Das Quartier St.-Alban-Tal ist eines der ältesten der Stadt Basel, und es hat eine bewegte Geschichte. In den vergangenen Jahren wandelte es sich von einem historischen Industrieareal zu einer der beliebtesten Wohngegenden der Stadt. Belebt durch das Basler Konzil (1431-49) und seinen grossen Bedarf an Papier, entstand hier ab 1448 - noch vor dem Beginn des Buchdrucks - eine Industrie, die zuletzt elf Papiermühlen umfasste. Zwei der ältesten architektonischen Zeugnisse dieser Zeit werden heute von einem Papiermuseum genutzt. Es steht direkt neben einem Fragment der ebenfalls spätmittelalterlichen Stadtmauer.

Dialog mit der gewachsenen Stadt

Als 1956 der letzte papierproduzierende Betrieb den direkt am Rhein gelegenen Stadtteil verliess, dämmerten die Industrieanlagen und Wohnhäuser, die dort standen, vor sich hin. Die sechziger und siebziger Jahre, die in Westeuropa den Höhepunkt eines industriellen Bauens verkörpern, konnten an einem solchen Gebiet wenig Interesse haben. Zumal noch Teile eines Klosterbaus von 1100 vorhanden waren und auch eine Kirche weitgehend aus dieser Zeit stammt. Damit war das Quartier im aufmerksamen Blick der Denkmalpflege und deshalb für radikale Umnutzungen nicht geeignet.

Als seit Mitte der siebziger Jahre der architektonische Diskurs langsam wieder auf einen Dialog mit der gewachsenen Stadt setzte, war das seltsame bauliche Ensemble in naher Innenstadtlage ein ideales Experimentierfeld. Zumal sich auch neue Nutzungen anboten, die sich als wegweisend erwiesen. Als ein bedeutender italienischer Kunstsammler seine Schätze der Stadt leihen wollte, wenn ihm diese eine entsprechende Bleibe zur Verfügung stellen würde, beauftragte man Wilfrid und Katharina Steib, den Umbau einer ehemaligen Papierfabrik zu prüfen. Daraus entwickelte sich bald das Projekt für ein Museum für Gegenwartskunst. Steib und Steib rissen teilweise ab, errichteten einen Neubau, und plötzlich begann das Quartier 1980 wieder zu leben. Denn das Nebeneinander von Alt und Neu erwies sich nicht nur als eine ästhetische Lösung mit Perspektive, sondern die Architektur bot der Kunst der Nachkriegszeit auch den adäquaten gestalterischen Rahmen zu ihrer Produktion. Seit das Zentrum der zeitgenössischen Kunstproduktion in den sechziger Jahren nach New York gewandert war, waren Lofts oder loftähnliche Ateliers und Wohnungen auch in Europa gefragt. Der Bau von Steib und Steib lehnt sich hier an. Vergleicht man das Bauergebnis mit dem Drang anderer Museen zur Selbstinszenierung (in der Bundesrepublik hatten 1980 27 Museen Baubeginn oder waren im Bau), so darf das Basler Haus als ein frühes Beispiel sogenannt einfacher Architektur gelten.

Als 1986 ein paar hundert Meter entfernt, in unmittelbarer Rheinlage und vor dem historischen Ensemble von Papiermühle und Stadtmauer, eine elegante, aber kühle und klare Wohn- und Atelierkubatur von Diener & Diener bezogen wurde, schwoll die öffentliche Entrüstung mächtig an. Doch gerade mit diesem exponierten Bau wurde das St.-Alban-Tal zumindest in der Schweiz der wichtigste architektonische Ort für das Bauen in der historischen Stadt. Das neue Haus passte sich äusserst feingliedrig in den freien Raum ein, respektierte die Morphologie der altehrwürdigen Nachbarschaft, aber formulierte gleichzeitig einen konsequenten zeitgenössischen Formwillen. Synergetisch kam hinzu, dass Michael Alder fast gleichzeitig in unmittelbarer Nähe zwei weitere Architekturen realisierte. Er baute zwei kleine Riegel für Künstlerateliers und Werkstattläden, und er entkernte und restaurierte sorgfältigst ein Industrie- und Wohnhaus (1986/87). Dann setzte er moderne Wohneinheiten hinein und dem Ganzen eine Fassade aus unbehandeltem Holz vor. Hier manifestierte sich erstmals eine Umwertung des lange als bäurisch betrachteten Werkstoffs Holz.


Eine kleine Festung

Zwischen diesen beiden Bauten von Alder wurde nun jüngst ein Wohnhaus bezogen, das auf der letzten freien Parzelle des Quartiers entstand. Das St.-Alban-Tal, das als bauliche Einheit das gesamte ausklingende Jahrtausend vertritt, erhielt von Urs Gramelsbacher ein Haus mit der Präzision eines Uhrwerks. Wie eine kleine, zweigeschossige Festung hat er seine reine Sichtbetonkonstruktion auf die trapezoide Parzelle gestellt. Die Mietwohnungen konzentrieren sich ganz auf einen 17 mal 17 Meter grossen Innenhof. Hier zitiert der Architekt eine introvertierte Entwurfshaltung, wie sie Tadao Ando in Japan vertritt oder wie sie der römisch-antike oder der spanische und lateinamerikanische Hausbau um das Atrium oder den Patio kultivierte. An der Strassenseite kommt die radikale plastische Gestalt des Hauses am stärksten zur Geltung. Die minimalistische Bauschöpfung tritt hier nur mit einer Tür, dem Tor der Tiefgarage und einem horizontalen Mauerschlitz, der auf einen Innenhof führt (den man aber von der Strasse nicht sehen kann), in Erscheinung.

Obwohl der Bau von teilweise extremen Asymmetrien lebt, strebte der Architekt immer wieder nach einer idealen Geometrie und erreichte sie auch. Der quadratische Hof ist von konzentrierter Stille erfüllt. Die bepflanzte Fläche - auf der ein Baum steht - ist ebenfalls ein Quadrat. Die Wege sind hier mit grossen Kieselsteinen gepflastert, die man sorgfältig ausfugte, um das Gehen nicht zu erschweren. Ein visueller und materieller Kontrast zu den makellosen Betonflächen. Auch in der Organisation der Grundrisse ist Gramelsbacher fast immer vom Quadrat ausgegangen. Zwei Details sind wohl ein konstruktionstechnisches Novum. Alle Wohnungen - auch im Parterre - haben offene Lichthöfe, die eine hochkomplexe Betonschalung verlangten. Im Hof ist ein Brunnen durch einen zehn Meter langen und vier Zentimeter hohen Schlitz entstanden, aus dem das Wasser wie ein beweglicher Vorhang über den Stein in ein Glasbecken läuft. Und der Boden des Beckens ist gleichzeitig das Oberlicht der Tiefgarage. Bei fünf Mietparteien kann ein Teil der 30 Abstellplätze auch an andere Bewohner des Quartiers vermietet werden.

Nachdem Gramelsbacher mit seinen früheren Partnern Martin Erny und Karl Schneider im Basler Quartier St. Johann eine grosse Wohnsiedlung (Im Davidsboden, 1986-91) gebaut hatte, die vital in das Leben dieses überalterten Stadtteils eingriff, ist ihm nun im St.-Alban-Tal ein ähnlicher städtebaulicher Eingriff gelungen, nur dass er das Quartier nicht vitalisiert, sondern komplettiert. Vor seinem neuen Haus hat der Architekt eine Reihe kniehoher Beleuchtungswürfel installiert. Die feinen Lichtkuben führen in gerader Linie an den Nachbarbauten von Alder und dem historischen Wirtshaus Goldener Stern vorbei. Sie stossen fast an das Museum für Gegenwartskunst. Bei einbrechender Dunkelheit entsteht eine Lichterkette, die mit der Würfelform eine ideale Geometrie hat und wie eine Plastik der Minimal art aussieht. Obwohl die Lichtschiene aus dem angewandten Gestaltungsbereich stammt, stellt sie eine Art Kunstwert dar. Damit schafft Gramelsbacher eine subtile Verbindung zum Museum für Gegenwartskunst von Steib und Steib. Mit diesem Bau begann die Renaissance des Quartiers, das Gramelsbacher nun fertig baute.

7. Januar 2000 Neue Zürcher Zeitung

Expressiver Minimalismus

Eine gebaute Plastik von Herzog & de Meuron in Basel

Die Strecke von Frankfurt über Basel nach Mailand ist eine der wichtigsten Achsen Westeuropas. Der Güterumschlag vom Wasser und von der Strasse auf die Schiene hat an der schweizerisch-deutschen Grenze ein riesiges Geleisefeld entstehen lassen. Hier kann man im kleinen das Wachstum und die Veränderungen Europas beobachten. Die Deutsche Bahn und die Schweizerischen Bundesbahnen, die hier ineinandergreifen, legen dialogisch Infrastrukturen still, reaktivieren diese oder bauen sie neu. Die Architekturen, die für den Güterumschlag in Richtung Italien gebraucht werden, baute bisher das Basler Büro Herzog & de Meuron. Beim Bahnhof SBB hat es nun ein Stellwerk errichtet.

Bereits 1994 realisierten die Architekten einen analogen Bau für die gleiche Bauherrschaft. Mit seiner eigenwilligen Hülle aus Kupferbändern fand er sogleich international Beachtung. Doch dieses erste Stellwerk steht auf einem Geleisefeld, das selbst für Basler nicht immer leicht zu finden ist. Das neue Stellwerk hingegen erhebt sich neben dem Kopf einer stadtnahen Brücke über die Geleise. Die Fassade hat nach Süden drei kleine Fensterbänder, sonst aber ist sie völlig geschlossen und wiederum mit Kupfer verkleidet. Gegenüber dem Vorgänger hat das neue Stellwerk mit seinen 26 Metern markant an Höhe gewonnen. Fast möchte man es als ein kleines Hochhaus bezeichnen. Der Grundriss auf Gleisniveau entspricht einem unregelmässigen Trapez; doch an der Traufkante der flachgedeckten Kubatur ist er zu einem Rechteck geworden. Die Architekten näherten die beiden Grundformen rhythmisch über die Stockwerke einander an, was zu einer leicht konvexen, wellenartigen Fassade im Norden und Westen führte. Der Bau, der ohnehin wie ein exotischer Findling wirkt, hat auf diese Weise einen expressiven Charakter erhalten. Da er sonst nach minimalistischen Regeln erstellt wurde, entstand eine seltene ästhetische Symbiose. - Mit seiner monolithischen Form wird dieses Stellwerk zu einem plastischen Körper mit der Präsenz eines Kunstwerks. An einem Ort mit verwirrender verkehrstechnischer Infrastruktur wirkt diese Architektur beruhigend: Sie lässt eine neue Mitte entstehen. Im Zusammenhang mit diesem Stellwerk muss auch das neue Institut für Spitalpharmazie erwähnt werden, das zur gleichen Zeit wie jenes ebenfalls von Herzog & de Meuron fertiggestellt wurde und eine ähnliche Mischung aus Stadtreparatur und Skulptur darstellt. Der viergeschossige Baukörper ist vollständig mit Glas verkleidet, dem im Siebdruckverfahren flaschengrüne Punkte aufgesetzt wurden.

Das kaum zu übersehende Haus präsentiert sich als Solitär, denn die Umgebung besteht einerseits aus Wohnhäusern des Barocks, anderseits aus dem universitären Klinikum im Stil des Neuen Bauens und verunmöglichte deswegen ein kontextuelles Planen. So hat das verwinkelte Grundstück am Rande der Innenstadt mit dem grünen Glasschrein einen Neubau erhalten, der der Geschichte dient und die Zeitgenossenschaft präsentiert.

5. Januar 2000 Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus für Gegenwartskunst

Erweiterung des Centre PasquArt in Biel von Diener & Diener

In Biel ist ein neues Haus für die bildende Kunst entstanden, das sich sehr selbstbewusst präsentiert. Wirklich neu ist zwar nur der Erweiterungsbau, da aber der historische Teil vollständig saniert wurde, teilweise neue Raumfolgen erhielt und nun über den Neubau erschlossen wird, hat das Gesamtergebnis des gut 10 Millionen Franken teuren Eingriffs die überraschende Wirkung einer Novität. Das Centre PasquArt, wie die 1990 gegründete Institution heisst, will für die Kunst ab 1980 eine Mischung aus Kunsthalle und Museum für Gegenwartskunst sein.

Das international gefeierte Basler Architekturbüro Diener & Diener konnte in Biel seinen ersten Museumsbau realisieren. In Köln baute es 1988 bis 1990 bereits ein Ausstellungsgebäude für die Galerie Gmurzynska, das aber in seinen Dimensionen weit bescheidener ist als das Bieler Kunstzentrum. Mit dem 650 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche bietenden Annex in Biel erweiterten die Architekten ein klassizistisches Haus von 1866, das einst als Krankenhaus und dann als Schule genutzt worden war. Gekonnt brechen sie den vorhandenen Stockwerkrhythmus mit einer Progression in den Geschosshöhen auf. Aber die Gesamtform bleibt dabei beachtet.

Das Ensemble steht am Fuss einer Aufwerfung des Juras. Die Räume des leicht abgesenkten Neubaus schrauben sich vom Foyer im Parterre über Zwischengeschosse so in die Höhe, dass die obersten Säle in beiden Bauteilen das gleiche Bodenniveau haben. Hier bildet ein 320 Quadratmeter grosser Oberlichtsaal das Herz des neuen Baues. Insgesamt verfügt das Centre PasquArt nun über 1600 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Da die Verwaltung in einem separaten Gebäude untergebracht ist, steht eine grosszügige und elegante Raumfolge für die Präsentation der Sammlung wie der Wechselausstellungen zur Verfügung.

Es ist längst ein Markenzeichen des Architekturbüros Diener & Diener, dass es den klaren Formwillen der Gegenwart sprechen lässt, die Historie aber subtil integriert. So auch in Biel. An der Eingangsfassade antwortet eine raumhohe Verglasung im Parterre dem massiven Sandsteinsockel des Altbaus. Bis auf drei grosse Fensterschlitze ist die Eingangsfassade sonst völlig geschlossen. Die Architekten wählten hier eine ähnliche Durchfensterung, wie sie für den Neubau der Schweizer Botschaft in Berlin vorgesehen ist (der Wettbewerb für Biel fand 1994, jener für Berlin 1995 statt). Neben dem rhythmisch gegliederten Altbau erscheint der Annex wie ein geschlossener Block. Mit seiner grünen Gusssteinfassade allerdings schafft er farblich einen Bezug zum Sandstein des Mittelrisaliten.

Ein ähnliches Spannungsverhältnis entsteht im Inneren zwischen dem Holz im Alt- und dem Stein im Neubau. Das Parterre des Annexes hat einen Bodenbelag aus unbehandeltem Gussbeton, die folgenden Geschosse einen aus kleinen Asphaltplatten und grossen Terrazzo-Quadraten. In allen Ausstellungsräumen des Altbaus geht man auf Holz. Die monumentalen Enfiladen der Obergeschosse bilden mit neuen Leuchtkörpern und makellosen Wänden ein nahezu ideales Ambiente für die Präsentation von Kunst.

Der Sammlung und den wechselnden Ausstellungen, mit denen das Centre PasquArt seit dem 1. Januar bespielt wird, eignet etwas Experimentelles. Denn die rund 50 Bilder, Plastiken und Installationen, die man bis heute nebst Zeichnungen, Druckgraphik und Photographien zusammentrug, sollen durch langfristige Leihgaben privater Sammler ergänzt werden. So stellt sich Konservator Andreas Meier auch die Grundlage für einen Teil der Wechselausstellungen vor, wodurch eine Art Kunsthaus für Sammler von Gegenwartskunst entstehen wird.

Lutz Windhöfel

3. September 1999 Neue Zürcher Zeitung

Städtebauliche Akzente

Das Basler Büro Bräuning, Leu, Dürig

Von Architekturen in Brugg und Zürich sowie vom Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 1937 in Paris abgesehen, hat das Büro Bräuning, Leu, Dürig in der Nordwestschweiz in und um Basel gebaut. Das Architekturmuseum in Basel, das der Arbeit des während 56 Jahren tätigen Baumeisterbüros eine Ausstellung widmet, kann ein facettenreiches Werk präsentieren, welches sich an fast allen Bauaufgaben bewährte. Ab den zwanziger Jahren wandelte sich das Werk stilistisch vom Spätklassizismus (Friedhof am Hörnli, Basel, 1922-31) zum internationalen Neuen Bauen (Haus Orzel, Basel, 1932/33). Die «moderate Moderne», in deren Geist die Architekten ab Mitte der dreissiger Jahre arbeiteten (Neues Stadtcasino, Basel, 1937-39), wurde auch für die Häuser der Nachkriegszeit prägend. Bei Grossprojekten gingen Bräuning, Leu, Dürig Arbeitsgemeinschaften ein, von denen jene mit Hermann Baur (für das Kantonsspital, 1941-45, und die Allgemeine Gewerbeschule, 1956-61, beide Basel) bereits Architekturgeschichte geschrieben hat. Mit vier Grosskubaturen an der Aeschenvorstadt in Basel (zwischen 1950 und 1965 entstanden) setzten die Architekten ihren bedeutendsten städtebaulichen Akzent.


[ Bis 17. Oktober. Informationsbroschüre Fr. 5.-. ]

6. August 1999 Neue Zürcher Zeitung

Gefährdeter Mursteg

Der Mursteg, eine Holzbrücke von Meili & Peter sowie Jürg Conzett im steirischen Murau (NZZ 2. 8. 95) ist durch ein Neubauprojekt gefährdet. Die neuen Planungen wollen existierende Verkehrsachsen zerschneiden, die Brücke an einer Stelle zerstören und mit fragwürdiger Infrastruktur überlasten. In den vergangenen Tagen sind über 100 schriftliche Proteste von Architekten und anderen interessierten Kreisen aus sieben europäischen Ländern und aus Übersee an den Bürgermeister von Murau, den beauftragten Architekten und einen steirischen Regierungsvertreter in Graz geschickt worden. Informiert wurden auch der Botschafter Österreichs in Bern und der Schweizer Botschafter in Wien. Der Ausgang ist ungewiss.

6. August 1999 Neue Zürcher Zeitung

Einheit von Architektur und Ingenieurskunst

Jürg Conzett - ein Meister der Baukonstruktion

In ihrer Zukunfts- und Technikeuphorie stellte die moderne Baukunst Materialien wie Stahl, Beton und Glas in den Vordergrund. Das Holz, lange an den Rand gedrängt, erlebt seit fünfzehn Jahren eine eigentliche Renaissance. Und diese ist in Graubünden nicht zuletzt mit dem Namen Jürg Conzett verbunden. Der 1956 geborene Bündner, für den Christian Menn ein wichtiger Lehrer war, arbeitete von 1981 bis 1988 im Atelier Zumthor in Haldenstein bei Chur. Er hat das Schaffen des heute international bekannten Büros fast seit den Anfängen begleitet. Für die Kapelle Sogn Benedetg, die 1988 geweiht wurde und die Arbeit Zumthors erstmals ins mediale Licht zog, errechnete Conzett die Geometrie der ellipsoiden Holzkonstruktion. Im Atelier Zumthor lernte er Dieter Jüngling und Andreas Hagmann, Valentin Bearth oder Conradin Clavuot kennen. Alle diese Architekten haben inzwischen den Sprung in die Selbständigkeit geschafft, und mit allen plant und baut Conzett immer noch gemeinsam.

Conzett legt Wert auf die Tatsache, dass sich das Büro «Conzett, Bronzini, Gartmann» (Chur) rund zur Hälfte mit Tiefbau beschäftigt. Den Strassenbau bezeichnet der Ingenieur ausdrücklich als Architektur. Seit 1992 arbeitet er an Bestandesaufnahmen und Konzepten für neue Stützmauern im und für den Kanton Graubünden. Und wer sich gerade den alpinen Strassenbau der letzten Jahrzehnte anschaut, bei dem es meist um schnelle und kostengünstige Realisationen unter Einsatz modernster Bautechnologie ging, versteht zwei Dinge: zum einen das ästhetisch-gestalterische Vorurteil, welches dem Strassenbau keine ernstzunehmende Stimme in der Debatte um vorbildliche, zeitbezogene Formgebung zugestand; zum anderen die Konsequenzen von Conzetts Vision, denn die verkehrstechnischen Architekturen sind im urbanen Bauen der westlichen Welt omnipräsent. Könnte man im Denken der Planer den Faktor Qualität neben und gleichberechtigt mit jenem des politischen Pragmatismus und der ökonomischen wie statischen Haltbarkeit etablieren, wäre dies weit einflussreicher als jede gute Einzelarchitektur. Selbst wenn diese gehäuft auftritt.

In den letzten zehn Jahren waren Conzett und der ähnlich denkende und ebenfalls erfolgreich operierende Ingenieur Jürg Buchli praktisch überall beim Entstehen der neuen Bündner Baukultur beteiligt. Conzett baute mit Jüngling & Hagmann die neue HTL in Chur, mit Bearth & Deplazes die Mehrzweckhalle in Alvaschein, mit Conradin Clavuot eine Transformatorenstation im Prättigau oder mit Gion A. Caminada eine Mehrzweckhalle in Vrin und ein Schulhaus in Duvin.

Am Beispiel von neuen Schulbauten in Biel und Basel kann Conzett seine Vorstellungen von der Kooperation zwischen Architekt und Ingenieur gut charakterisieren. Bei der Schweizerischen Holzfachschule in Biel, die er gerade mit den Architekten Meili & Peter fertiggestellt hat (und die im August eröffnet wird), strebte Conzett eine Synthese von Wand und Decke an. Gleiches gilt für das Volta-Schulhaus in Basel, das gegenwärtig vom Nachwuchsteam Miller & Maranta realisiert wird. Wenn Architekt und Ingenieur eine Gleichwertigkeit (gestalterisch wie statisch) von Wand und Decke anstreben, ist der Werkstoff (etwa Holz oder Beton) austauschbar. Entscheidend wird, dass das Konstruktions- mit dem Gestaltungselement so selbstverständlich auftritt wie die selbsttragende Karosserie eines Autos. Zum Skelettbau verhält sich dieses Prinzip antithetisch. Das fertige Haus (die Brücke, die Strasse) soll eine unsichtbare Verbindung von Konstruktion und Form oder von Statik und Ästhetik sein.

Eine Architektur hat Jürg Conzett bisher im Ausland mitrealisiert. 1995 wurde im steirischen Murau die raffinierte Konstruktion einer Brücke eingeweiht, die Meili & Peter entworfen hatten. Gerade wurde Conzett mit einem grossen Preis des Wettbewerbs «Neues Bauen in den Alpen» ausgezeichnet.

2. Juli 1999 Neue Zürcher Zeitung

Suburbia wird urban

Neue Architektur im südlichen Stadtraum von Basel

In der Form von vier Fingern streckt sich Basel mit seinen Vororten auf Schweizer Seite nach Süden. Die Gemeinden haben die Grösse von Dörfern und Kleinstädten (mit bis zu 20 000 Einwohnern) und liegen alle in den Kantonen Baselland und Solothurn. Über Jahrhunderte verlief ihr Wachstum unabhängig von der Kernstadt. Doch seit den sechziger Jahren explodierten diese Kommunen, denn hier entstanden die neuen Wohngebiete der Stadtregion (der Stadtkanton Basel besitzt keine Expansionsmöglichkeiten). Heute dehnt sich zwischen Oberwil (im Südwesten) und Dornach (im Südosten) eine Grossstadt mit über 200 000 Einwohnern.

Nun mehren sich die Zeichen, dass hier ein urbanes Bewusstsein entsteht und man sich mit neuer Architektur am Bau der Grossstadt beteiligen will. Peter Zumthors Siedlung «Spittelhof» in Biel-Benken (NZZ 7. 11. 97) ist zwar durch ein Waldstück vom Stadtraum getrennt, aber die klare und kompromisslose Wohnanlage strahlt markant auf ihn aus. Im benachbarten Therwil haben Berrel Architekten (Basel) gerade ein Haus so modernisiert und erweitert, dass die Kubatur aus Beton und Glas zum baulich bestimmenden Element des Gemeindekerns wird. Gleiches gilt für das etwas weiter östlich gelegene Reinach, wo Ernst Spycher (Basel) eine Schule mit einer Gemeindebibliothek errichtete. Und ein neues Zeichen urbanen Bauens liegt auch ganz im Südosten des Stadtraums in Arlesheim.

Hier, wo nach Plänen des Misoxer Architekten Jacob Engel ab 1679 eine Kirche mit mächtigen Wohnhäusern für das Bistum Basel entstand, bauen die Architekten Andreas Scheiwiller und Klaus Schuldt (beide Basel) ein Ensemble mit 5 villenartigen Wohnhäusern, die etappiert realisiert werden. Die fertiggestellten Häuser liegen einen Steinwurf von der mächtigen Barockanlage entfernt auf einer Parzelle, von der aus Waldrand und Rebberge sichtbar sind. Die zweigeschossigen Kubaturen haben in der oberen Etage einen umlaufenden Fensterkranz und darüber ein flaches Walmdach. Die austarierten Proportionen der Häuser machen das grosse Volumen der Innenräume nach aussen fast nicht sichtbar. Da die Häuser und Gärten nach euklidischen Geometrien organisiert und placiert sind, ergibt sich bei aller Grosszügigkeit ein kompaktes Raumgefühl. Die Häuser symbolisieren urbanes Wohnen in - fast - idyllischer Umgebung.

Auch in Therwil zeugen bäuerische Holzarchitekturen an der Hauptstrasse von dörflichen Zeiten. Als dort 1974 ein Wohnhaus mit Bankfiliale fertiggestellt wurde, gehörten diese Zeiten schon der Vergangenheit an. Nun haben Berrel Architekten vor dieses Haus einen Riegel aus Sichtbeton und Glas geschoben. Für die Erweiterung der Filiale wird die Geschossfläche im Parterre um 50 Prozent erhöht. Der Bau steht nun weit näher zur Strasse. Er beruhigt und konzentriert die heterogene Morphologie der gebauten Dorfstruktur, die nach einer neuen Identität sucht. Die Architekten haben das Parterre mit einer Art Lichtband geöffnet. Fassadenteile aus grauem Aluminium wirken streng, aber wohltuend sachlich. Die Atmosphäre ist städtisch.

Mit der neuen Handelsschule des Kaufmännischen Vereins des Kantons Baselland in Reinach verhält es sich ähnlich. Der Architekt (Ernst Spycher) hat dort einen Vorgängerbau aus den fünfziger Jahren durch Abriss und Neubau auf 3500 Quadratmeter Nutzfläche vergrössert. Die Gemeindebibliothek erhielt hier grosszügige Räume. Ein Café mit einem baumbestandenen Hof kann ein Treffpunkt für die Quartierbewohner werden. An der Fassade der neuen Schulanbauten gibt es grosse, fensterlose Sichtbetonflächen, die bis zu drei Stockwerke hoch sein können. Die andere Fassadenhälfte besteht aus Stahl-Glas-Partien. Neu- und Altbauten sind zwar gleich hoch, aber da der grosse Pausenhof um ein Geschoss abgesenkt wurde, gewann die Anlage an Volumen und Präsenz. Die Schule im Wohngebiet «Egerten» ist von weiteren Schulbauten, Strassenbändern, Ein- und Mehrfamilienhäusern umgeben. Sie fasst den Ort neu und gibt ihm ein klares Gesicht. In der Gemeindebibliothek erinnert ein Glasboden an Otto Wagners Wiener Postsparkasse. Im Zentrum des Hauses liegt ein quadratischer Raum mit Oberlicht, an den alle Gebäudeteile grenzen und der alle Nutzungen organisiert. Hier ist auch der Raum für zwischenmenschliche Begegnung und Gespräch. Und die Umgebung ist urban.

9. Juni 1999 Neue Zürcher Zeitung

Sakralbaumeister

Eine Ausstellung zu Rudolf Schwarz in Basel

Die grosse Tournee, auf die die Ausstellung zum Werk von Rudolf Schwarz (1897-1961) nach ihrem Auftakt in Köln (NZZ, 2. 6. 97) ging, ist zum Schluss in der Schweiz angekommen. Das Architekturmuseum Basel zeigt Photos, Pläne, Modelle und Schriften des deutschen Architekten, der mit Sakral- und Profanbauten - besonders im Raum Köln - Aachen - eine Grösse dieses Jahrhunderts ist. Da Schwarz besonders für die katholische Kirche baute, ist es verständlich, dass er zu den bedeutenden Architekten katholischer Sakralarchitektur in der Schweiz wie Karl Moser (1860- 1936), Fritz Metzger (1898-1973) und Hermann Baur (1894-1980) geistige und persönliche Kontakte hatte. Diesen Aspekt hat Wolfgang Pehnt für die Station in Basel mit Briefen, Schriften und einem Lauftext eigens herausgearbeitet.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich Rudolf Schwarz im Aufsatz «Helvetia docet» (1948) mit Schweizer Gegenwartsarchitektur auseinander. Am intensivsten waren Schwarz' Kontakte mit Hermann Baur und in einer Zeit, als er an Plänen für den Wiederaufbau des schwer kriegszerstörten Köln arbeitete. Bei Besuchen in Basel, wo Baur Kirchen, Wohnbauten, einen Kindergarten oder gerade ein neues Kantonsspital abgeschlossen hatte (1945), soll Rudolf Schwarz eine stille Begeisterung für die intakt gebliebene Stadt gezeigt haben.

Nach dem Schweizer Exkurs zum Auftakt der Ausstellung zeigt man Rudolf Schwarz als Baumeister des Expressionismus, die wichtigen Jahre in Aachen, seine Beiträge zum Sakral- und Profanbau sowie die Rezeptionsgeschichte des Werkes.

Lutz Windhöfel


[ Architekturmuseum in Basel, bis 25. Juli. Der Katalog (Verlag Gerd Hatje) hat 316 Seiten und kostet 48 Franken. ]

4. Juni 1999 Neue Zürcher Zeitung

Wohnraum im ehemaligen Silo

Diskussionswürdige Projekte für den Rheinhafen in Basel

Der Hafen am Fluss oder am Meer ist seit den achtziger Jahren im Umbruch. Eine neue Transportlogistik auf der Grundlage der Container macht es heute möglich, dass die gleiche Tonnage weniger Platz für die Lagerung benötigt. Der Raum, der in den Häfen nicht mehr gebraucht wird, wartet auf seine Umnutzung. In London, Rotterdam, Bordeaux, Genua und Barcelona oder in Hamburg, Duisburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main hat man aus flussnahen Industriequartieren Raum für Wohn- und Arbeitszwecke gemacht. Zum Stichwort «Wohnen am Wasser» gab es in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe von Publikationen und Ausstellungen.


Ausstellung im Baudepartement

Auch vor dem Rheinhafen in Basel, der in der Schweiz die grösste und bedeutendste Anlage dieser Art ist, machte die Entwicklung nicht halt. Hinzu kam, dass der Bund den Kantonen zu Beginn der neunziger Jahre erlaubte, die vorgeschriebenen Lagerbestände für die Landesversorgung zu Krisenzeiten (Lebensmittel, Energieprodukte) stark zu reduzieren. In Basel wurde plötzlich ein grosser Tank der Industriellen Werke nicht mehr benötigt. Hier baut das Nachwuchsteam Miller & Maranta gerade ein Schulhaus. Die Silos im Rheinhafen sind heute unternutzt. Zwei Dozenten des Institut d'Architecture der Universität Genf machten diesen Sachverhalt während zweier Semester mit ihren Studenten zum Thema. Wie kann man im bisherigen Industriequartier wohnen? war die Frage, die Andreas Scheiwiller (von Dolenc Scheiwiller, Basel/Zürich) und Jacques Blumer (Atelier 5, Bern) stellten. Welche Realitäten sind zu beachten, welche Überlegungen und planerischen Schritte sind nötig und möglich? Die Aufgaben, die die Dozenten anboten, umfassten Projekte zur Umnutzung der Silos, Wohnungsbau auf dem Terrain bisheriger Hafenareale sowie Verkehrsplanungen für das künftige Wohnquartier. Die Projekte zu drei Silos, mit denen sich mehrere Studenten beschäftigten, zeitigten die spektakulärsten Ergebnisse.

Im Lichthof des Baudepartementes Basel-Stadt werden die Arbeiten aus Genf nun in einer Ausstellung gezeigt. Das Hochbauamt unterstützt damit die Planungsvorschläge aus der Romandie. Unter dem Titel «Wohnen im Silo - Beiträge zur Entwicklung im Rheinhafen Basel» erscheint eine zweisprachige Begleitpublikation (französisch/ deutsch), die eine qualitative Auswahl der Projekte umfasst, das Vorgehen und das Ziel der Dozenten erläutert und die Geschichte des einstigen Fischerdorfes Kleinhüningen skizziert, wo die Hafenanlagen heute mehrheitlich liegen.


Perspektiven des Hafengebiets

Das Kerngebiet des Hafens wurde 1894 von der Stadt Basel eingemeindet, zu einem Zeitpunkt, als die Entwicklung des lange isoliert liegenden Dorfes bereits fest mit den Industrialisierungsschritten der Stadt verbunden war. Hier entstanden Produktionsstätten der chemischen Industrie, hierher kam aber auch der Rheinhafen, dessen konkrete erste Planungen in die Jahre des Ersten Weltkrieges fallen. 1922 war das Hafenbecken I, 1923 der Silo von Hans Bernoulli fertiggestellt, welcher mit seinem Betonkern und dem aufgemauerten dunklen Klinker zum architektonischen Wahrzeichen des Komplexes wurde. Um das Hafenbecken I sind nun auch die Projekte aus Genf konzentriert. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges schuf man ein weiteres Becken. In die fünfziger Jahre (1951-56) fällt der letzte bauliche Entwicklungsschub. Drei der Silos, zu denen nun Projekte entstanden, wurden in dieser Zeit von den Architekten Bräuning, Leu und Dürig mit den Ingenieuren Aergerter und Bosshardt gebaut.

In Kleinhüningen, das seit etwa 1900 mit dem Stadtraum direkt verbunden ist, liegen Wohn- und Industrieraum eng nebeneinander. Gleiches gilt für den Stadtteil Klybeck, der im Süden näher am Zentrum liegt und dessen Uferzone ebenfalls zum Hafen gehört. In der jüngeren Basler Architekturgeschichte machten die Stadtteile Klybeck und Kleinhüningen durch Wohnungs- und Schulbau auf sich aufmerksam. Wilfried und Katharina Steib realisierten eine mächtige Wohnanlage (Wiesengarten, 1980-87). Ackermann & Friedli verbesserten die pädagogische Infrastruktur (Schulhaus Ackermätteli, 1994-96). Das Grundstück, auf welches Diener & Diener in Kleinhüningen einen Wohnkomplex bauen wollen, liegt neben dem Damm der Wiese. Mächtige Bäume säumen hier das Ufer und haben den Charakter eines Galerienwaldes. - Im Norden berührt Kleinhüningen mit dem Hafenbecken I direkt die Grenze zu Deutschland und das Rheinquartier Weil-Friedlingen. Hier hat man 1998 ein neues Container-Center in Betrieb genommen, dessen elektromagnetischer Kran fast lautlos 48 Tonnen bis zu 24 Meter hoch heben kann. Fünf Container können so aufeinandergestapelt werden.


Eine neue Wohntypologie

Die Themen zum Rheinhafen in Basel, die Scheiwiller seinen Studenten stellte, hiessen im Wintersemester 1997/98 «Bauen am Wasser» (Entwurf eines Verwaltungsgebäudes für einen Containerbahnhof) und ein Jahr später «Wohnen im Silo». Zu diesem machte Daniel Wyss aus Winterthur ein interessantes Projekt. Er nahm den südlichen Silo des Basler Westquais und entwickelte aus der baulichen Struktur des Hauses eine neue Wohntypologie. In den bisherigen Silo werden dreigeschossige Maisonettewohnungen mit schmalen, hohen und teilweise durchgehenden Räumen placiert. Die Wohnungen sind ineinander verschachtelt, was zu einem intensiven Raumerlebnis führt. Da der Grundriss des bestehenden Baus rechteckig ist und eine Gitterstruktur hat, wurde für die Erschliessung in die Längsrichtung vom Dach bis zum Sockelgeschoss ein Gebäudeteil herausgebrochen. Dadurch entstehen zwei Kubaturen. Der trennende Schacht wird auf beiden Seiten verglast. Auf den Schmalseiten erhält dieser Raum, der mit Treppen, Liften und inneren Laubengängen die Zirkulation der Nutzer ermöglicht, Tageslicht. - Auch für die Energieversorgung macht Wyss einen interessanten Vorschlag. Einen länglichen Schachtteil will er in der ganzen Gebäudehöhe mit Wasser füllen und beheizen. Nördlich dieses Wasserschachts liegen die Ateliers, im Süden die projektierten Wohnungen. Der umgenutzte Kubus hat elf Geschosse - wie ein hohes Haus.


[ Ausstellung «Wohnen im Silo?» bis 25. Juni (montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr) im Baudepartement, Münsterplatz 11, Basel. - Katalog: Wohnen im Silo? Beiträge zur Stadtentwicklung im Basler Rheinhafen. Hrsg. Université de Genève, Institut d'Architecture, Genf 1999. Frz./dt., 170 S., Fr. 25.-. ]

12. März 1999 Neue Zürcher Zeitung

Ein basilikaler Pavillon

Das neue Haus von Zaha M. Hadid in Weil am Rhein

Rund zwei Kilometer südlich von ihrem allerersten Haus, das sie 1993 für die Basler Design- Firma Vitra realisierte, hat Zaha M. Hadid, die irakische Architektin mit Büro in London, im deutschen Weil am Rhein einen Pavillon für die «Grün 99», die diesjährige Gartenschau des Landes Baden-Württemberg, fertiggestellt. Der 140 Meter lange Bau, der 3,4 Millionen Mark kostete, dient während der Schau als Pavillon des veranstaltenden Bundeslandes. Danach soll er als Ausstellungs- und Konferenzhaus einem «Trinationalen Umweltzentrum» dienen.

Zaha Hadid, die in Rom ein Zentrum für Gegenwartskunst bauen soll, wäre nicht die international bekannteste Vertreterin ihrer Zunft, wenn ihre Architektur nicht Bewegung und Tempo repräsentieren würde. Auf dem Bauplatz, der zwischen den Städten Weil (greifbar im Norden) und Basel (sichtbar im Süden) liegt, ist mit der flachen, in der Landschaft liegenden Kubatur (grösste Höhe 6,3 Meter) ein Haus entstanden, das einen dünn bebauten, aber schon zersiedelten «ländlichen Stadtraum» zentriert und ihm ein urbanes Element gibt.

In der Mitte von Hadids neuem Bau liegt ein rampenartiger Weg, auf dem der Besucher die Architektur in der gesamten Länge «überlaufen» kann. Die von Westen her sanft ansteigende 50 Meter lange «Flanierstrasse» verläuft auf dem Dach des Pavillons horizontal und führt über tiefe, unbequeme Tritte eines eleganten Treppenlaufs in die Gartenlandschaft zurück. Hier, im Südosten, liegt die Schauseite der Architektur. Die teilweise gewölbte Fassade der grossen Pavillonhalle hat auf dieser Seite gleich mehrere Eingänge. Grosse Glaspartien geben der expressiven, reinen Gussbetonkonstruktion Licht und Dynamik. Mit Bauelementen in der Form eigenwilliger Geometrien erhält der Bau eine skulpturale Präsenz. Unter dem Spazierweg des Daches liegt im Parterre der Haupteingang, der mit Lichtbalken im Betonboden (eingelegte, von unten beleuchtete Glasplatten) zu Versorgungsräumen und dem Sanitärbereich führt. Die Architektur hat hier in Grund- und Aufriss eine basilikale Struktur. Vom Hauptportal im Nordosten betritt man ein erhöhtes Mittelschiff. Das linke Seitenschiff ist sichtbar. Das rechte liegt hinter einer Wand (hier befinden sich Büros und Tagungsräume) und ist als solches nur auf dem Plan zu erkennen. An beiden Seiten des «Mittelschiffs» hat der Bau zudem Fensterbänder, die an den Obergaden einer Kirche erinnern.

Publikationen

2004

Architekturführer Basel 1980-2004
Ein Führer durch die trinationale Stadt

Eine lebendige Szene mit internationaler Ausstrahlung, private und öffentliche Bauherren, die für gute Architektur keine Grenzen kennen, Architekturbüros aus Basel, der Schweiz, Europa, den USA und Japan: Der «Architekturführer Basel 1980-2004» stellt in seiner zweiten und erweiterten Auflage insgesamt
Autor: Lutz Windhöfel
Verlag: Birkhäuser Verlag

1997

Drei Länder, eine Stadt
Neueste Bauten im grenzüberschreitenden Stadtraum Basel 1992-1997

Der Stadtraum Basel ist einer der bedeutendsten Orte zeitgenössischer Baukunst in Europa: Dieses Buch liefert einen informativen und preisgünstigen Überblick über die neusete Architektur in der Region am Oberrhein. Den Anfang machte 1988 ein Holzhaus der damals noch unbekannten Architekten Jaques Herzog
Autor: Lutz Windhöfel
Verlag: Birkhäuser Verlag