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Ein Lustplatz für die Wiener Innenstadt
Der Standard

Der Michaelerplatz wird zur Fußgänger- und Begegnungszone umgebaut und begrünt. Private tragen einen Teil der Kosten – allerdings zum vorerst letzten Mal: Stadt und Bezirk streben derartige Partnerschaften nicht mehr an.

16. Juni 2023 - Stefanie Rachbauer
Ganz so grün, wie der Michaelerplatz zu Habsburger-Zeiten einmal war, wird er so schnell wohl nicht mehr. Aber gewisse Anknüpfungspunkte an den einst dort befindlichen Lustgarten lässt das, was zwischen Hofburg, Michaelerkirche und Looshaus entstehen soll, durchaus erkennen. Neun große Bäume, Pflanzen in fünf Trögen und Gräser sowie sechs kleinere Bäume in Beeten sollen dort künftig wachsen. Das gaben Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) und City-Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) bekannt.

Die Bepflanzung ist eine von mehreren Neuerungen bis November 2024. Beim Looshaus sind 40 Wasserdüsen geplant, dazu kommen Sitzbankerln. Und: Die Verkehrsorganisation wird geändert. Die Fußgängerzone wird vom Kohlmarkt in die Mitte des Platzes erweitert, der Rest zur Begegnungszone.

Menschen, die mit Rad, Rollstuhl oder Kinderwagen unterwegs sind, sollen den Platz künftig deutlicher holperfreier passieren können als jetzt. Denn das unebene Kopfsteinpflaster wird komplett entfernt und die Fläche auf ein Niveau gebracht. Eine Fahrspur aus Beton ersetzt es von der Herrengasse bis zur Reitschulgasse, im übrigen Bereich sind Pflastersteine vorgesehen.

Die Präsentation dieser Eckpunkte markiert den Schlussstrich unter einer langen Debatte um den Michaelerplatz – und einen Strategiewechsel bei der Gestaltung öffentlichen Raums. Erste Rufe nach einem Umbau wurden 2018 laut. Eine Initiative begann damals, medienwirksam Ideen zu sammeln. Mit dabei waren etwa Wirtschaftskammer und Pfarre, angeführt wurde sie von Wolfgang Spitzy. Der Anwalt ist Vertreter der Eigentümergesellschaft des Hochhauses in der Herrengasse und war – auch finanziell – maßgeblich daran beteiligt, dass diese heute eine Begegnungszone ist.

Eine solche Public-private-Partnership (PPP), bei der Liegenschaftseigentümer und Stadt zusammenlegen, regte die Gruppe auch für den Michaelerplatz an. Doch so richtig voran kam das Projekt nicht. Immer wieder war von kursierenden Konzepten zu hören – und von Fallstricken. Da waren etwa Meinungsverschiedenheiten über die Aufteilung der Kosten und der Widerstand von Fiakern, die ihre Stände mitten im Touristenstrom in Gefahr sahen.

Abkehr von PPPs

Für beides wurden Lösungen gefunden. Die Fiaker müssen sich künftig mit vier statt 13 Standplätzen zufriedengeben. Für die Hinterlassenschaften der Pferde wird ein Ablaufsystem eingebaut. Was das Budget angeht, sieht die Aufteilung so aus: Zu den geschätzten Gesamtkosten von 8,5 Millionen Euro steuern Private laut Sima rund 800.000 Euro bei, den Rest bezahlt die Stadt. Dann soll mit PPPs aber Schluss sein: Im ersten Bezirk sei dafür kein Potenzial mehr, sagten Sima und Figl durchaus überraschend.

Bisher wurden in der Inneren Stadt drei Straßengestaltungen als klassische PPPs umgesetzt: in der Herrengasse, der Rotenturmstraße und am bzw. um den Petersplatz. Auch bei Letzterem war Spitzy involviert. Über bisherige Beiträge sei man dankbar, beteuerten Stadträtin und Bezirkschef. Aber: „Wichtig ist, dass wir auch da investieren, wo es keine private Anschubfinanzierung gibt“, sagte Sima. Bei einem privaten Finanzierungsanteil von lediglich zehn Prozent wie nun beim Michaelerplatz gehe es auch irgendwann um Verteilungsgerechtigkeit.

Heißt im Klartext: Wien reagiert auf ein wesentliches Risiko, das PPPs mit sich bringen – nämlich dass sich Finanzstarke einen nach ihren Bedürfnissen gestalteten öffentlichen Raum kaufen, nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an“. Genau darauf spielt Figl an, wenn er sagt: „Ich möchte mich nicht mehr erpressen lassen.“ Sind PPPs in Wien also ein komplettes Auslaufmodell? Nicht ganz. Denn zwischen dem Gesagten klingt bei Sima und Figl durch: Ausschlaggebend sind die Protagonisten bzw. wie umsichtig sie auftreten – oder eben nicht.

Behutsam musste beim Michaelerplatz übrigens auch die Stadt agieren – wegen des Denkmalschutzes. Bedingung für die Umgestaltung war, dass die Sichtachse Kohlmarkt – Hofburg frei und der kreisförmige, von Architekt Hans Hollein gestaltete Bereich samt Ausgrabungen in der Mitte bestehen bleibt.

Somit ist der Rahmen für die letzte physisch vorhandene Erinnerung an den Lustgarten gesichert: Von der Mauer, die ihn einst umgab, ist im Ausgrabungsfeld bis heute ein L-förmiger Rest zu sehen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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