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Prachtbauten für die Donaumetropole
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt Carl König im Jüdischen Museum Wien

«Er war der Besten einer», urteilte Max Fabiani 1915 über seinen ehemaligen Lehrer. Tatsächlich zählte Carl König (1841-1915) zu den grossen späthistoristischen Architekten Wiens. Seine Bauten prägten das Gesicht der Donaumetropole. Fünf Jahrzehnte lehrte König am Wiener Polytechnikum, der «Ersten Schule der Monarchie». Zu seinen Schülern zählten spätere Protagonisten der internationalen Moderne wie Josef Frank, Oskar Strnad, Clemens Holzmeister, Rudolph Schindler, Richard Neutra und Friedrich Kiesler.

14. August 1999 - Gabriele Reiterer
Die zeitgenössische Literatur nannte König noch in der Reihe der grossen Ringstrassenarchitekten. Mit seinen Bauten, fast alle zwischen 1882 und 1909 entstanden, galt König als «Wiederbeleber» und Protagonist des speziellen Wiener Barocks. Königs Auftraggeber entstammten vielfach, wie er selbst, dem vermögenden, assimilierten Judentum. Die Prachtbauten, von denen er etliche in der Metropole Wien baute, repräsentierten den Wohlstand einer Schicht, die an kulturelle und gesellschaftliche Codes des Adels anzuschliessen trachtete. Königs neobarocke Wohnpaläste wurden denn auch zum Vorbild für Miethäuser der Jahrhundertwende in Europa.

Nach dem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien begann Königs fünfzigjährige Lehrtätigkeit am Wiener Polytechnikum, zuerst als Assistent Heinrich Ferstels, einige Jahre später als Professor, Dekan und schliesslich Rektor. Mit der Person Königs als Lehrer war eine eigenartige und faszinierende Widersprüchlichkeit verbunden. Als Bewahrer der «alten Grundlagen der Architektur» war er strikt und huldigte dem Glauben an die Geschichtlichkeit, im Gegensatz zu der frühen Bewegung der Moderne, die einem betonten Individualismus Platz einzuräumen begann. Seine Schüler jedoch waren von König fasziniert. Frank, Strnad, Oskar Sobotka und andere betonten später immer wieder die Bedeutung der von König vermittelten klassischen Grundlagen für ihre Suche nach einer eigenen Sprache.

Dass Carl König und sein architektonisches Erbe fast vollständig dem Vergessen anheimfielen, hat wohl mehrere Gründe. Zum einen galt König als Antipode Otto Wagners und damit als Vertreter einer konservativen Richtung in der Architektur. Damit war die historiographische Position Königs besiegelt. Auch besann sich ein Teil der Moderne - auf Selbstgründung eingeschworen - nicht mehr auf jene Herkunft, die noch dem Geschichtsdenken des 19. Jahrhunderts verhaftet war. Das Jüdische Museum Wien zeigt nun erstmals eine umfassende Werkdokumentation des historistischen Architekten. Begleitet wird die Ausstellung von einer monographischen Studie zu Carl Königs Leben und Werk, die einen wichtigen Beitrag zu einer differenzierteren Betrachtung der Entwicklung der österreichischen Moderne bildet. (Bis 12. September)

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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