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Gartenkunst zwischen Bewahren und Neuerfinden
Neue Zürcher Zeitung

Der Schweizer Landschaftsarchitekt Guido Hager

Mit neuen Interventionen in historischen Parkanlagen und zeitgenössischen Weiterentwicklungen von vorhandenen, aber auch mit modernen Gartengestaltungen hat sich der Zürcher Landschaftsarchitekt in den letzten fünfzehn Jahren einen Namen gemacht.

3. September 1999 - Suzanne Kappeler
Ausgang für die Neugestaltung eines historischen Gartens oder Parks ist stets die Frage nach dem Vorhandenen, nach dem Schützenswerten der Anlage. Für den Landschaftsarchitekten steht der «Ort» im Mittelpunkt seiner Überlegungen, wobei die Entstehungszeit von Haus und Garten nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. «Ein Palais aus dem 18. Jahrhundert kann ebenso stimmungsvoll in einen Landschaftsgarten aus dem 19. Jahrhundert eingebettet sein wie in eine spätbarocke Parterreanlage», meint der Zürcher Landschaftsarchitekt Guido Hager. Er wehrt sich gegen das blosse Konservieren historischer Substanz, das einem Gartendenkmal oft seine Glaubwürdigkeit, seine Lebendigkeit nimmt.


Kloster- und Schlossgärten

Bei der Denkmalpflege hat er sich mit dieser Meinung nicht unbedingt beliebt gemacht, kritisiert er doch deren Bemühen, historische Gärten nicht nur instand zu halten, sondern in einen bestimmten - einmal angelegten - früheren Zustand zurückzuversetzen. Das Gartendenkmal verliert so das mit der Zeit Gewachsene, zum Beispiel alte Bäume, was seinen eigentlichen Reiz ausmacht. Gärten sind - wie die Pflanzen, mit denen sie gestaltet werden - immer lebendig und daher einem steten Wandel unterworfen. Die praktizierte Rekonstruktion historischer Gärten verwischt die Spuren von Alt und Neu, der Garten verliert an Echtheit, denn «das scheinbar Alte ist nicht alt, sondern rekonstruiert». Hager plädiert also für eine zeitgenössische Weiterentwicklung, ein Weiterdenken und Weitergestalten, gleichsam einen neuen schöpferischen Akt an einem Gartendenkmal, wie er es in den letzten Jahren in verschiedenen Beispielen verwirklicht hat.

Beim Garten des Herrenhauses in Grafenort wie beim Kleinen «Türligarten» in Chur schuf Hager aus der ehemals barocken, allerdings nicht mehr sichtbaren Substanz etwas Neues, das indes Themen aus dem 18. Jahrhundert wie Axialität, Perspektive und in Form geschnittene Hecken aufnimmt. Beim Herrenhaus Grafenort, dem Sommersitz der Benediktinermönche des Klosters Engelberg, entstand aus der von der historischen Gartenanlage übriggebliebenen, verwilderten Wiese eine Art modernes Parterre mit schachbrettartigen Blumengevierten auf einer gepflegten Rasenfläche. Ein Feld mit geschnittenen Eibenkegeln setzt dazu einen asymmetrischen Kontrast, während die beiden Terrassen von geometrisch geformten Buchshecken abgeschlossen werden. Beim Kleinen Türligarten in Chur war der Ziergarten ebenfalls lediglich als Fläche erhalten geblieben. Mit den Gestaltungsmitteln des Barocks, mit Bäumen zur Betonung der Blickachse, mit Blumenquadraten und einem Wasserspiel legte der Gartenarchitekt seinen asymmetrischen Entwurf in eine nüchtern moderne Kiesfläche. Der neue Garten spielt mit der ursprünglichen Typologie, er will ein «Ort der Ruhe und Kontemplation» sein.


Grosse und kleine Anlagen

Gegenwärtig ausgeführt wird die Neugestaltung des Blumen- und Feigengartens im Grossen Garten von Hannover-Herrenhausen, ein Projekt für die «Expo 2000». Der im Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem Schloss verwüstete Blumengarten wird seine ursprüngliche Dreiteilung aus gebauter Zone, Parterre- und Boskettzone mit Linden wieder erhalten. Im Zentrum stehen die in den Kiesbelag eingefügten, in einem emailleartigen Muster bepflanzten Blumenbeete. Auf die Eiben, die früher das vertikale Element im Parterregarten darstellten, verzichtet Hager bei seiner Neuinterpretation. Die Vertikalen verkörpern für ihn heute «die Menschen, die im Garten herumspazieren». Beim ehemaligen Küchengarten werden Feigenbäume in grossen Kübeln stehen. Im Winter soll um die Töpfe herum jeweils ein Glashaus gebaut werden, ganz so wie dies vor dreihundert Jahren gepflegt wurde. Der Landschaftsarchitekt bedient sich also hier einer alten Tradition und lässt zu diesem Zweck das «Abschlagbare Feigenhaus» rekonstruieren.

Bei der geplanten Erneuerung des Restaurantgartens beim Château d'Ouchy in Lausanne sind zellenartige, in Rundform angeordnete, geschnittene Buchshecken vorgesehen, die frei auf Kies- und Rasenflächen stehen sollen. Beim Betrachten der Entwürfe fühlt man sich an die Gartenbilder des naiven Thurgauer Malers Adolf Dietrich erinnert. Als weiteres Element im Grossen Garten schwebt dem Gestalter eine zweistöckige Grotte vor, durch die das Wasser in ein Nymphäum fliessen wird. Zur rot gefärbten Grotte soll sich ein blauer Pavillon gesellen. Hecken, Brunnen, Grotte, Pavillon: Hager fügt die Gestaltungsideen vergangener Jahrhunderte in ungewohnten Formen und Farben in die Gärten ein.

Im privaten Garten des Landschaftsarchitekten, um ein Haus aus der Jahrhundertwende angelegt, spielt das Regenwasser eine zentrale Rolle: Von der Gartenhalle fliesst es in einer eleganten Rinne durch den leicht terrassierten Garten. Ein mit Seerosen bepflanztes Becken rahmt die zentrale Rasenfläche und funktioniert wie diese als grüner Spiegel. Pflanzen mit vielfältigen Blattstrukturen kontrastieren mit den horizontalen Flächen. Wasserbecken und -rinne werden von einfachen Beton- und Metallbändern gefasst, was ihre Gradlinigkeit betont. - Mit Wasser hat der Landschaftsarchitekt auch beim 1994 entworfenen Privatgarten Trösch in Feldmeilen gearbeitet, wo er ein mit Mosaiken ausgelegtes Badebecken entwarf, oder bei der Umgebungsgestaltung des Postneubaus in der Zürcher Binz (1988-94), wo er ellipsenförmige Wasserrückhalte- und Verdunstungsbecken anlegte. - Ist im Hausgarten die Anlage von einem zentralen Punkt, etwa dem Wohnzimmer oder einem Gartensitzplatz aus überschaubar, verwendet Guido Hager bei grossen Projekten eher Gestaltungstypen. Bei der Aussenanlage der Siedlung «Limmat West» in Zürich (1996-2000) arbeitet er mit den Eingangs- und Wohnhöfen. Den äusseren Streifen zur Limmat prägen eingestreute Pappeln und Weidenmulden, die einerseits als Spielorte in der Grünfläche dienen, anderseits Plätze sind, wo sich Spontanvegetation ausbreiten kann. Die Wohnhöfe sind mit Platten und Rasenstreifen ausgelegt. Grosse Wasserbecken schirmen die Privatbereiche voneinander ab. Private und öffentliche Sphären liegen in den Siedlungsgärten nahe beieinander und müssen deshalb gestalterisch voneinander getrennt werden.

In Berlin-Steglitz entsteht bis ins Jahr 2002 die Aussenraumgestaltung der Wohnanlage McNair, einer Siedlung mit insgesamt sechshundert Wohnungen. Zwei Meter hohe Buchenhecken schliessen die Reihenhäuser gegen aussen ab. Hager erzählt, dass diese Hecken in Berlin nach dem Fall der Mauer als Provokation empfunden würden und ausserhalb jeder lokalen Tradition stünden. Im Unterschied zu «Limmat West», wo die Wasserbecken als Leitmotive funktionieren, setzen hier verschiedene Baumarten Zeichen: Alle Strassen, alle Parkplätze, alle Sitz- und Spielplätze werden mit der jeweils gleichen Baumart, vom Ahorn bis zur Zierkirsche, bepflanzt. In den privaten Gartenhöfen sollen langsam wachsende Obstbäume einen Kontrapunkt dazu bilden.


Fliessende Übergänge

Beginnt die Beschäftigung mit einem historischen Garten stets mit Studien im Archiv und Bestandesaufnahmen vor Ort, nach denen dann ein «Parkpflegewerk» erarbeitet wird, so stehen bei der Gestaltung des modernen Privatgartens die Bedürfnisse der Benutzer im Vordergrund. Bei frei zugänglichen Anlagen in den Städten oder um Firmengebäude ist der Anspruch des Publikums diffuser, nicht genau bestimmbar, die Gestaltung muss vielerlei Anforderungen erfüllen. Guido Hager erkennt denn auch einen fliessenden Übergang zwischen historisch gewachsenen Anlagen, die durch kleinere oder grössere Eingriffe, wie etwa das Freischneiden von Blickachsen, saniert werden, und modernen Gärten, die mehr mit Zeichen und Typen arbeiten. Beide Arten der Gestaltung erfordern das kreative Potential des Landschaftsarchitekten, weswegen Hager «nie auf die Beschäftigung mit historischen Gärten verzichten» möchte.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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