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Der Stil, der keiner sein wollte
Der Standard

Den Gründungsvätern der industriellen Formgestaltung widmet der Standard die Serie „Wiege des Designs“, die verschiedene Länder bis in die Nachkriegsjahre hinein umfasst. Auf Grund der steigenden Nachfrage auf dem Kunstmarkt kommt den zuweilen bis heute gefertigten Prototypen besondere Bedeutung zu. Teil eins: Österreich.

28. August 1999 - Olga Kronsteiner
Nahezu parallel zu den Stilströmungen des Jugendstils entwickeln sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts funktionalistische Bestrebungen, die vor allem in den Zwischenkriegsjahren - auch bedingt durch die Weltwirtschaftskrise - an Einfluss gewinnen. „Industrielle Fertigung“ war damals kaum Zeiterscheinung, dafür Notwendigkeit.

Der Forderung nach einem ästhetisch bewusst gestalteten Serienprodukt kommt Österreich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts nach: So wird der Thonetstuhl Nr. 14 von 1859 weltweit als Klassiker in der Geschichte des Designs gehandelt; ein industrielles Produkt, das wegen seiner innovativen Form- und Funktionslösung zum Leitbild einer aufgabenorientierten Gestaltung wurde. Exemplare aus der ersten Produktionsserie werden heute mit ca. 25.000 Schilling gehandelt. Mit seiner klaren, nüchternen Formensprache genoss der Wiener „konstruktive Jugendstil“ (ab 1900) internationale Anerkennung; rein äußerlich hatte er die Voraussetzungen, zu einem Ausgangspunkt für angemessenes modernes österreichisches Möbeldesign werden zu können. Die Förderer dieser Neuorientierungen fanden sich abgesehen von der Künstlerschaft im Wiener Großbürgertum, das als Auftraggeber fungierte. Familien wie Wittgenstein, Wärndorfer, Primavesi oder Stoclet ließen ihren exklusiven Individualstil von Josef Hoffmann & Kolo Moser „designen“ und u.a. in der Wiener Werkstätte ausführen.

Auf Serienfertigung zielte der Output dieser Protagonisten schwerlich ab - es galt Gesamtkunstwerke wie das 1905-1911 errichtete Palais Stoclet zu konstruieren, zu dem u.a. Peter Behrens, Le Corbusier, Mies van der Rohe und Gerrit Rietveld, die künftigen Protagonisten der Moderne, pilgerten. In der Not nach dem ersten Weltkrieg und der folgenden Weltwirtschaftskrise hatten derartige Programme freilich kaum Zukunft. Und so musste selbst ein Star wie Josef Hoffmann anlässlich der Pariser Weltausstellung 1925 harsche Kritik hinnehmen; im selben Jahr gründeten Josef Frank und Oskar Wlach in Wien das Einrichtungsgeschäft Haus und Garten.

Die Idee Adolf Loos' fortführend, plädierte Frank, im Gegensatz zum statischen Modernitätsbegriff der Secessionisten, für ein dynamisches und sämtliche kulturellen Neuerungen miteinbeziehendes Ideal. Damit wurde in Österreich gleichzeitig auch Opposition zur Stahlrohrmode und der idealistischen Tendenz ausnahmslos normierter, industriell gefertigter Möblage bezogen. 1927 präsentierte Frank bei der Wiener Kunstschau das radikale Gegenkonzept einer ausschließlich auf Entspannung des Bewohners abgestimmten Wohnlandschaft.

Zur selben Zeit sorgte die vom Deutschen Werkbund als Modellausstellung zeitgemäßen Wohnens initiierte Weißenhofsiedlung für Furore. Josef Frank lud verschiedene Architekten 1932 zur Wiener Variante der Werkbundsiedlung, die eine Schar von Talenten versammelte. Rückblickend blieb die eine oder andere Begabung dieser Zeit, etwa Albert Linschütz, leider weitgehend unbeachtet. Kunsthändler und Möbelspezialist Patrick Kovacs sieht dies auch darin begründet, dass sich die Moderne in Österreich eben nur „zimperlich“ fand.

Mit dem Zweiten Weltkrieg folgte nicht nur eine wirtschaftliche Zäsur; das Gros der Protagonisten dieses neuen Stils, der keiner sein wollte, musste emigrieren - unter ihnen Josef Frank, der mit seiner Entwurfsarbeit für die schwedische Einrichtungsfirma Svenskt Tenn das skandinavische Design nachhaltig prägen sollte. Seine Entwürfe sind auf dem Markt relativ selten. Einen zugeschriebenen Bugholzarmsessel von 1929 in Ausführung der Thonet MundusAG bot das Dorotheum in der Vorjahres-Designauktion für 8000 bis 10.000 Schilling. Am 11. Mai dieses Jahres ging bei Christie's London ein Sessel von Josef Frank für stolze 4025 Pfund weg - zugeschrieben war das Objekt allerdings „Haertl oder Hoffmann“.

Ab Mitte der 20er Jahre waren unter dem Motto „Die Wohnung für das Existenzminimum“ neue Bautypen und vor allem billige Mustereinrichtungen propagiert worden, die in den ersten Wohnbauprojekten Umsetzung fanden. Auch hier hat Österreich einen Star - Margarethe Schütte-Lihotzky sorgte 1926 mit ihrer Frankfurter Küche für den Auftakt zum Ruhm der späteren Einbauküchen.

Die gravierenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges lieferten sozialen Wohnbauprojekten dann in den fünfziger Jahren ein reiches Betätigungsfeld. Während Nierentische europaweit in Zinsheime Einzug hielten, herrschte in Österreich eine eher mediterran orientierte Auffassung in der Art der „Wiener Wohnkultur“ vor.

Und selbst „minderes“ Material wie Sperrholz avancierte unter Designer-Behandlung zu Klassikern: Roland Rainers Stadthallensessel von 1952/53 erfreut sich, zur Verwunderung des Meisters selbst, nachhaltigen Interesses; je nach Ausführung kostet das Stück zwischen 2000 und 15.000 Schilling; ein lackiertes Dreier-Set verkaufte das Dorotheum vergangenes Jahr für rund 5000 Schilling. []

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