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Kreislaufwirtschaft: Was genau bedeutet das?

Früher sagte man „Aus Alt mach Neu“, heute heißt es Recycling, Upcycling, Downcycling, Remanufacturing – wer kennt sich in der Wiederverwertung noch aus? Eine Zusammenschau.
6. Dezember 2020 - Harald Gründl
Vor bald zwei Dekaden schrieben die Kreislaufwirtschaftspioniere William McDonough und Michael Braungart den Ökodesignklassiker „Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things“ (2002). Ein amerikanischer Architekt, der für Weltkonzerne ökologische Architektur umsetzt, und ein deutscher Chemiker, der für Greenpeace gearbeitet hat, fassen Überlegungen von Ecodesign und Architektur in ein stringentes Schema, das sie auch gemeinsam in den USA und Europa zu zertifizieren beginnen. Damit waren sie ihrer Zeit voraus. Einige Unternehmen wurden seitdem von der Idee zu neuen Geschäftsmodellen und -praktiken inspiriert, zertifizierten Bürodrehstühlen oder Teppichfliesen, die man am Ende ihres Lebenszyklus an die Hersteller retournieren kann und soll. Reinigungsmittel und Klopapier wurden so optimiert, dass sie problemlos in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt werden können.
Die kapitalistische Heilsversprechung ist, wenn unsere Häuser und Gegenstände wirklich kreislauffähig wären und wir dies durch entsprechende Rücklaufsysteme gewährleisten, denn dann bräuchten wir das lineare Wirtschaftsmodell „Sell more, sell faster“ nicht zu verlassen. Eine Entkopplung von Umweltauswirkung und Wachstumsparadigma. Als Beispiel dient Braungart der Kirschbaum, der verschwenderisch in Blüte steht, aber durch den Überfluss gleichzeitig die Nahrung für den biologischen Kreislauf liefert. Aus den Produkten (Blüten) wird wieder Nahrung (Erde). Das ist auch die Inspiration für alle technischen Kreisläufe, aus Abfall soll Nahrung werden. Produkte sollen nicht weniger schlecht sein, sondern ihre Umwelt verbessern, so wie der Kirschbaum.
Dass es an der Zeit ist, sich in Design und Architektur mit der Kreislaufwirtschaft ernsthaft zu beschäftigen, zeigt der Europäische „Green Deal“. In dessen Windschatten gingen in Österreich die Wogen in einem eher symbolischen Fall hoch, weil die Klimaschutzministerin gern ein Pfand für PET-Plastikflaschen einführen möchte. Die Wirtschaftskammer, der Einzelhandel und Interessensvertretungen der Plastikindustrie empörten sich. Die im Zuge dieser Diskussion formulierten Ängste und Widerstände sind ernst zu nehmen, denn sie zeigen, dass die handelnden Akteure in keiner Weise den notwendigen Paradigmenwechsel von linearer Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft unterstützen. In einer Kreislaufwirtschaft müssen wir uns darum kümmern, dass die in die Welt gesetzten Objekte zu den Herstellern zurückgehen. Die PET-Flasche soll hier auch nicht im Mittelpunkt stehen, ich verwende sie als Variable X, in die Sie ein anderes Produkt einsetzen könnten: einen Stuhl, eine Leuchte, einen Bodenbelag, ein Fenster oder sonst etwas aus dem Bereich von Design und Architektur. Wir nehmen also Rohstoffe, produzieren ein Produkt und verkaufen es. Vielleicht gibt es noch eine lächerliche Entsorgungsgebühr zu entrichten, das schlagen wir auf den Verkaufspreis auf. Fertig. Sell more, sell faster.
Heute fürchten sich Produktionsbetriebe davor, die erzeugten Dinge zurückzubekommen: Retourware, Fehlerbehebung und Verluste. Das Beispiel der PET-Flasche lehrt uns aber: Wenn die Flaschen zurückkommen, kann man neu abfüllen oder die rezyklierten Materialien einschmelzen und neue Flaschen daraus formen. Von der Kreislaufwirtschaft kennen viele nur den Wertstoffkreislauf des Recyclings. Wartung und Pflege, Upgrades, Wieder- und Weiterverwendung, aber auch Wiederaufarbeitung (Remanufacturing) gehören zum Werkzeugkoffer des Designs für die Kreislaufwirtschaft. Produkte für einen oder mehrere dieser Kreisläufe zu designen bedeutet, zukünftige Geschäftsfelder zu erschließen, aber auch, eine langfristige Kundenbindung zu etablieren. Gebäude muss man nicht abreißen, wenn sie so gestaltet sind, dass sich später andere Nutzungsmuster darin unterbringen lassen. Beleuchtungssysteme können statt verkauft nur in Lichtmiete genommen werden. Der Hersteller sorgt für die Wartung, Reparatur und überdurchschnittliche Lebensdauer am Einsatzort. So wie bei den Computern und Mobiltelefonen etablieren sich Serviceanbieter, die gebrauchte Geräte wieder mit Garantie weiterverkaufen. Dabei haben sie vielleicht sogar eine höhere Marge als die Originalhersteller.
Materialien, die ohne Qualitätsverlust im Kreislauf geführt werden können, sind ein Schlüsselfaktor für das Gelingen des Paradigmenwechsels unserer Wirtschaft. PET ist so ein Material, das uns heute schon in Sicherheit wiegt, mit einem Fuß in der Kreislaufwirtschaft zu sein. PET-Getränkeflaschen können dank österreichischer Ingenieursleistung und hervorragender Aufbereitungsanlagen schon zu 100 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden. Und unser Wanderpulli ist natürlich auch aus 100 Prozent rezyklierten PET-Flaschen, genauso wie ein Kunststoffstuhl, der aus Cola-Flaschen produziert wird. Alles recycelt und alles aus PET-Flaschen – wie geht sich das aus? PET-Flaschen sind zwar im besten Fall aus 100 Prozent Rezyklat, aber nicht 100 Prozent der gesammelten PET-Flaschen kommen in die Wiederaufarbeitung, sonst brauchten wir keine Pfandsysteme zu überlegen. Rechnet man Verschlüsse, Getränkereste und Etiketten weg, bleiben etwa 90 Prozent PET. Aus diesem kann man 90 Prozent PET in Lebensmittelqualität herstellen. Anders gesagt: Nach sieben idealen Recycling-Zyklen sind weniger als 50 Prozent höchster PET-Qualität vorhanden. Ungefähr 15 Prozent der PET-Flaschenmenge gehen etwa in die Textilproduktion.
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft stellt man sich anders vor, und die grün gedruckten Schönfärbereien wägen uns in dem naiven Glauben, dass Einwegplastik unendlich wiederverwendbar ist. Kleidung und Plastikstühle sind „Downcycling“ von hochwertigem Food-PET. Würde unsere Plastikflasche, die hier so vorbildhaft im Kreislauf geführt wird, ein „Cradle to Cradle“-Zertifikat und „Gold“ oder „Platin“ bekommen? Leider nein, denn wie Braungart und McDonough schreiben, stimmt in vielen unserer Alltagsgegenstände die Chemie nicht, sie ist sogar toxisch. Denn die Reste des PET-Katalysators sind in einer Konzentration vorhanden, dass sich bestenfalls eine „Bronze“-Zertifizierung ausgeht. Und das ohne Aussicht auf Silber, denn dann müsste das Antimon, ein Schwermetall, das als kanzerogen eingestuft ist und migriert, ganz verschwunden sein. In dieser einfachen Verpackungsform finden sich bis zu 200 unterschiedliche Chemikalien, die in einer Zertifizierung evaluiert werden müssten. Wir müssen unsere Welt neu gestalten, von Grund auf.
Die kapitalistische Heilsversprechung ist, wenn unsere Häuser und Gegenstände wirklich kreislauffähig wären und wir dies durch entsprechende Rücklaufsysteme gewährleisten, denn dann bräuchten wir das lineare Wirtschaftsmodell „Sell more, sell faster“ nicht zu verlassen. Eine Entkopplung von Umweltauswirkung und Wachstumsparadigma. Als Beispiel dient Braungart der Kirschbaum, der verschwenderisch in Blüte steht, aber durch den Überfluss gleichzeitig die Nahrung für den biologischen Kreislauf liefert. Aus den Produkten (Blüten) wird wieder Nahrung (Erde). Das ist auch die Inspiration für alle technischen Kreisläufe, aus Abfall soll Nahrung werden. Produkte sollen nicht weniger schlecht sein, sondern ihre Umwelt verbessern, so wie der Kirschbaum.
Dass es an der Zeit ist, sich in Design und Architektur mit der Kreislaufwirtschaft ernsthaft zu beschäftigen, zeigt der Europäische „Green Deal“. In dessen Windschatten gingen in Österreich die Wogen in einem eher symbolischen Fall hoch, weil die Klimaschutzministerin gern ein Pfand für PET-Plastikflaschen einführen möchte. Die Wirtschaftskammer, der Einzelhandel und Interessensvertretungen der Plastikindustrie empörten sich. Die im Zuge dieser Diskussion formulierten Ängste und Widerstände sind ernst zu nehmen, denn sie zeigen, dass die handelnden Akteure in keiner Weise den notwendigen Paradigmenwechsel von linearer Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft unterstützen. In einer Kreislaufwirtschaft müssen wir uns darum kümmern, dass die in die Welt gesetzten Objekte zu den Herstellern zurückgehen. Die PET-Flasche soll hier auch nicht im Mittelpunkt stehen, ich verwende sie als Variable X, in die Sie ein anderes Produkt einsetzen könnten: einen Stuhl, eine Leuchte, einen Bodenbelag, ein Fenster oder sonst etwas aus dem Bereich von Design und Architektur. Wir nehmen also Rohstoffe, produzieren ein Produkt und verkaufen es. Vielleicht gibt es noch eine lächerliche Entsorgungsgebühr zu entrichten, das schlagen wir auf den Verkaufspreis auf. Fertig. Sell more, sell faster.
Heute fürchten sich Produktionsbetriebe davor, die erzeugten Dinge zurückzubekommen: Retourware, Fehlerbehebung und Verluste. Das Beispiel der PET-Flasche lehrt uns aber: Wenn die Flaschen zurückkommen, kann man neu abfüllen oder die rezyklierten Materialien einschmelzen und neue Flaschen daraus formen. Von der Kreislaufwirtschaft kennen viele nur den Wertstoffkreislauf des Recyclings. Wartung und Pflege, Upgrades, Wieder- und Weiterverwendung, aber auch Wiederaufarbeitung (Remanufacturing) gehören zum Werkzeugkoffer des Designs für die Kreislaufwirtschaft. Produkte für einen oder mehrere dieser Kreisläufe zu designen bedeutet, zukünftige Geschäftsfelder zu erschließen, aber auch, eine langfristige Kundenbindung zu etablieren. Gebäude muss man nicht abreißen, wenn sie so gestaltet sind, dass sich später andere Nutzungsmuster darin unterbringen lassen. Beleuchtungssysteme können statt verkauft nur in Lichtmiete genommen werden. Der Hersteller sorgt für die Wartung, Reparatur und überdurchschnittliche Lebensdauer am Einsatzort. So wie bei den Computern und Mobiltelefonen etablieren sich Serviceanbieter, die gebrauchte Geräte wieder mit Garantie weiterverkaufen. Dabei haben sie vielleicht sogar eine höhere Marge als die Originalhersteller.
Materialien, die ohne Qualitätsverlust im Kreislauf geführt werden können, sind ein Schlüsselfaktor für das Gelingen des Paradigmenwechsels unserer Wirtschaft. PET ist so ein Material, das uns heute schon in Sicherheit wiegt, mit einem Fuß in der Kreislaufwirtschaft zu sein. PET-Getränkeflaschen können dank österreichischer Ingenieursleistung und hervorragender Aufbereitungsanlagen schon zu 100 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden. Und unser Wanderpulli ist natürlich auch aus 100 Prozent rezyklierten PET-Flaschen, genauso wie ein Kunststoffstuhl, der aus Cola-Flaschen produziert wird. Alles recycelt und alles aus PET-Flaschen – wie geht sich das aus? PET-Flaschen sind zwar im besten Fall aus 100 Prozent Rezyklat, aber nicht 100 Prozent der gesammelten PET-Flaschen kommen in die Wiederaufarbeitung, sonst brauchten wir keine Pfandsysteme zu überlegen. Rechnet man Verschlüsse, Getränkereste und Etiketten weg, bleiben etwa 90 Prozent PET. Aus diesem kann man 90 Prozent PET in Lebensmittelqualität herstellen. Anders gesagt: Nach sieben idealen Recycling-Zyklen sind weniger als 50 Prozent höchster PET-Qualität vorhanden. Ungefähr 15 Prozent der PET-Flaschenmenge gehen etwa in die Textilproduktion.
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft stellt man sich anders vor, und die grün gedruckten Schönfärbereien wägen uns in dem naiven Glauben, dass Einwegplastik unendlich wiederverwendbar ist. Kleidung und Plastikstühle sind „Downcycling“ von hochwertigem Food-PET. Würde unsere Plastikflasche, die hier so vorbildhaft im Kreislauf geführt wird, ein „Cradle to Cradle“-Zertifikat und „Gold“ oder „Platin“ bekommen? Leider nein, denn wie Braungart und McDonough schreiben, stimmt in vielen unserer Alltagsgegenstände die Chemie nicht, sie ist sogar toxisch. Denn die Reste des PET-Katalysators sind in einer Konzentration vorhanden, dass sich bestenfalls eine „Bronze“-Zertifizierung ausgeht. Und das ohne Aussicht auf Silber, denn dann müsste das Antimon, ein Schwermetall, das als kanzerogen eingestuft ist und migriert, ganz verschwunden sein. In dieser einfachen Verpackungsform finden sich bis zu 200 unterschiedliche Chemikalien, die in einer Zertifizierung evaluiert werden müssten. Wir müssen unsere Welt neu gestalten, von Grund auf.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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