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Landschaftsarchitektur: So gelingen Freiräume mit Flair
Die Landschaftsarchitekten Auböck + Kárász sind seit 40 Jahren in der Stadterneuerung tätig: „Wir komponieren wie bei einem Musikstück mit langsamen und schnellen Teilen. Die Partitur soll sich entwickeln und unterschiedlich gespielt werden können.“
19. Dezember 2024 - Franziska Leeb
Sie sind die prominentesten Landschaftsarchitekten Österreichs, seit 1987 betreiben sie ihr gemeinsames Atelier in Wien-Neubau. Erstaunlich, dass erst jetzt eine Monografie über ihre Arbeit erscheint. Es ist keine klassische Werkdokumentation, die mit Hochglanzfotos und detailreichen Plänen das Lob auf die realisierten Arbeiten singt. „Wir wollten einen Parcours entfalten, den man erwandern kann wie eine Landschaft“, erklärt János Kárász die Grundidee. Entlang dieses Parcours nehmen sie die Leserin mit auf eine Tour zu ausgewählten eigenen Bauten und lassen sie teilhaben an der Gedankenwelt und dem Wissen des universell gebildeten Paares.
Die aus der berühmten Architekten- und Designerfamilie stammende Maria Auböck und der in Ungarn geborene Janosz Kárász haben beide in Wien Architektur studiert, er zusätzlich Sozialwissenschaften. Für Auböck fiel die Entscheidung, keinesfalls in ein großes Architekturbüro zu gehen, sondern sich in der Stadterneuerung und für kommunale Grünflächen zu engagieren, schon im Studium. Bereits in ihrer Diplomarbeit befasste sie sich mit dem Wiener Augarten, der sie später über viele Jahre beschäftigte, um das historische Gartendenkmal zu revitalisieren, es in das Stadtgewebe einzubetten und zugleich als modernen Volksgarten nutzbar zu machen.
Sozialer Anspruch
Kárász kuratierte kulturhistorische Ausstellungen und forschte über die junge Generation in den Dörfern. So entdeckten sie in den 1980er-Jahren zusehends, dass sie mit dem gemeinsamen Wissen etwas bieten konnten, was es so in Österreich bisher nicht gegeben hatte. Der soziale Anspruch, die architektonische Ausbildung: „Das ist ein anderes Raumverständnis, als wenn man von der Universität für Bodenkultur kommt.“
Nicht besser oder schlechter, nur anders, betont János Kárász. So sei der grundsätzliche Zugang jener, Aufgabenstellungen für Freiräume zunächst funktional zu entrümpeln, damit sich offene Räume für variables Geschehen entfalten können. „Wir komponieren ähnlich einem Musikstück, bei dem es langsame und schnelle Teile gibt, und so, dass sich diese Partitur entwickeln und unterschiedlich gespielt werden kann.“
Auf diese Weise entgehen sie dem Dilemma, das zwischen immer komplexer werdenden Anforderungen und präzisen, mitunter einander widersprechenden Nutzungsvorstellungen entsteht. Besonders ist ihnen das im Furtwänglergarten in Salzburg gelungen, wo sehr unterschiedliche Gruppen jeweils ein starkes Partikularinteresse gehabt hatten, etwas Bestimmtes unterzubringen. „Nichts davon gibt es, und nun haben es alle gern.“
Die Unterscheidung nach den soziologischen Kategorien privat, halb öffentlich und öffentlich werde zwar nach wie vor eingefordert, erweise sich aber zusehends als immer weniger tragfähig. Private finanzieren öffentlich zugängliche Freiräume und etablieren dort ihre Spielregeln. Städtische Grünflächen als auch historische Grünflächen werden benutzt wie Wohnzimmer im Freien; weil Wege eher nur noch Empfehlungscharakter haben, entstehen Trampelpfade durch die Wiesen. Werden im Straßenraum aufwendigere Bepflanzungen umgesetzt, neigt man dazu, sie mit Einfriedungen zu schützen. Das sei alles weder schlecht noch gut, aber man müsse darauf reagieren.
„Schwimmende Inseln“
Für den zentralen Freiraum im Stadtquartier „In der Wiesen Süd“ an der Carlbergergasse in Wien-Liesing haben Auböck + Kárász eine Lösung gefunden, wie mit einer neuen Art von Gliederung diesen Bedürfnissen entsprochen werden kann. Unter dem Titel „Îles Flottantes“, also „Schwimmende Inseln“, was in Frankreich ein Dessert bezeichnet, das bei uns „Schneenockerl“ und in Ungarn „Madártej“ („Vogelmilch“) heißt, schufen sie eine Landschaft aus Grüninseln und geschwungenen Wegen.
Ob im Kleinen im Wohnbau, in der „Neuen Mitte“ von Bad Gleichenberg oder im Central Park von Baku: Es geht um Freiräume mit Atmosphäre und unterschiedlichen Milieus, in denen Unterschiedliches gleichzeitig stattfinden kann, ohne miteinander in Konflikt zu geraten.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und dem Druck, etwas ökologisch Gerechtes zu machen, beherrschen heute Kennzahlen und Zertifizierungen die Diskussion. „Etwas durchzusetzen, das über das Quantifizierbare hinaus zusätzliche Qualitäten hat, wird immer schwieriger“, stellt Kárász fest. Funktionalität, Nachhaltigkeit und Klimaresilienz sollten ohnedies selbstverständlich sein. Das Schöne ist im professionellen Architekturdiskurs wie in der Landschaftsarchitektur ein prekäres Ding geworden, über das selten explizit gesprochen wird. Vielleicht weil das Bemühen um Poesie und Schönheit am Ende oft in Kitsch abgleitet. Davor sind die Arbeiten von Maria Auböck und Janos Kárász schon allein deshalb gefeit, weil ihre Arbeiten auf einem festen Wissensfundament aufbauen, das bei typologischen Experimenten für Sicherheit sorgt.
Raumauffassung und -bewältigung
Die beiden arbeiteten an zahlreichen historischen Gärten und wissen um die Herausforderung, die richtige Strategie zu finden, damit die Anlagen langfristig zwischen ökonomischen Rahmenbedingungen und steigendem Nutzungsdruck gut über die Jahrzehnte kommen. Die persischen Teppichmustern nachempfundenen Broderien im Park von Schloss Belvedere wurden schon zu Zeiten Maria Theresias als zu pflegeaufwendig erachtet und daher vereinfacht, wie ein Vergleich der ursprünglichen Muster mit der bekannten Ansicht von Canaletto veranschaulicht. Letzteres diente bei Renovierungen in den 1990er-Jahren als Vorbild.
Zum 50-Jahr-Staatsvertragsjubiläum wünschte die Regierung eine Rekonstruktion des Originalzustandes, der mit viel Akribie und Forschungsarbeit hergestellt wurde. Eine wichtige Erkenntnis daraus: Das Muster führte zu einer optischen Täuschung, die das Panorama von Wien wie durch ein Teleobjektiv näher rücken ließ. „Das Beschäftigen mit dem Freiraum in Bezug zur Architektur hat ganz viel mit Raumauffassung und Raumbewältigung zu tun“, betont Maria Auböck. Keine zwei Jahrzehnte später erweist sich der personelle und finanzielle Aufwand, der mit der Erhaltung des neu geschaffenen Originalzustandes einhergeht, für die Republik als zu hoch. Frankreich, Italien oder England gehe es wirtschaftlich nicht besser, dennoch sei das dort undenkbar, zieht Kárász einen Vergleich.
Die Lektüre der „Partituren für offene Räume“ liefert Dutzende Argumente dafür, warum uns die kontinuierliche Pflege von Gärten und anderen Freiräumen nicht egal sein darf. Herausgegeben haben die publizistische Kostbarkeit Eva Guttmann, Gabriele Kaiser und Claudia Mazanek mit ihrem Verein Diachron, den sie zwecks „Verbreitung und Vertiefung des Wissens über Architektur“ gegründet haben. Gemeinsam mit Auböck + Kárász vertiefen sie nun auf kurzweilige Weise das Wissen über die Landschaftsarchitektur.
Die aus der berühmten Architekten- und Designerfamilie stammende Maria Auböck und der in Ungarn geborene Janosz Kárász haben beide in Wien Architektur studiert, er zusätzlich Sozialwissenschaften. Für Auböck fiel die Entscheidung, keinesfalls in ein großes Architekturbüro zu gehen, sondern sich in der Stadterneuerung und für kommunale Grünflächen zu engagieren, schon im Studium. Bereits in ihrer Diplomarbeit befasste sie sich mit dem Wiener Augarten, der sie später über viele Jahre beschäftigte, um das historische Gartendenkmal zu revitalisieren, es in das Stadtgewebe einzubetten und zugleich als modernen Volksgarten nutzbar zu machen.
Sozialer Anspruch
Kárász kuratierte kulturhistorische Ausstellungen und forschte über die junge Generation in den Dörfern. So entdeckten sie in den 1980er-Jahren zusehends, dass sie mit dem gemeinsamen Wissen etwas bieten konnten, was es so in Österreich bisher nicht gegeben hatte. Der soziale Anspruch, die architektonische Ausbildung: „Das ist ein anderes Raumverständnis, als wenn man von der Universität für Bodenkultur kommt.“
Nicht besser oder schlechter, nur anders, betont János Kárász. So sei der grundsätzliche Zugang jener, Aufgabenstellungen für Freiräume zunächst funktional zu entrümpeln, damit sich offene Räume für variables Geschehen entfalten können. „Wir komponieren ähnlich einem Musikstück, bei dem es langsame und schnelle Teile gibt, und so, dass sich diese Partitur entwickeln und unterschiedlich gespielt werden kann.“
Auf diese Weise entgehen sie dem Dilemma, das zwischen immer komplexer werdenden Anforderungen und präzisen, mitunter einander widersprechenden Nutzungsvorstellungen entsteht. Besonders ist ihnen das im Furtwänglergarten in Salzburg gelungen, wo sehr unterschiedliche Gruppen jeweils ein starkes Partikularinteresse gehabt hatten, etwas Bestimmtes unterzubringen. „Nichts davon gibt es, und nun haben es alle gern.“
Die Unterscheidung nach den soziologischen Kategorien privat, halb öffentlich und öffentlich werde zwar nach wie vor eingefordert, erweise sich aber zusehends als immer weniger tragfähig. Private finanzieren öffentlich zugängliche Freiräume und etablieren dort ihre Spielregeln. Städtische Grünflächen als auch historische Grünflächen werden benutzt wie Wohnzimmer im Freien; weil Wege eher nur noch Empfehlungscharakter haben, entstehen Trampelpfade durch die Wiesen. Werden im Straßenraum aufwendigere Bepflanzungen umgesetzt, neigt man dazu, sie mit Einfriedungen zu schützen. Das sei alles weder schlecht noch gut, aber man müsse darauf reagieren.
„Schwimmende Inseln“
Für den zentralen Freiraum im Stadtquartier „In der Wiesen Süd“ an der Carlbergergasse in Wien-Liesing haben Auböck + Kárász eine Lösung gefunden, wie mit einer neuen Art von Gliederung diesen Bedürfnissen entsprochen werden kann. Unter dem Titel „Îles Flottantes“, also „Schwimmende Inseln“, was in Frankreich ein Dessert bezeichnet, das bei uns „Schneenockerl“ und in Ungarn „Madártej“ („Vogelmilch“) heißt, schufen sie eine Landschaft aus Grüninseln und geschwungenen Wegen.
Ob im Kleinen im Wohnbau, in der „Neuen Mitte“ von Bad Gleichenberg oder im Central Park von Baku: Es geht um Freiräume mit Atmosphäre und unterschiedlichen Milieus, in denen Unterschiedliches gleichzeitig stattfinden kann, ohne miteinander in Konflikt zu geraten.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und dem Druck, etwas ökologisch Gerechtes zu machen, beherrschen heute Kennzahlen und Zertifizierungen die Diskussion. „Etwas durchzusetzen, das über das Quantifizierbare hinaus zusätzliche Qualitäten hat, wird immer schwieriger“, stellt Kárász fest. Funktionalität, Nachhaltigkeit und Klimaresilienz sollten ohnedies selbstverständlich sein. Das Schöne ist im professionellen Architekturdiskurs wie in der Landschaftsarchitektur ein prekäres Ding geworden, über das selten explizit gesprochen wird. Vielleicht weil das Bemühen um Poesie und Schönheit am Ende oft in Kitsch abgleitet. Davor sind die Arbeiten von Maria Auböck und Janos Kárász schon allein deshalb gefeit, weil ihre Arbeiten auf einem festen Wissensfundament aufbauen, das bei typologischen Experimenten für Sicherheit sorgt.
Raumauffassung und -bewältigung
Die beiden arbeiteten an zahlreichen historischen Gärten und wissen um die Herausforderung, die richtige Strategie zu finden, damit die Anlagen langfristig zwischen ökonomischen Rahmenbedingungen und steigendem Nutzungsdruck gut über die Jahrzehnte kommen. Die persischen Teppichmustern nachempfundenen Broderien im Park von Schloss Belvedere wurden schon zu Zeiten Maria Theresias als zu pflegeaufwendig erachtet und daher vereinfacht, wie ein Vergleich der ursprünglichen Muster mit der bekannten Ansicht von Canaletto veranschaulicht. Letzteres diente bei Renovierungen in den 1990er-Jahren als Vorbild.
Zum 50-Jahr-Staatsvertragsjubiläum wünschte die Regierung eine Rekonstruktion des Originalzustandes, der mit viel Akribie und Forschungsarbeit hergestellt wurde. Eine wichtige Erkenntnis daraus: Das Muster führte zu einer optischen Täuschung, die das Panorama von Wien wie durch ein Teleobjektiv näher rücken ließ. „Das Beschäftigen mit dem Freiraum in Bezug zur Architektur hat ganz viel mit Raumauffassung und Raumbewältigung zu tun“, betont Maria Auböck. Keine zwei Jahrzehnte später erweist sich der personelle und finanzielle Aufwand, der mit der Erhaltung des neu geschaffenen Originalzustandes einhergeht, für die Republik als zu hoch. Frankreich, Italien oder England gehe es wirtschaftlich nicht besser, dennoch sei das dort undenkbar, zieht Kárász einen Vergleich.
Die Lektüre der „Partituren für offene Räume“ liefert Dutzende Argumente dafür, warum uns die kontinuierliche Pflege von Gärten und anderen Freiräumen nicht egal sein darf. Herausgegeben haben die publizistische Kostbarkeit Eva Guttmann, Gabriele Kaiser und Claudia Mazanek mit ihrem Verein Diachron, den sie zwecks „Verbreitung und Vertiefung des Wissens über Architektur“ gegründet haben. Gemeinsam mit Auböck + Kárász vertiefen sie nun auf kurzweilige Weise das Wissen über die Landschaftsarchitektur.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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