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Wie renoviert man einen Loos? Wenn die Moderne in die Werkstatt muss

Der Architekt Heinrich Kulka (1900–1971), die Werkbundsiedlung, ein Haus am Küniglberg – und was allesamt mit einem Oldtimer verbindet. Oder: Wie viel kostet architektonisches Geschichtsbewusstsein? Und wie viel darf es kosten?
3. August 2025 - Wolfgang Freitag
Enthusiasmus hört sich anders an. Er könne „nicht viel Positives“ mitteilen, antwortet einer, den ich um seine Einschätzung einer historischen Immobilie gebeten habe. Seine Einschätzung, das ist die eines Nutzers, und die klingt auch im Weiteren nicht euphorisch. Das Objekt sei „weder architektonisch noch bautechnisch“ einzigartig. Und: „Darüber hinaus ist die Qualität der Objektherstellung in vielen Punkten mangelhaft.“
Nun, immerhin steht, was hier mehr oder minder unverhohlen als Bruchbude von entbehrlicher Bedeutung beschrieben wird, seit 2010 unter Denkmalschutz, Intimkennern hiesiger Architekturgeschichte als „Haus Weiszmann“ geläufig. Dieser Tage genießt es besondere Aufmerksamkeit: Das Ausstellungszentrum im Ringturm hat seinem Schöpfer, Heinrich Kulka (1900–1971), eine Personale ausgerichtet. Aus gutem Grund: Nicht nur dass Kulka, geboren unweit Olmütz, ausgebildet in Wien, seinem Mentor und Arbeitgeber Adolf Loos als Büroleiter wichtiger Partner in dessen von Krankheit und langen Absenzen gezeichneten letzten Lebensjahren war, kann er, aus der Folgezeit datierend, auf ein reiches Œuvre erst im heutigen Tschechien, später, von den Nationalsozialisten in die Flucht geschlagen, im neuseeländischen Dauerexil verweisen.
Und eben, in Wien, auf oberwähntes Haus Weiszmann, Anfang der 1930er auf dem Küniglberg ins Werk gesetzt: einen Quader von bescheidener Dimension, dessen innere Gestaltung idealtypisch dem von Loos entwickelten und von Kulka so benannten Konzept des „Raumplans“ folgt. Will sagen: Stockwerke sind nicht schichtartig übereinandergelegt, vielmehr erhält jeder Raum die für seine Benutzung jeweils nötige Höhe und Dimension.
Schüler übertrifft Lehrer
Während etwa für Friedrich Achleitner Haus Weiszmann das Beispiel eines Gebäudes ist, „bei dem der Schüler in seiner Entwicklungslinie über seinen Lehrer hinausgeht und dessen Prinzipien vollendet“, scheint es für obgenannten Nutzer primär kraft Denkmalschutz auf alle Zeit verbrieftes Ärgernis: Als Bauingenieur könne er „verschiedene Schutzmaßnahmen und -vorgaben nicht nachvollziehen – weder künstlerisch, noch bautechnisch, noch weniger bauphysikalisch“. Überdies sei für „einkommensdurchschnittliche Objektbesitzer“ dadurch die Erhaltung einer solchen Immobilie „wirtschaftlich kaum machbar“.
Martin Praschl sieht die Sache pragmatisch: „So ein Haus ist wie ein Oldtimer. Für den, der, sagen wir, einen Jaguar E schätzen kann, ist der das schönste Auto der Welt. Aber wenn ich lieber einen Audi mit Klimaanlage, Navigationssystem und ABS haben will, dann ist der Jaguar E, der vermutlich jedes Monat in die Werkstatt muss, nicht das Richtige.“ In den vergangenen 15 Jahren hat Praschl reichlich Jaguar-E-Erfahrung gesammelt: Gemeinsam mit seiner Frau, Azita Praschl-Godarzi, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrer beider Büro, P.Good Architekten, betreut er seit 2011 die Sanierungsarbeiten in jenen Teilen der Werkbundsiedlung, die im Eigentum der Stadt Wien stehen, also in einem Bestand, der, zur selben Zeit wie Kulkas Haus Weiszmann errichtet, nämlich strengen Denkmalschutzvorgaben unterworfen ist. Und allein die Tatsache, dass diese Sanierung bereits die zweite ist, die den vormaligen Musterhäusern im äußeren Hietzing zuteil wird, erzählt einiges über den Aufmerksamkeitsbedarf, den Kubaturen solcher Art verlangen. Besondere Herausforderung dabei: Da ja keine Musealisierung, vielmehr die weitere Nutzung als Wohnraum angestrebt ist, gilt es, denkmalpflegerische Umsicht mit aktuellen Wohnansprüchen in Einklang zu bringen.
Anschauungsmaterial dazu liefern auch in der Werkbundsiedlung Objekte, die aufs Engste mit dem Namen Heinrich Kulka verbunden sind: jene beiden Doppelhäuser, die unter Kulkas Ägide in Adolf Loos’ Büro geplant wurden. Eine der Kulka/Loos’schen Doppelhaushälften, Woinovichgasse 15, konnte vor wenigen Jahren, ausnahmshalber zu jener Zeit leerstehend, von Grund auf saniert werden, ohne Rücksicht auf etwaige Bewohner nehmen zu müssen. Ursprünglich über Einzelöfen beheizt, darf sich das Gebäude seither unter anderem einer zeitgemäßen Gasbrennwert-Anlage erfreuen, die im Gegenzug freiwerdenden Kamine wurden für den Einbau einer Wohnraumlüftung mit Wärmetauscher genützt.
Verbesserte Dämmwerte
In Sachen dämmtechnischer Aktualisierung dagegen musste man sich auf Maßnahmen im Dachbereich und an den Kellerwänden beschränken. Auf eine Wärmedämmung der Fassade habe man – wie überall in der Werkbundsiedlung – aus Denkmalschutzgründen verzichtet, berichtet Martin Praschl: „Das haben Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger dankenswerterweise schon anlässlich der ersten Sanierung in den 1980ern so gehalten.“ Immerhin habe man auch so die Dämmwerte verbessern können: „Und die eines Neubaus wären sowieso im Altbestand nicht zu erreichen.“
Zu den technischen Maßnahmen gehört auch die Adaptierung des Geländers, das die Galerie des Wohnraums sichert: Das habe man mit einer diskreten Glasscheibe absturzsicher umgestaltet. In vielen anderen Fällen sei es wiederum gelungen, die Originalsubstanz nicht nur zu erhalten, vielmehr sie angemessen instand zu setzen. Namentlich die Restaurierung des originalen Bodenbelags aus Linoleum ist da zu nennen. Wobei es in diesem wie in anderen Fällen – so Martin Praschl – nicht darum gegangen sei, den Eindruck eines imaginären Neuzustands zu erwecken: „Das Linoleum ist halt wieder sauber und ordentlich, Risse und Fehlstellen sind ausgebessert; zugleich aber sieht man die Abdrücke, wo einmal der Tisch gestanden ist oder der Kasten. In diesem Boden ist das Leben der vergangenen 90 Jahre drin: für sich fast ein Kunstwerk.“ Detto im Sanierungsrepertoire: dass etwa bei Verputzarbeiten oder Anstrichen auf Handwerkstechniken aus der Entstehungszeit zurückgegriffen wird.
Freilich: Derlei Akribie hat ihren Preis. Auf knapp eine halbe Million Euro haben sich die Baukosten der Sanierung allein im Haus Woinovichgasse 15 belaufen. Keine Kleinigkeit. Und für „einkommensdurchschnittliche Objektbesitzer“, siehe oben, gewiss nicht leicht zu tragen. Was man davon hat? Zum einen seien solche Gebäude, so Martin Praschl, „nach wie vor gut zu bewohnen“. Nicht zu vergessen ihr Wert als Schaustück belebter Architekturgeschichte. Leisten muss man’s sich halt können.
[ Die Ausstellung zu Heinrich Kulka ist bis 7. November im Wiener Ringturm zu sehen, die dazu passende Monografie, herausgegeben von Adolph Stiller, bei Müry Salzmann, Salzburg, erschienen. ]
Nun, immerhin steht, was hier mehr oder minder unverhohlen als Bruchbude von entbehrlicher Bedeutung beschrieben wird, seit 2010 unter Denkmalschutz, Intimkennern hiesiger Architekturgeschichte als „Haus Weiszmann“ geläufig. Dieser Tage genießt es besondere Aufmerksamkeit: Das Ausstellungszentrum im Ringturm hat seinem Schöpfer, Heinrich Kulka (1900–1971), eine Personale ausgerichtet. Aus gutem Grund: Nicht nur dass Kulka, geboren unweit Olmütz, ausgebildet in Wien, seinem Mentor und Arbeitgeber Adolf Loos als Büroleiter wichtiger Partner in dessen von Krankheit und langen Absenzen gezeichneten letzten Lebensjahren war, kann er, aus der Folgezeit datierend, auf ein reiches Œuvre erst im heutigen Tschechien, später, von den Nationalsozialisten in die Flucht geschlagen, im neuseeländischen Dauerexil verweisen.
Und eben, in Wien, auf oberwähntes Haus Weiszmann, Anfang der 1930er auf dem Küniglberg ins Werk gesetzt: einen Quader von bescheidener Dimension, dessen innere Gestaltung idealtypisch dem von Loos entwickelten und von Kulka so benannten Konzept des „Raumplans“ folgt. Will sagen: Stockwerke sind nicht schichtartig übereinandergelegt, vielmehr erhält jeder Raum die für seine Benutzung jeweils nötige Höhe und Dimension.
Schüler übertrifft Lehrer
Während etwa für Friedrich Achleitner Haus Weiszmann das Beispiel eines Gebäudes ist, „bei dem der Schüler in seiner Entwicklungslinie über seinen Lehrer hinausgeht und dessen Prinzipien vollendet“, scheint es für obgenannten Nutzer primär kraft Denkmalschutz auf alle Zeit verbrieftes Ärgernis: Als Bauingenieur könne er „verschiedene Schutzmaßnahmen und -vorgaben nicht nachvollziehen – weder künstlerisch, noch bautechnisch, noch weniger bauphysikalisch“. Überdies sei für „einkommensdurchschnittliche Objektbesitzer“ dadurch die Erhaltung einer solchen Immobilie „wirtschaftlich kaum machbar“.
Martin Praschl sieht die Sache pragmatisch: „So ein Haus ist wie ein Oldtimer. Für den, der, sagen wir, einen Jaguar E schätzen kann, ist der das schönste Auto der Welt. Aber wenn ich lieber einen Audi mit Klimaanlage, Navigationssystem und ABS haben will, dann ist der Jaguar E, der vermutlich jedes Monat in die Werkstatt muss, nicht das Richtige.“ In den vergangenen 15 Jahren hat Praschl reichlich Jaguar-E-Erfahrung gesammelt: Gemeinsam mit seiner Frau, Azita Praschl-Godarzi, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrer beider Büro, P.Good Architekten, betreut er seit 2011 die Sanierungsarbeiten in jenen Teilen der Werkbundsiedlung, die im Eigentum der Stadt Wien stehen, also in einem Bestand, der, zur selben Zeit wie Kulkas Haus Weiszmann errichtet, nämlich strengen Denkmalschutzvorgaben unterworfen ist. Und allein die Tatsache, dass diese Sanierung bereits die zweite ist, die den vormaligen Musterhäusern im äußeren Hietzing zuteil wird, erzählt einiges über den Aufmerksamkeitsbedarf, den Kubaturen solcher Art verlangen. Besondere Herausforderung dabei: Da ja keine Musealisierung, vielmehr die weitere Nutzung als Wohnraum angestrebt ist, gilt es, denkmalpflegerische Umsicht mit aktuellen Wohnansprüchen in Einklang zu bringen.
Anschauungsmaterial dazu liefern auch in der Werkbundsiedlung Objekte, die aufs Engste mit dem Namen Heinrich Kulka verbunden sind: jene beiden Doppelhäuser, die unter Kulkas Ägide in Adolf Loos’ Büro geplant wurden. Eine der Kulka/Loos’schen Doppelhaushälften, Woinovichgasse 15, konnte vor wenigen Jahren, ausnahmshalber zu jener Zeit leerstehend, von Grund auf saniert werden, ohne Rücksicht auf etwaige Bewohner nehmen zu müssen. Ursprünglich über Einzelöfen beheizt, darf sich das Gebäude seither unter anderem einer zeitgemäßen Gasbrennwert-Anlage erfreuen, die im Gegenzug freiwerdenden Kamine wurden für den Einbau einer Wohnraumlüftung mit Wärmetauscher genützt.
Verbesserte Dämmwerte
In Sachen dämmtechnischer Aktualisierung dagegen musste man sich auf Maßnahmen im Dachbereich und an den Kellerwänden beschränken. Auf eine Wärmedämmung der Fassade habe man – wie überall in der Werkbundsiedlung – aus Denkmalschutzgründen verzichtet, berichtet Martin Praschl: „Das haben Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger dankenswerterweise schon anlässlich der ersten Sanierung in den 1980ern so gehalten.“ Immerhin habe man auch so die Dämmwerte verbessern können: „Und die eines Neubaus wären sowieso im Altbestand nicht zu erreichen.“
Zu den technischen Maßnahmen gehört auch die Adaptierung des Geländers, das die Galerie des Wohnraums sichert: Das habe man mit einer diskreten Glasscheibe absturzsicher umgestaltet. In vielen anderen Fällen sei es wiederum gelungen, die Originalsubstanz nicht nur zu erhalten, vielmehr sie angemessen instand zu setzen. Namentlich die Restaurierung des originalen Bodenbelags aus Linoleum ist da zu nennen. Wobei es in diesem wie in anderen Fällen – so Martin Praschl – nicht darum gegangen sei, den Eindruck eines imaginären Neuzustands zu erwecken: „Das Linoleum ist halt wieder sauber und ordentlich, Risse und Fehlstellen sind ausgebessert; zugleich aber sieht man die Abdrücke, wo einmal der Tisch gestanden ist oder der Kasten. In diesem Boden ist das Leben der vergangenen 90 Jahre drin: für sich fast ein Kunstwerk.“ Detto im Sanierungsrepertoire: dass etwa bei Verputzarbeiten oder Anstrichen auf Handwerkstechniken aus der Entstehungszeit zurückgegriffen wird.
Freilich: Derlei Akribie hat ihren Preis. Auf knapp eine halbe Million Euro haben sich die Baukosten der Sanierung allein im Haus Woinovichgasse 15 belaufen. Keine Kleinigkeit. Und für „einkommensdurchschnittliche Objektbesitzer“, siehe oben, gewiss nicht leicht zu tragen. Was man davon hat? Zum einen seien solche Gebäude, so Martin Praschl, „nach wie vor gut zu bewohnen“. Nicht zu vergessen ihr Wert als Schaustück belebter Architekturgeschichte. Leisten muss man’s sich halt können.
[ Die Ausstellung zu Heinrich Kulka ist bis 7. November im Wiener Ringturm zu sehen, die dazu passende Monografie, herausgegeben von Adolph Stiller, bei Müry Salzmann, Salzburg, erschienen. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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