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Über grüne Dächer
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Gründächer sind im Kommen, die Gründe dafür liegen auf der Hand. Sie verbessern die Lebensqualität und das Klima und verringern den hohen Naturverlust, der durch Bebauung und Flächenversiegelung entsteht. Sie gleichen extreme Temperaturen aus, mindern Staub und Schall, halten Wasser zurück und entlasten so die Kanalisation. Sie erhöhen zudem die Lebensdauer der Dachabdichtung. In manchen Städten, wie beispielsweise in Kassel, werden begrünte Dächer bereits mit einer Ermäßigung der Abwassergebühren honoriert.
In Linz läuft schon seit Jahren ein großzügiges Förderungsprogramm.

29. November 1999 - Jörg Fricke
In Österreich gab es bis 1993 keine eigens geltenden Regeln, Richtlinien oder Normen für die Errichtung von Gründächern. Um in diesem wachsenden und technisch anspruchsvollen Aufgabengebiet die Planungssicherheit für Bauende und Ausschreibende zu erhöhen, wurde 1991 der Verband für Bauwerksbegrünung (V.f.B.) ins Leben gerufen.
Der V.f.B. ist ein Zusammenschluß von führenden Hersteller- bzw. Verlegerfirmen, ArchitektInnenen, BautechnikerInnen, Garten- und LandschaftsplanerInnen sowie VertreterInnen von Universitäten und Behörden. Er bietet ein Forum des fachlichen Meinungsaustausches zwischen Industrie, PlanerInnen, Ausführenden, PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen.
Die Ziele des Verbandes sind Bauwerksbegrünungen auf der Basis von Erfahrung, Forschung und über bindende Richtlinien ausführungssicher und erschwinglich zu gestalten und durch Kompetenz in Material, Gewerk, Bauphysik und Systemaufbau mit sachlichen Aussagen die Einplanung von Bau- und Ausführungsschäden zu verhindern.
Der V.f.B. bietet :
• Richtlinien für die Planung, Ausführung und Erhaltung von Gründächern (1993)
• Produkt- und firmenunabhängige Informationen über sämtliche technischen, rechtlichen und finanziellen Aspekte der Dach- und Fassadenbegrünung
• standardisierte Ausschreibungstexte (1998)
• geprüfte, hochwertige, umweltfreundliche Begrünungssysteme bzw. -produkte
• Möglichkeiten zur Weiterbildung in Form von Seminaren und Bibliotheksbenutzung.
Die Inhalte der Richtlinien betreffend den Grünaufbau und deren Umsetzung in der Praxis möchten wir im folgenden mit dem Schwerpunkt Extensivbegrünung kurz umreißen:
Die Formen der Dachbegrünung

Dachbegrünungen werden nach ihrer Nutzbarkeit und Funktion in extensive und intensive Begrünungsformen unterschieden. Sie erfüllen unterschiedliche Ansprüche und sind für nahezu alle Gestaltungsaufgaben und Dachneigungen einsetzbar.
„Extensivbegrünungen sind Vegetationsformen, die sich selbst erhalten, weiterentwickeln und ihr Aussehen ändern. Dabei werden Pflanzen mit besonderer Anpassung an die extremen Standortbedingungen und mit hoher Regenerationsfähigkeit verwendet. Die weitgehend geschlossenen, flächigen Vegetationsbestände bestehen aus Moosen, Sukkulenten, Kräutern und Gräsern. ... Abgesehen von der Fertigstellungspflege sind maximal 1 - 2 Kontrollgänge im Jahr notwendig. Nachträgliche Wasser- und Nährstoffzufuhr ist im Normalfall nicht erforderlich“ (V.f.B.-Richtlinien,1993: 5). Der Gesamtschichtaufbau beträgt ca. 8 - 19 cm, das Gewicht pro m2 ca. 80 - 200 kg im nassen Zustand.
„Intensivbegrünungen umfassen Pflanzungen von Stauden, Gehölzen sowie Rasenflächen. Sie sind in der Nutzungs- und Gestaltungsvielfalt bodengebundenen Grünflächen ähnlich. Die verwendeten Pflanzen stellen höhere Ansprüche an den Schichtaufbau und an eine regelmäßige Wasser- und Nährstoffversorgung und sind nur durch regelmäßige Pflege dauerhaft zu erhalten“ (V.f.B.-Richtlinien,1993: 4).
Der Gesamtschichtaufbau beträgt ca. 12 - 80 cm, das Gewicht pro m2 200 kg und mehr.
Eine weitere Form der Dachbegrünung ist die „einfache Intensivbegrünung, die als bodendeckende Begrünung mit Gräsern, Stauden und Gehölzen ausgebildet ist. Die Nutzungs- und Gestaltungsvielfalt ist im Vergleich zu Intensivbegrünungen eingeschränkt. Die verwendeten Pflanzen stellen geringere Anforderungen an den Schichtaufbau sowie an Wasser- und Nährstoffversorgung. Pflegemaßnahmen sind in reduziertem Umfang erforderlich, eine Zusatzbewässerung ist notwendig“ (V.f.B.-Richtlinien, 1993: 4).
Der Gesamtschichtaufbau beträgt ca. 12 - 19 cm, das Gewicht pro m2 ca. 120 -250 kg.

Der Aufbau grüner Dächer

Der Schichtaufbau einer Dachbegrünung besteht in der Regel aus

• der wurzelfesten Abdichtung
• der Schutzlage
• der Drainschicht
• der Filterschicht
• der Substratschicht
• der Vegetationsschicht

Die wurzelfeste Abdichtung ist erforderlich, um Schäden an der Abdichtung durch Einwurzelung von Pflanzen zu verhindern. Der Wurzelschutz kann als „integriertes Wurzelschutzsystem“ durch die Verwendung einer wurzelfesten letzten Lage bei der Abdichtung erfolgen. Das „getrennte Wurzelschutzsystem“ ist gekennzeichnet durch eine zusätzliche Wurzelschutzbahn, die oberhalb einer nicht wurzelfesten Abdichtung liegt.
Zum dauerhaften Schutz der Dachabdichtung und der wurzelfesten Abdichtung vor mechanischer Beschädigung werden Schutz- oder Trennlagen in Form von Schutzvliesen und -platten oder Dränmatten und -platten eingesetzt. Bei großem Schutzbedarf wird sogar ein Schutzbeton aufgebracht.
Die Drainschicht führt überschüssiges Niederschlagswasser ab und sollte zusätzlich pflanzenverfügbares Wasser speichern. Ihre Schichtstärke variiert nach Art der Begrünung.Geeignete Drainmaterialien sind mineralische Schüttgüter, wie Lava, Blähschiefer und Ziegelsplitt oder Dränvliese aus Polypropylen (PP). Gebräuchlich sind auch Drainelemente aus Polyethylen und Styropor.
Die Filterschicht, meist PP-Vliese, verhindert das Verschlämmen der Drainschicht mit Feinteilen aus der Vegetationsschicht und gewährleistet dadurch dauerhaft die Funktionstüchtigkeit der Drainschicht.
Die Wahl des Substrates

Die Wahl des Substrates und die Bemessung der Schichtstärke richtet sich nach bau- und vegetationstechnischen Erfordernissen. Wichtige Auswahlkriterien sind dabei die Drainfunktion, die Lastannahme, die mögliche Aufbauhöhe und die Ansprüche an die geplante Vegetationsform.
Substrate bestehen aus
• Bodengemischen
• Schüttstoffen
• Schüttstoffgemischen (mineralische Schüttstoffgemische mit/ohne organischer Substanz)
• Keimsubstrat
Grundsubstrate für
Intensiv- und Extensivbegrünungen

Je nach Tragfähigkeit der Unterkonstruktion werden die Grundsubstrate oft in einer „leichten“ und einer „schweren“ Variante angeboten. Aufgrund der unterschiedlichen Zuschlagsstoffe variiert somit zwar ihr äußeres Erscheinungsbild und unter Umständen auch der Preis, nicht aber die Funktionssicherheit.
Intensivsubtrate besitzen ein breites Eignungsspektrum für eine vielfältige Vegetation wie Stauden und Gehölze. Kennzeichnend ist eine hohe Strukturstabilität und Trittfestigkeit, ein großes Porenvolumen und eine gute Pufferkapazität. Die Schichtdicken variieren hier von 15 - 80 cm, manchmal sogar noch noch mehr. Auf eine adäquate Drainschicht ist hierbei besonders zu achten.
Extensivsubstrate in Mehrschichtbauweise, das heißt auf separater Drainschicht, ermöglichen eine mittlere Pflanzenvielfalt. Sie sind auch bei einer Schrägdachbegrünung (3° bis 30° Neigung) ohne zusätzliche Drainage einsetzbar. Diese Substrate besitzen eine höhere Wasserspeicherkapazität als die mineralischen Einschichtsubstrate. Wichtig ist die Kornabstufung und eine gute Verzahnung, was eine ideale Voraussetzung für eine gute Keim- und Wurzelentwicklung bedeutet.
Extensivsubstrate (Mineralsubstrate) im Einschichtaufbau lassen vor allem bei Schichtstärken unter 10 cm nur eine eingeschränkte Pflanzenvielfalt zu. Sie bestehen überwiegend aus mineralischen Bestandteilen und funktionieren als Drain- und Vegetationsschicht in einem. Das Material bietet eine hohe Verzahnung, eine abgestufte Körnungskurve (Sieblinie) und eine hohe Durchlässigkeit bei knapper, aber gerade noch ausreichender Wasserrückhaltung. Einschichtsubstrate, die vollständig aus mineralischem Schüttgut bestehen, werden in der Regel mit Keimsubstrat abgedeckt, um ein Mindestmaß an organischen Komponenten und Bodenhilfsstoffen einzubringen.
Extensivsubstrate sind in ihren bodenphysikalischen Eigenschaften ihren Vorbildern aus der Natur, z. B. einem Trockenrasenstandort, relativ ähnlich. Die Wasserspeicherkapazität des Substrates ist durch die Verwendung entsprechender Zuschlagsstoffe wie Lava, Bims oder Ziegelbruch jedoch wesentlich höher.
Die Verwendung von Oberboden kann neben hohem Gewicht aufgrund nicht analysierter Eigenschaften problematisch sein. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf Rückstände von Spritzmitteln und auf das Vorhandensein von Beikräutern. Weitere Probleme bei Verwendung von Oberboden können auch Fehlen der Wasserdurchlässigkeit und das Zusetzen des Filtervlieses durch Feinanteile sein. Damit einhergehende Wasserschäden sind oft dokumentiert.
Spezialsubstrate werden vor allem bei intensiven Begrünungen zum Etablieren besonderer Vegetationsformen oder bei hohen Schichtdicken verwendet.
Rasensubstrate zeichnen sich durch eine hohe Trittfestigkeit, eine spezielle Kornabstufung für optimierten Wasserhaushalt und ein hohes Luftporenvolumen aus. Sie besitzen einen ausreichend hohen Anteil an organischer Substanz.

Materiallogistik

Die industriell hergestellten Substrate werden vorwiegend in regionalen Erdwerken produziert. Damit können Kosten minimiert und regional verfügbare natürliche Materialien bzw. Recyclingmaterial verwendet werden.
Extensivsubstrate aus vorwiegend mineralischem Schüttgut werden – entsprechende Mengen vorausgesetzt – mittels Druckluft aus Silo-LKWs schnell und kostengünstig aufs Dach geblasen. Intensivsubstrate weisen einen höheren Anteil an organischer Substanz auf und sind nicht oder nur mit Spezialgebläsen blasbar, da sie leicht verkleben bzw. entmischen. Diese und alle nicht blasbaren Substrate können in eigens entwickelten Schüttgutbehältern oder in Big-Bags per Kran aufs Dach gehoben werden.

Extensivbegrünungen und Vegetationsaspekte

Bei der Pflanzenauswahl für Extensivbegrünungen kann man sich grundsätzlich an der Artenvielfalt am Naturstandort z. B. an einem Trockenrasen, orientieren. Einige wesentliche Faktoren verschärfen allerdings die Lebensbedingungen auf dem Dach. Die geringe Wurzeltiefe stellt für die Pflanzen eine Einschränkung dar. Zu beachten ist auch die extreme Windsituation. Um der Erosion durch Wind vorzubeugen, sollten Dachflächen möglichst dauerhaft mit Vegetation bedeckt sein. Weitere Einflußfaktoren sind extreme Temperaturschwankungen und Strahlung. Die Verfügbarkeit von Pflanzennährstoffen in Abhängigkeit vom Substrat entscheidet zusätzlich über die Standortqualität.
Neben natürlich vorkommenden Pflanzenarten und deren gärtnerischen Zuchtformen sind einige Pionierpflanzen sowie Ruderal- und Pflasterritzenarten für die Dachbegrünung interessant. Erst wenige jedoch sind auf ihre Verwendungsmöglichkeit hin überprüft. Untersuchungen hierzu speziell für den pannonischen Raum sollten noch vorgenommen werden.
Intensivbegrünungen

Die Pflanzenauswahl intensiv begrünter Dächer umfaßt Gräser, Kräuter, Stauden und Gehölze. Hier sind im Gegensatz zur extensiven Begrünung FachplanerInnen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten gegeben.

Formen der Bepflanzung

Folgende Qualitäten werden üblicherweise auf dem Dach eingebracht bzw. eingepflanzt:
• Saatgut
• Sproßteile von Sedumarten
• Flachballenstauden (erhältlich in den Abmessungen 3 x 3 cm, 5 x 5 cm bzw. 7 x 7 cm)
• Zwiebeln und Rhizome
• Fertigrasen und Vegetationsmatten (sie benötigen im Vergleich zur Pflanzung oder Ansaat nur einen geringen Aufwand in der Fertigstellungs- und in der Entwicklungspflege.)
• Gehölze

Pflanzen für Extensivbegrünungen

Folgende Pflanzenarten
haben sich bei einer Substratdicke bis 10 cm bewährt:

Vegetationsaspekt Moose,
Sedum, Kräuter
Anthemis tinctoria
Campanula rotundifolia
Dianthus carthusianorum
Hieracium aurantiacum
Hieracium pilosella
Petrorhagia saxifraga
Potentilla verna
Sanguisorba minor
Saponaria ocymoides
Sedum album „Coral Carpet“
Sedum sexangulare „Weiße Tatra“
Sedum reflexum
Sedum spurium
Sempervivum arachnoideum
Sempervivum montanum
Thymus serpyllum

Carex montana
Festuca ovina
Poa alpina var. vivipara

Folgende Pflanzenarten haben sich bei einer Substratdicke bis 15 cm bewährt:

Vegetationsaspekt Sedum, Gras, Kraut
Achillea millefolium
Achillea tomentosa
Allium schoenoprasum
Antennaria dioica
Anthemis tinctoria
Centaurea scabiosa
Chrysanthemum leucanthemum
Dianthus carthusianorum
Hieracium pilosella
Hieracium x rubrum
Petrorhagia saxifraga
Potentilla verna
Sanguisorba minor
Saponaria ocymoides
Sedum album „Coral Carpet“
Sedum sexangulare „Weiße Tatra“
Sedum reflexum
Sedum spurium
Thymus montanus
Thymus serpyllum
Verbascum phoeniceum
Veronica teucrium

Carex flacca
Carex humilis
Festuca amethystina
Festuca ovina
Poa compressa


Literatur:
Krupka, B. (1992): Dachbegrünung. Ulmer Verlag. Stuttgart.
V.f.B. (Verband für Bauwerksbegrünung) (1993): Gründach. Richtlinien für die Planung, Ausführung und Erhaltung. Postfach 17, A-1014 Wien.
V.f.B. (Verband für Bauwerksbegrünung) (1997): Seminar Dachbegrünung in Wien - technische, planerische und rechtliche Aspekte. Zusammenfassungen der Vorträge. Postfach 17, A-1014 Wien.
Zeitschriften:
Die Dachbegrüner, optigrün Planungsunterlage 98/99, Harzmann-optima Marketing- und Vertriebs GMBH, Krauchenwies 1998, Deutscher Gartenbau 2/98, Neue Landschaft 4/98

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