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Not und Tugend
Neue Zürcher Zeitung

Die Neuerwerbungen des Deutschen Architektur-Museums

20. November 1999 - Hubertus Adam
Zwei Jahrzehnte ist es her, dass der Kunsthistoriker Heinrich Klotz beim Magistrat der Stadt Frankfurt Gehör mit seiner Idee fand, in der Mainmetropole ein Architekturmuseum zu etablieren. Ziel der Institution war es seit Anbeginn nicht nur, Architektur einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, sondern auch eine Sammlung aufzubauen, die Klotz - seiner Interessen und Kontakte wegen - weder regional noch national beschränkte, sondern bewusst international ausrichtete. Der Name «Deutsches Architektur- Museum» ist also doppelt irreführend: zum einen richtet sich der Fokus des Instituts nicht allein auf Deutschland, zum anderen wird die Arbeit des Museums nicht von der Bundesrepublik finanziert, sondern von der Stadt Frankfurt. Die finanzielle Dauerkrise des sich gerne selbst überschätzenden «Mainhattan» hat, gepaart mit kulturpolitischer Ignoranz, das Budget des Museums inzwischen so weit schrumpfen lassen, dass sich der Betrieb nur mühsam und mit Hilfe von Sponsoren aufrechterhalten lässt; ein Ankaufsetat für die Sammlung ist nicht mehr vorhanden.

Wenn nun doch die Neuerwerbungen der letzten fünf Jahre in einer Ausstellung, die beinahe das gesamte Haus füllt, präsentiert werden, so ist dies der Initiative des Museumsteams zu verdanken, das vor den leidigen Rahmenbedingungen nicht kapitulierte und aus der Not eine Tugend machte: Konnten mit Hilfe von öffentlichen und privaten Zuwendungen gerade noch ein Zeichnungskonvolut aus dem Nachlass von Hans Poelzig sowie Hans Scharouns Wettbewerbsskizzen für das Hochhaus am Berliner Bahnhof Friedrichstrasse (1922) erworben werden, blieb für den Ausbau der Sammlung im übrigen nur das Betteln. Die Briefe, die an eine Reihe von Architekturbüros mit der Bitte um das Überlassen bestimmter Projektdokumentationen ausgesandt wurden, blieben nicht ohne Widerhall, und so trifft man nun auf eine im ganzen erstaunliche, zum Teil sogar hochkarätige Ansammlung von Modellen und Plänen, Skizzen und Entwürfen, die das Baugeschehen der vergangenen Jahre zwar nicht umfassend, aber doch angemessen ausschnitthaft präsentieren. Der Bogen spannt sich von Zaha Hadids Landesgartenschau-Pavillon in Weil am Rhein über die Berliner Info-Box von Schneider und Schumacher bis zu Rafael Moneos Rathaus von Murcia. Mit Herzog & de Meuron (Restrukturierung des Frankfurter Osthafens), Diener & Diener (Schweizer Botschaft, Berlin), Gigon & Guyer (Museum Liner, Appenzell), Peter Märkli (Haus eines Bananenpflanzers in der Karibik) sowie Meili und Peter (Holzfachschule Biel) sind Büros aus der Schweiz besonders gut vertreten.

Ergänzt wird die Schau durch knappe Hinweise auf die drei dem Museum geschenkten Nachlässe des in Russland, Deutschland und Israel tätigen Alexander Klein, des durch die Schwarzwaldhalle in Karlsruhe als Protagonist der Nachkriegsmoderne hervorgetretenen Erich Schelling und von Heinz Rasch. Leider zeigen sich nicht alle Erben derart generös - der Versuch, den derzeit in Kalifornien verwahrten Nachlass von Konrad Wachsmann zu sichern, scheiterte jedenfalls trotz intensiven Bemühungen.

Die jetzige Ausstellung belegt auf das eindringlichste die Bedeutung des Deutschen Architektur- Museums; und sie will darüber hinaus auch als ein Résumé der Ära Wilfried Wang verstanden werden, dessen Amtszeit ungefähr mit jenen Jahren korreliert, in denen die jetzt vorgestellten Exponate in die Magazine gelangten; im nächsten Jahr wird Wang das Museum verlassen. So nimmt es nicht wunder, dass die Einleitung des Katalogs - der im übrigen mehr den Bauten und Projekten nachspürt als den gezeigten Studien, Skizzen und Modellen - die Tätigkeit des jetzigen Direktors gleichsam bilanzieren möchte. Wenn allerdings von Ausstellungen, die erst im kommenden Jahr stattfinden sollen, im Präteritum gesprochen wird, drängt sich der Verdacht auf, hier sei der Nachruf schon zu Amtszeiten erschienen.

Wie es mit dem Museum in Zukunft weitergehen wird, weiss derzeit wohl niemand definitiv zu sagen. Was auf dem Spiel steht, lehrt die Ausstellung. Ein Besuch lohnt sich; denn dass die Exponate in nächster Zeit aus dem Dunkel des Magazins wieder einmal ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, darf man bezweifeln. Für eine permanente Präsentation der eigenen Bestände ist im Deutschen Architektur-Museum schlicht kein Platz. (Bis 5. Dezember)


[ Katalog: Die neue Sammlung. Schenkung und Akquisitionen 1995-1999. Hrsg. Anna Meseure und Wilfried Wang. Frankfurt 1999. 156 S., DM 68.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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