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Skandinavische Erleuchtung
Der Standard

Das ganze Land als Showroom: Die von Poul Henningsen entworfene PH 5 ist die „Staatsleuchte“ Dänemarks. Und nicht der einzige Entwurf des „Lichtingenieurs“

17. Dezember 1999 - Margit Wiener
„Ein Besucher hat einmal gemeint, dass wir eigentlich gar keinen Showroom bräuchten, weil ja ohnehin ganz Kopenhagen unser Showroom ist.“ Lisbeth Mansfeldt spricht aus, was jedem halbwegs aufmerksamen Besucher der dänischen Hauptstadt auffällt, vor allem, wenn er nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs ist und den einen oder anderen Blick in die erhellten Wohnungen oder Büros wirft: die Dominanz eines bestimmten Typus von Beleuchtungskörper, einer ästhetisch vollendeten Hängeleuchte aus raffiniert komponierten Schirmen, die ein sanftes und nicht blendendes Licht gibt.

Den Mann, der diese Leuchten entworfen hat, kennt man in Dänemark nur unter dem Kürzel PH. Seine omnipräsente Leuchte ist die legendäre PH 5, die heute noch nach den Entwürfen ihres Designers hergestellt wird und der Inbegriff moderner Beleuchtung ist, so etwas wie eine „Staatsleuchte“, wie die bereits oben zitierte Lisbeth Mansfeldt meint. Sie ist die Managerin des sehenswerten Showrooms der Firma Louis Poulsen in Kopenhagen, die die PH-Lampen bereits seit den 20er-Jahren produziert.

PH also: Poul Henningsen - Architekt, Schriftsteller, Regisseur, Provokateur und Designer. Der 1894 in Kopenhagen Geborene, der in seiner frühen Kindheit noch die Kerosinlampe als Lichtquelle erlebte, zeigte sich von den neuen Möglichkeiten des elektrischen Lichts fasziniert. Seine Entwürfe von Beleuchtungskörpern werden primär nicht durch ein ästhetisches Konzept bestimmt, sondern basieren auf einer wissenschaftlichen Analyse des Lichts und seiner Eigenschaften.

PH beschäftigte sich eingehend mit der Farbtemperatur und untersuchte zum Beispiel auch die Reaktion der Pupille auf unterschiedliche Lichtquellen. Die Lichtqualität, so formulierte er, sei nicht eine Frage der Psychologie oder des Geschmacks, sondern ein physiologisches Problem. Die Retina reagiere auf warmes Licht empfindlicher als auf kaltes. Das Aufkommen der Leuchtstoffröhre in den 50er-Jahren betrachtete Poul Henningsen daher als kompletten Irrtum. Sein Ziel war es, eine perfekte Beleuchtung mittels Glühlampen zu erreichen, die PH 5 war und ist das herausragendste Resultat seiner Bemühungen.

Eine Tasse, eine Schüssel und ein flacher Teller aufeinander gestapelt: So prosaisch beschrieb PH selbst den 1926 entstandenen Entwurf für seine erste Leuchte mit drei harmonisch gebogenen Schirmen. Was simpel klingt und auch so aussieht, war das Ergebnis einer jahrelangen Experimentierphase des „Lichtingenieurs“. Dem einfachen Grundprinzip folgt auch die legendäre PH 5-Leuchte aus dem Jahr 1958, die heute in Dänemark im öffentlichen Bereich - vom Kindergarten bis zum Altersheim - wie auch in privaten Heimen Licht spendet.


Bereits 1916, als 22-jähriger angehender Architekt begab sich

Henningsen auf die intensive Suche nach einer Lösung für eine Aufgabe, die ihm der technische Fortschritt stellte - die Glühbirne. Deren Licht erschien ihm als blendend, zu weiß und zu kalt, wenn es in konventionelle Beleuchtungskörper gefasst wurde. Innovative Modelle zu entwerfen, die warmes, blendfreies, gerichtetes und modelliertes Licht erzeugen, wurde ihm zum Design-Credo, die Erfüllung dieses Vorgabe fand er nach einer langen Experimentierphase in der Verwendung mehrerer Schirme, deren Krümmung die Lichtqualität entscheidend beeinflusst.

Die PH-Lampen werden seit 1925 vom dänischen Leuchtenhersteller Louis Poulsen produziert, der seit Anfang dieses Jahrhunderts an der Adresse Nyhavn 11 am romantischen „Neuhafen“ Kopenhagens residiert. Im Laufe der Jahrzehnte waren es inklusive aller Farb- und Materialvarianten mehr als tausend verschiedene Modelle, erzählt Lisbeth Mansfeldt im Showroom, in dem auch eine Reihe von historischen Leuchten ausgestellt ist. Heute hat Poulsen rund 20 PH-Lampen im Programm - und ist mit ihnen selbst so etwas wie eine nationale Institution geworden.


Die Leuchten, die von Anfang an für die Massenproduktion gedacht

waren, gehören zu den Pionierleistungen des dänischen Industriedesigns vor 1945. Durch ihre große Variationsbreite - unterschiedliche Modelle der Produktfamilie ergeben sich auch durch die variable Kombinationsmöglichkeit von Schirmgrößen - sind die Leuchten universell einsetzbar, von der Bankfiliale bis zur Kirche. Auch im Kopenhagener Vergnügungspark Tivoli finden sich noch Original-Entwürfe wie etwa die rotierenden Spirallampen aus dem Jahr 1949, dort gibt es auch ein dem Designer gewidmetes Restaurant.

Getreu den Entwürfen werden die nicht ganz billigen Lampen (die günstigste PH 5 ist ab DKK 2500 / öS 4627 / EURO 181,7 im Handel) nur aus Metall wie z.B. Kupfer oder poliertem Stahl sowie Glas gefertigt, die Glasschirme übrigens bei Stölzle-Oberglas in der Steiermark. Ein einziges Modell, die PH 80, ist auch in Plastik erhältlich, sie wurde als Erinnerungsstück an PH nach dessen Tod im Jahre 1967 entworfen. Ein weiteres Zugeständnis an die heutige Zeit ist die PH 5 Plus, in die auch eine Energiesparlampe passt. Das begünstigt im übrigen ihren Einsatz im öffentlichen Raum, denn die Leuchten zeichnen sich nicht durch hohe Lichtausbeute aus. Direkt im Handel sind die Designklassiker nur in Dänemark erhältlich, sonst werden sie über Architekturbüros und Innenausstatter vertrieben. Margit Wiener []

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