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Brückenschlag über den Rhein
Neue Zürcher Zeitung

Tadao Andos «Museum der Weltkulturen»

18. Januar 2000 - Hubertus Adam
Nibelungenlied und «Wacht am Rhein», Burgenromantik und Weinseligkeit, Loreley und Erster Weltkrieg: kein Fluss Europas ist stärker mythisch überhöht und intensiver propagandistisch vereinnahmt worden als der Rhein. Nun soll er Standort eines «Museums der Weltkulturen» werden - zumindest wenn es nach dem Willen des Berliner Anwalts Steffen Barth geht. An einem noch festzulegenden Ort zwischen Strassburg und Karlsruhe soll ein architektonischer Brückenschlag die einstmals gegnerischen Ufer verbinden. Das Gebäude ist als Lern- und Meditationsort gedacht, an dem Gegenstände unterschiedlicher Kulturen ausgestellt werden und Menschen verschiedenster Herkunft einander begegnen. Nach den Vorstellungen seines Initiators soll weniger ein Museum im traditionellen Sinne als vielmehr ein «Ort der internationalen und interdisziplinären Begegnung» entstehen.

Die architektonische Gestaltung des Projekts wurde Tadao Ando anvertraut. Der Japaner, durch seine introvertierten und meditativen Bauten für eine derartige Aufgabe zweifellos prädestiniert, war gut beraten, die ohnehin symbolhaft aufgeladene Vorgabe einer Brücke der Kultur über den Rhein nicht durch architektonische Bildhaftigkeit zu überfrachten und damit an den Rand des Anekdotischen zu führen. Statt dessen zeigen die unlängst der Öffentlichkeit vorgestellten und nun in Buchform publizierten Entwürfe einen abstrakten gläsernen Riegel, der, in der Achse versetzt, auf ebenfalls kubisch-rigiden Baukörpern an den beiden Ufern auflagert. (Steffen Barth und Werner Blaser: Tadao Ando. Museum der Weltkulturen. Verlag Vice Versa, Berlin.) Zum Glas tritt der von Ando favorisierte Beton, aus dem nicht nur die beiden Sockelbauten bestehen, sondern auch die innere Raumgliederung des gewaltigen gläsernen Balkens. Die Jahrtausendwende beflügelt offenkundig museale Konzepte, die sich der Vergangenheit und der Zukunft menschlichen Lebens in globalem Massstab widmen; erinnert sei an die Dépendance des Londoner Imperial War Museum in Manchester, die Daniel Libeskind als «Museum of conflicts» in Form einer geborstenen Weltkugel errichtet. Wie Grussworte unter anderem von Roman Herzog und dem Kunsthistoriker Hans Belting beweisen, hat Barth für seine Vorstellungen eines neuen Mundaneums schon einige Anhänger sammeln können. Ob Andos gläserner Bau dereinst den Rhein überspannen wird, hängt allerdings nicht nur davon ab, ob die nötigen Mittel bereitstehen, sondern auch von einer Präzisierung des inhaltlichen Konzepts. Denn einstweilen sind die Konzeptionen noch zu vage formuliert, um mehr als verhaltene Zustimmung auszulösen.

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