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Meister der Reduktion
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Das Grazer Haus der Architektur würdigt das Lebenswerk des großen Nachkriegs-Architekten Ernst Hiesmayr. Er selbst erläutert seine Bau-Philosophie in einem soeben im Löcker Verlag erschienenen Buch.

23. Januar 2000
„Ich bin ein absoluter Außenseiter“, sagt Ernst Hiesmayr. Dennoch sind viele seiner Bauten mit ihren strengen, klaren, reduzierten Formen und Materialien in die österreichische Nachkriegs-Architekturgeschichte eingegangen. Von der Kirche Langholzfeld in Oberösterreich oder dem Artelierhaus Prantl im Burgenland bis zum WIFI Linz oder dem Juridicum Wien. Sie alle sind in der Personalausstellung im Grazer Haus der Architektur zu sehen, mit der Ernst Hiesmayr an den Ort zurückgekehrt ist, wo er das Architektenhandwerk gelernt hat. Denn knapp nach dem Krieg 1945 ist der Tiroler nach Graz gekommen, um an der Hochschule zu studieren.


Holz für die Engländer

„Für die Immatrikulierung musste man damals drei Kubikmeter Holz für die Engländer schneiden“, erinnert sich Hiesmayr. Wettgemacht haben diese widrigen Umstände die Lehrer der frühen Grazer Schule, die das Denken Hiesmayrs bis heute prägen. Von Fritz Zotter, dem Ordinarius für historische Gebäudelehre, schwärmt Hiesmayr noch heute: „Zotter war ein Sozialist. Er verknüpfte den Raum, die Konstruktion und die Gesellschaft. Das hat er in einer derartig prägnanten Weise vorgetragen, dass du gezeichnet aus dieser Schule gegangen bist.“


Weg vom Knüller

Mit dieser Ausstellung will Hiesmayr deutlich machen, dass man wieder beginnen soll, von einer „Normalität von heute“ wegzudenken, wobei er sich als Vertreter des Abendlandes gegen die überhand nehmende Amerikanisierung richtet und sich an der Natur orientiert. „Die Gesellschaft hat sich total geändert und so müssen sich auch die Häuser ändern. Die Postmoderne hat uns das Kamel in der Arktis beschert, aber wir haben nicht verstanden, dass der Eisbär trotzdem darunter ist, dass das Kamel quasi nur verkleidet ist“, bringt er es auf den Punkt.


Sorgfältiger Planer

Hiesmayr zeichnet sich durch große Planungssorgfalt aus, die er auch seinen kleinen Projekten angedeihen lässt, die er - wie er sagt - als Fingerübung zwischendurch macht. Exemplarisch ist in der Ausstellung etwa das Atelierhaus des Bildhausers Karl Prantl zu sehen. Planungsdauer ein Jahr, weil die Machtstrukturen in der Familie schwierig waren und jeder mitreden wollte.

Doch gerade, weil er sich mit den Menschen auseinandersetzt, sind seine Häuser typologisch alle verschieden. „Ein Luxus und ein Hobby, das sich Freischaffende gar nicht leisten können“, so Hiesmayr, der mehr als 20 Jahre lang an der TU Wien Professor war. Doch noch heute steckt der mittlerweile 80-Jährige voller Energie, wälzt Pläne für Großbauten, engagiert sich in Jurien für junge, zeitgemäße Architektur und spart nicht mit Kritik etwa an der Ausschreibung für die österreichische Botschaft in Berlin.

Er wehrt sich gegen die vorherrschende Praxis, dass Cliquen das Ergebnis unter sich ausmachen. Ein Großbau, den Hiesmayr selbst noch in Arbeit hat, ist der Chemieneubau für die TU Wien am Wiener Getreidemarkt, wobei die Fassade die Nagelprobe für sein Alterswerk sein wird, wie er es ausdrückt.


[ „Analytische Bausteine“, eine Bestandsaufnahme des Lebenswerkes von Ernst Hiesmayr, ist im Löcker-Verlag erschienen. ]

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