Artikel

Modernes Bauen in Marokko
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Meisterwerke von Jean-François Zevaco

9. Februar 2000 - Hans Hartje
Eine bedeutende Dokumentationslücke im Bereich der modernen aussereuropäischen Architektur schliesst seit jüngstem die schlicht «Zevaco» betitelte Monographie von Michel Ragon und Henri Tastemain. Die Bauten des 1916 als Sohn korsischer Eltern in Casablanca geborenen Architekten Jean-François Zevaco sind in der Tat aus dem Bild der marokkanischen Städte kaum mehr wegzudenken. Diese urbanistischen Merkzeichen kombinieren auf immer wieder überraschende, manchmal befremdende, in der Regel jedoch überzeugende Art Einflüsse der klassischen Moderne (Le Corbusier, Frank Lloyd Wright) mit dem Farb- und Formenvokabular Nordafrikas.

Manch ein Marokkoreisender hat sich wohl schon die Augen gerieben, wenn er in Agadir (Hauptpost, Feuerwehrhaus), Cabo Negro (Klubhotel Yasmina), Casablanca (Bürogebäude Omnium nord-africain), Ouarzazate (Lehrerseminar), Rabat (Markt) oder Sidi-Harazem (Thermalbad) unversehens auf avantgardistisch anmutende Gebäude stiess. Dass diese repräsentativen Architekturen aus Zevacos perfekt assimilierter Feder jedoch nur eine Facette seines schier unbegrenzten Einfallsreichtums darstellen, das wird im vorliegenden Bildband vor allem anhand von ausführlich dokumentierten Privathäusern deutlich. Unter diesen ragt selbstverständlich die Villa Zevaco hervor, mit der der Meister die eigenen Wohn- und Repräsentationswünsche in einem Vorort von Casablanca Wirklichkeit werden liess. Kaum weniger interessant sind aber auch die für den reichen Mäzen Abderrahim Zniber konzipierten Luxusvillen in Casablanca, Marrakesch und Rabat, deren immer wiederkehrendes typologisches Merkmal die nur scheinbar wahllos verstreut um einen vieleckigen Pool herum angeordneten Wohn- und Schlafbungalows sind.

Formal kennzeichnend ist bei allen Bauten von Zevaco der Gebrauch grossflächiger Raumteiler aus Sichtbeton, die - in bizarren Winkeln zueinander versetzt angeordnet - gerade genug Licht durchlassen, damit auf Fensteröffnungen verzichtet werden konnte. Sie veranschaulichen, wie gezielt Zevaco auf die Licht- und Klimaverhältnisse in Nordafrika antwortete.


[ Michel Ragon und Henri Tastemain: Zevaco. Edition Cercle d'Art, Paris 1999. 240 S., zahlr. Abb., fFr. 590.-. ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: