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Bindewörter als Bürophilosophie
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Die Architekten der 68er-Generation schlossen sich häufig noch zu Gruppen zusammen. EoK wollten solche Vertraulichkeiten nicht aufkommen lassen. Sie arbeiten seit 25 Jahren zusammen - oder etwa doch nicht?

18. Februar 2000 - Ines Mitterer
„Es ist ein Sowohl-Und-Oder-Als auch.“ Wer mit dem Büro Eichinger oder Knechtl zu tun hat, weiß, dass das mit dem „oder“ im Namen kein leerer Scherz ist: Bauherren, Handwerker, Ämter und Journalisten haben es meistens je nach Baustelle mit einem der beiden Gestaltungskünstler zu tun: bei den Bars ist es in der Regel Gregor Eichinger, der Rede und Antwort steht, beim Hauptplatz in Wiener Neustadt oder dem Hannoveraner EXPO-Projekt gibt Christian Knechtl Auskunft.


( Abb. Wr. Neustädter Hauptplatz bei Nacht )


Klares Erscheinungsbild

Nach außen wollen die beiden für Auftraggeber klare Konturen bieten. Innerhalb der vier Bürowände am Wiener Franz-Josefs-Kai verwischen die Grenzen. Vielleicht kommt die berühmte Campari-Flaschen-Beleuchtung im „Wrenkh“ tatsächlich aus der sinnlichen Feder von Gregor Eichinger - den kulinarisch-vegetarischen Hintergrund für das Projekt lieferten aber Christian Knechtls kulinarische Vorlieben.

Je eingeweihter die Mitarbeiter, desto weniger können sie sagen, was von wem stammt. Für den langjährigen EoK-Planer Andy Breuss ist jedes Projekt eine „Eichinger und Knechtl und eventuell Co. Arbeit“.


(Abb. Laks-Watch - Museum Store in Wien )


Bürokratische Geburtshilfe

Zwei Möglichkeiten hatte das Gestalterduo Gregor Eichinger und Christian Knechtl zur Zeit der Bürogründung puncto Namensgebung vor Augen: Entweder man bedient sich der Familiennamen und verbindet sie mit einem „und“, oder man versucht es mit einem Fantasienamen à la Coop Himmelb(l)au oder Hausrucker und Co. Bei der Entscheidungsfindung war im Fall von „Eichinger oder Knechtl“ einmal ausnahmsweise eine Behörde behilflich: Das gemeinsame Auftreten auf dem Briefkopf verwirrte das Finanzamt. Nach langem Hin und Her blieb als einzige Möglichkeit: oder. Da hatte man dann beides: Familiennamen und Fantasieprodukt und den Hinweis, dass man mehr sein will, als eine gewöhnliche Bürogemeinschaft. Erst langsam wurde der Name Programm, mehr aus Zufall und eher ungewollt wie vieles bei EoK.

Ungleichpolige Ladung

EoK - ein Paar von Gegensätzen auch äußerlich: groß und kräftig der eine, kleiner, schlank und drahtig der andere, bekennender Großstadtbewohner der eine, aufs Land gezogen der andere, exzessives Nachtleben versus intensives Familienleben. Beim Kennenlernen in den 70er Jahren an der Technischen Universität in Wien war alles noch ganz anders - nur gegensätzlich waren die beiden Positionen immer. Und es galt mehr das Sprichwort von den Gegensätzen, die sich anziehen, als das vom Gleichen, das sich gern zu gleich gesellt.


( Abb. Monocoque - Dachausbau in Wien )


Rollentausch

Der schüchterne Gregor Eichinger, aufgewachsen am Land, ist fasziniert von der nonchalanten Gesprächigkeit des Wieners Knechtl - so war es am Anfang. Heute ist es Eichinger, der - extrovertiert - gerne in die Welt hinausgeht, und es ist Knechtl, der - introvertiert - lieber innerhalb der Bürowände oder des Computergehäuses forscht. „Der Gregor ist der Außenminister, der Christian der Innenminister“, charakterisiert Ossi Schellmann, Wiener Szenegastronom und einer der frühen Auftraggeber, die beiden.

Was bleibt ist der Gegensatz und die Spannung, die sich dadurch ergibt. Sie verleiht dem Produkt mehr Intensität, glauben sogar Auftraggeber wie Michael Satke, der schon auf Bauherrenerfahrungen mit einem anderen gegensätzlichen Architektenduo, nämlich Prix und Swiscinski von Coop Himmelb(l)au, zurückblicken kann.

Networking

Eichinger oder Knechtl, Rem Koolhaas und sein OMA, Sottsass Associati - Architektur- und Designbüros verstehen sich heute gerne als Verdichtungen inmitten weit verzweigter Netzwerke, die unterschiedlichste Bereiche miteinander verbinden, von der abstraktesten Theorie bis zur alltäglichsten Praxis. So gesehen gibt es viele Partner von Eichinger oder Knechtl: Biologen und Gesundheitsgurus, die bei der Gestaltung von vegetarischen Restaurants ihren Beitrag leisten, Musiker, die beim Layout von Partys tonangebend sind, Quantenphysiker, die einen Raum mitbestimmen, oder fernöstliche Weisen, die sich auf die direkte Zusammenarbeit der beiden auswirken.

Neben dem „oder-Prinzip“ regiert bei EoK denn auch seit jeher das „Lustprinzip“ und wenn es einmal nicht so sein sollte, hat das Netz noch seine altbekannte, circensische Funktion: müde Trapezkünstler aufzufangen.

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