Artikel

Wir fahren mit dem Auto...
ORF.at

EoK begreifen Architektur als das Gestalten von Benutzeroberflächen. Sie sprechen von der Autobahn als dem Internet, Hinweisschilder sind wie Hyperlinks und eine Fahrt von Wien nach Baden ist wie surfen.

18. Februar 2000 - Joseph Schimmer
...alles geht so schnell. Rechts der Berg und links der Fluss und über mir der Himmel so blau, blau, blau.

Nichts davon sieht man. Es sind nicht „Minisex“, die da singen. Es regnet, die Sicht ist getrübt, das Wiener Becken wolkenverhangen. Aber Christian Knechtl beschreibt alles sehr eindringlich und plastisch, in glühenden Farben. „Wenn du das jetzt nicht so erzählt hättest“, lobt Partner Gregor Eichinger mit verschmitztem Lachen, „dann hätt' ich das alles gar nicht gesehen“.

Das innere Auge

Macht nichts. Ist nicht geflunkert. Auch wenn man das alles jetzt nicht sehen kann, so ist es doch so. Dort vorne sind die Windräder links der Shopping City - kinetische Skulpturen nennt sie Christian Knechtl - und nach der Brücke kommt das Palmers-Hochhaus. „Wenn man den Raum versucht zu erfassen, dann gilt genau das, was man sieht und spürt. Und das muss gar nicht mit der aktuellen Realität übereinstimmen“. Gregor Eichinger sieht diese intuitive, assoziative Herangehensweise an gebaute Umwelt als den Ausgangspunkt jeder Analyse.

„Architektur lesen“

So nennt es Gregor Eichinger und betreibt das ganz professionell mit seinen Studenten an der „Angewandten“. Wie immer gibt es verschiedene Lesarten, man kann zum Beispiel ein Haus als eine Abfolge von Entscheidungen lesen und dann in der Betrachtung, im Lesen die zu Grunde liegende Kausalkette rekonstruieren. Fertig wird ein Haus ja fast immer, aber auf das Wie kommt es an und wer sich durchsetzt. Ein geschultes Auge kann die daraus folgenden Fehler, die Unstimmigkeiten, erkennen und an der Architektur ablesen.

Freunde der Technik

Die Grundstimmung dieser Autofahrt mit „Eichinger oder Knechtl“ ist ein romantischer Technizismus, der leicht in Sarkasmus umschlägt. Die Schlote, Kräne, Laternen und Handymasten, der Schwung einer gut angelegten Linkskurve, kurz das Zweckmäßige erweckt beider Begeisterung.

Die erste Raststation hingegen sticht förmlich ins Architektenauge und lässt sich auch nicht so leicht wieder herausziehen. „Es ist zum Beispiel faszinierend, wie alles ganz scharf artikuliert wurde, Dachfläche, Fassade, Sockelzone, aber jede Proportion außer Acht gelassen wurde“, erregt sich Gregor Eichinger mit vergnügtem Zorn. „Hier sieht man einen Weg, sich mit Architektur und Proportion auseinanderzusetzen, der entweder extrem unbekümmert ist, oder einen völlig neuen Zugang gefunden hat, den es erst zu entdecken gilt.“


Simulation der Gemütlichkeit

Bei näherer Betrachtung des schreiend gelben Gebäudes wird der Rauchfang im Burgenland-Stil als Zeichen der Gemütlichkeit, die grüne Holzveranda - Eingangssituation heißt das im Architektensprech - als Metapher für Wald gelesen: Lodenträger, Achtung, hier seid ihr willkommen, und das schmiedeeiserne Geländer lässt sich als Anspielung auf Märchen und Kinderbücher lesen: so sieht ein Haus aus, das einladende Freundlichkeit simuliert.


Im Verkehrskindergarten

Während Gregor Eichinger doziert, chauffiert Christian Knechtl den geräumigen Space Wagon über den Autobahnparkplatz, registriert belustigt, dass sämtliche Verkehrsformen, vom Kreisverkehr bis zu Unterführung hier angelegt sind - „Wie in Minimundus“ - droht kurz die falsche Ausfahrt erwischt zu haben - „Christian, warum hupen die alle???“ - und fährt schließlich wieder Richtung Wien zurück. Ende der Exkursion.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: