Artikel

Freiraum in Zwangslage
Freiraum in Zwangslage
Freiraum in Zwangslage
zolltexte

Das neue Bauvorhaben auf den Denzel-Gründen in Wien-Mariahilf führt wieder zu heftigen Diskussionen zwischen BürgerInnen, Bezirksvorstehung und Autofirma. Der Park soll zum Innenhof werden.

18. Juli 2000 - Beatrice Bednar
Wie hießen Sie? Wo wohnen Sie? Haben Sie einen Meldeschein mit? Mit diesen Fragen wurden am Eingang des Kolpinghauses in der Gumpendorferstraße alle konfrontiert, die an der Bürgerinformationsveranstaltung der Bezirksvertretung zum geplanten Bauvorhaben auf den „Denzelgründen“ am 5. Juni 2000 teilnehmen wollten. Wer nicht nachweislich zwischen der Stiegengasse und dem Raimundhof in Wien-Mariahilf wohnt, mußte draußen bleiben, „aus Platzmangel“, wie Bezirksvorteher Achleitner erläuterte. Obwohl viele BürgerInnen gekommen waren, gab es noch etliche Stühle, die leer blieben. Eine demokratiepolitisch bedenkliche Vorgangsweise.

Beschränkungen

Nicht nur die TeilnehmerInnenzahl wurde durch die Bezirksvorstehung stark eingeschränkt, auch die Informationsschleuße wurde nur einen Spalt weit geöffnet. Bereits der geschichtliche Abriß zur Entstehung des „Alfred-Grünwald-Parks“ in der Informationsbroschüre der Bezirksvorstehung Mariahilf beinhaltet nur einen selektierten Teil der Ereignisse. Dort wird zwar erwähnt, daß Bürger und Anrainer bereits in den achtziger Jahren an der Gestaltung der Grünfläche mitgewirkt haben, daß die Einrichtung des Parks letztlich aber den Bemühungen einer Bürgerinitiative, die schon in den siebziger Jahren aktiv wurde und fünf Jahre lang ein „Parkprovisorium“ betreut hat, zu verdanken ist, wird verschwiegen. AnrainerInnen erinnern sich noch daran.

Baugründe

„Die Firma Denzel benötigt zur optimalen Betreuung ihrer Kunden eine bauliche Erweiterung des Kundencenters Gumpendorf“, heißt es weiter in der Informationsbroschüre des Bezirks. Im Anschluß an den gerade neu errichteten Baukörper an der Gumpendorferstraße ist auf der rückwärtigen Grundstücksparzelle der Bau eines neuen Gebäudes zur Unterbringung von Werkstätte und Hyundai-Repräsentanz geplant. Die erlaubte Traufenhöhe liegt bei 6,5 Metern, was bedeutet, daß samt Dachausbau maximal drei Geschoße möglich sind. Bezirksvorsteher Achleitner sieht in diesem Bauvorhaben eine Einschränkung der Freiraumqualität des Alfred-Grünwald-Parks und wird aktiv.

Seit der Entstehung des Parks wird die Luftqualität durch die Abgase der Lackiererei der Autofirma beeinträchtigt. Durch den Umbau der Werkstätte werden die Schadstoffemissionen nun endlich reduziert, was im Gegensatz zu Achleitners Befürchtungen eine Verbesserung der aktuellen Situation bringen würde. Die Geruchsbelästigung würde dennoch bleiben. Auch diese befindet der besorgte Bezirksvorteher nun unzumutbar für die Nasen „seiner“ BürgerInnen. Daher trat er an die Firma Denzel mit dem Vorschlag eines Grundstückstausches heran und bietet ihr an, anstelle der Aufstockung der Werkstätten entlang der Linken Wienzeile ein modernes, dem architektonischen Ambiente angepaßtes Bürohaus zu erbauen.

Obwohl bereits eine Bebauungsstudie des Architekten Richard Schnabel vorliegt, wird den BürgerInnen im Rahmen der Informationsveranstaltung nur eine Grundrißskizze präsentiert. Der Vorwurf der Manipulation liegt da nahe und wird in mehreren Wortmeldungen auch erhoben.

Derzeit stehen auf der als Hundewiese mit Bäumen ausgestatteten Fläche entlang der Wienzeile Plakatwände zur Abgrenzung des Parkbereichs, in dem Hunde verboten sind. Für Achleitner „besteht nun erstmals die realistische Chance, dieses häßliche Gebiet zu erschließen“. Unter den rund 21 Meter hohen Gebäuden soll eine Tiefgarage untergebracht werden, in der auch AnrainerInnen und BesucherInnen des Theaters an der Wien Stellplätze zur Verfügnung stehen sollen. Genutzt werden soll das neue Bürohaus zum Teil als Verwaltungsgebäude der Firma Denzel mit Schauräumen für BMW und Hyundai. Werkstätten sind hier jedoch nicht vorgesehen. Diese werden bei Zustandekommen des Tausches an einen anderen Standort verlagert.

Mehr Sicherheit durch Abgrenzung?

Von Bezirksvorsteher Achleitner werden die Vorteile der Bebauung entlang der Wienzeile wie folgt beschrieben:
n Begrenzung von allen Seiten erhöht die Sicherheit im Park
n bessere Schließungsmöglichkeiten während der Nacht verhindern den Zugang der „Wienzeile-Szene“
n die Bebauung schirmt den Verkehrslärm der Linken Wienzeile ab
n weniger Schadstoffe durch Absiedlung der Werkstätte
n Verkehrsberuhigung im Umfeld durch Tiefgaragen unter dem Bürohaus
n Errichtung neuer, attraktiver Freizeitanlagen und Spielplätze für die Kinder
n schöner Ausblick für viele Anrainer auf einen gestalteten Park

Autohaus trennt Freiräume

Unbeachtet bleibt dabei, daß durch eine bauliche Schließung der öffentliche Charakter des Parks stark eingeschränkt wird. Der Park liegt dann ausschließlich hinter den Gebäuden. Es entsteht eine Innenhofsituation, die nicht mehr mit der derzeitigen Offenheit des Freiraumes zu vergleichen ist. Diese ist als eine städtebauliche Qualität zu bewerten, die in den dicht bebauten inneren Bezirken Wiens eine Rarität darstellt.

Durch eine bauliche Begrenzung wird die Grünfläche mit dem Planquadrat, einem entkernten und begrünten Innenhof in Wien-Favoriten, vergleichbar. Die Erfahrungen dort lassen vermuten, daß es bald zu Beschwerden der AnrainerInnen über den Kinderlärm kommen wird und Nutzungsbeschränkungen folgen: kein Ballspielen, kein Radfahren, Mittagsruhe von 12 bis 14 Uhr etc.

Ungelöst bleibt auch das Hundeproblem. Von der Bezirksvertretung wird die Hundewiese als Gstettn und häßlicher Grünstreifen bezeichnet. Daß hier täglich etliche Hunde ihre Notdurft verrichten, macht die Fläche und auch die Zugänge zum Park wirklich nicht attraktiv, eine Nutzung ist dennoch vorhanden, die nicht einfach negiert werden kann.

Unklar ist weiters, wie stark das neue Bürogebäude im Süden des Parkes die Grünfläche beschatten und ihre Attraktivität dadurch vor allem im Frühling und im Herbst herabsetzen würde.

Von einer Verkehrsberuhigung zu sprechen, ist deshalb nicht ganz angebracht, da der neue Geschäftsstandort der Firma Denzel weiteren Verkehr anziehen wird; ebenso die Tiefgarage. Offen ist noch, wem der Wertausgleich, den die Firma Denzel im Zuge dieses Tausches an die Stadt Wien für die attraktiven Bauplätze an der Wienzeile zahlen müßte, tatsächlich zu Gute käme. Zu fordern ist jedenfalls, daß das Geld für die Verbesserung der Freiraumsituation im dicht bebauten Bezirk Mariahilf verwendet wird.

Öffnen statt verbauen

Die aktuell wenig ansprechende Gestaltung der Fläche entlang der Wienzeile als Grund für eine Bebauung zu nennen, spricht nicht gerade für das Engagement, den Einfallsreichtum und die Umsicht der Bezirks- und der Stadtverwaltung.

Der Alfred-Grünwald-Park wird derzeit stark frequentiert. Vor allem die große Seilrutsche, der Fußballplatz und die Spielplätze stellen für Kinder attraktive Aufenthaltsbereiche dar. Aber auch viele Erwachsene verbringen Ihre Mittagspause im Park und essen hier die Speisen, die sie zuvor am Naschmarkt gekauft haben. Eine Öffnung der Fläche zum Markt böte sicher viele ansprechende Gestaltungsmöglichkeiten. Durch die Errichtung eines flachen Gebäudes im Bereich der Hundewiese, das sowohl zum Park als auch zur Straße hin offen ist und ein Kaffee, Toilettenanlagen etc. beinhaltet, könnte gleichzeitig eine Anbindung zum Markt und eine Abgrenzung zur Straße erreicht werden. Wünschenswert ist daher die Ausschreibung eines Gestaltungswettbewerbes für die aktuelle Fläche des Alfred-Grünwald-Parks, in dem neben Planungs- auch Finanzierungsvorschläge eingebracht werden sollen. Ein Private-Public-Partnership, wie es derzeit mit der Firma Denzel geplant ist, könnte sicher auch in einem Projekt entstehen, daß vornehmlich auf die Planung und Ausgestaltung eines Freiraumes und nicht auf die Bebauung einer Parzelle ausgerichtet ist. Diese Vorgangsweise wäre auch im Sinne des in der Bürgerinformationsveranstaltung von Manfred Nehrer, Präsident des Künstlerhauses Wien, als Vorbild genannten Konzeptes von Barcelona, wo sich die Stadtverwaltung sehr offensiv für die Gestaltung von neuen Freiräumen in der Stadt einsetzte und Wege fand, diese auch umzusetzen.

DI Beatrice Bednar, Jahrgang 1970, studierte Landschaftsplanung und Landschaftspflege an der Universität für Bodenkultur und ist derzeitig als freiberufliche Landschaftsplanerin in Wien tätig.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: zolltexte

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: