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Pflanzen, Licht, Topographie
Der Standard

Landschaftsarchitekten von Gestern und Heute in neuen Publikationen

Gelegentlich pflegte der Brasilianer Roberto Burle Marx vor seinen entzückten Gästen mit Inbrunst gregorianische Choräle anzustimmen, wenn ihn ein Geräusch, ein Lichtspiel, irgend eine Laune der Natur dazu drängte, feierlich zu sein. Burle Marx - unter anderem verantwortlich für die charakteristischen Schwarz-Weiß-Pflasterwellen an der Copacabana - ist bereits seit sechs Jahren tot, doch eine gewisse lässige Feierlichkeit lebt weiter in den unzähligen Stadträumen, die der Landschafts- und Gartenarchitekt im Laufe seines fünfundachtzigjährigen Lebens geplant und ausgeführt hat.

22. Juli 2000 - Ute Woltron
Die Landschaftsarchitektur ist eine besonders schwierige, herausfordernde Tätigkeit, und umfangreiches Wissen über die Qualitäten von Wind und Licht, Boden und Topographie, von Pflanzen und Wasser allein sind nur die Basis, sozusagen der Lehm des Gestalters. Der neu geformten Angelegenheit auf Dauer Leben und Geist einzuhauchen, das ist die Kunst dieser Profession. Und die wird künftig verstärkt gefragt sein, wenn Landschaften zugepflastert werden, wenn zwischen den Architekturen Öde und Ratlosigkeit herrschen.

Wie Burle Marx ist auch der Schweizer Dieter Kienast (1945 bis 1998) bereits verstorben, beide zählten zu den Inspiriertesten der Zunft. Obwohl es kaum gelingen kann, die Atmosphären von Garten- und Grünanlagen mitsamt ihrem Vogelgezwitscher, Blättergeraschel, Wassergeplatsche in Buchform einzufangen, so dokumentieren diverse Publikationen Leben und Arbeit beider doch in gelungener Weise.

Der bereits vor drei Jahren erschienene Band „Kienast. Gärten“ (Birkhäuser, 184 Seiten, öS 862,-), der die privaten Grünbereiche vom neuen Bauerngarten bis zum Villenpark zeigt, wurde soeben von der Nachfolgepublikation „Kienast. Vogt. Aussenräume“ (Verlag Birkhäuser, 264 Seiten, öS 862,-) ergänzt. Kienasts Arbeiten sind äußerst vielfältig, er hatte sozusagen alles drauf, vom repräsentativen Kies-Wasser-Beton-Pflanzen- Vorplatz für die High-Tech-Firma über die private Kleinidylle bis zum Außenraumkonzept für ganze Stadtteile.

In beiden Büchern gibt es unter anderem diverse Texte von Kienast selbst, und beide sind ganz seltsam anzuschauen, denn die Fotografien - ausschließlich von Christian Vogt gemacht - sind streng in Schwarz und Weiß gehalten. Vogt mutierte als Jüngling vom Gärtnerlehrling zum Fotografen, lebt also die perfekte Symbiose von Blick für das Objekt und Gespür für das Grün. Die Bilder sind zwar alle von einer gewissen Herbstlichkeit und Düsternis erfüllt, aber dennoch prächtig. Zum besseren Verständnis für die einz elnen Anlagen werden sie von Plänen und Skizzen des Landschaftsarchitekten ergänzt.

Auch das vergleichsweise schmale Bändchen über „Roberto Burle Marx. Landscapes Reflected“ (Princeton Architectural Press, 80 Seiten, öS 216,-, erscheint im September) verweigert die Farbe. Hier wabert ein leichter Grünton über die Schwarzweißfotos und die Malereien des Architekten, die zwischen Parkanlagen und Gärtchen eingestreut sind.

Während Kienasts Arbeitsmaterial die langsam wachsende Fauna Europas war, unternahm sein brasilianischer Kollege das herausfordernde Unterfangen, tropische Üppigkeit zähmen zu wollen. „Burle Marxs Vision der Natur ist sowohl tragisch als auch komplex“, schreibt Herausgeberin Rossana Vaccarino, „tragisch wegen der unvermeidlichen Transformation der Natur, und unendlich komplex in der verführerischen Verheißung, die Vorstellung des Künstlers auszudrücken.“

Viele der Parks von Rio de Janeiro jedenfalls, die der Brasilianer schon vor Jahrzehnten angelegt hat, sind durch heftiges Wuchern zwar ein wenig verwischt, doch die Strukturen leben und funktionieren immer noch und machen einen Gutteil des Zaubers der Stadt aus. „Die Zeit der Gartenarchitektur ist im Kommen“, prophezeit Robert Schäfer in der Publikation über Kienasts Außenräume, denn „(a)lle Zeichen sprechen dafür: Der Umgang mit den natürlichen Ressourcen, mit der Natur, wird zu neuen Gärten führen.“

Was sich Zeitgenossen schon zu diesem Thema ausgedacht haben, ist im ebenfalls ganz neuen Buch „Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art“ (Birkhäuser, 248 Seiten, öS 570,-; vgl. dazu die Fotos rechts) zu sehen. Diverse Landschaftskünstler werden hier vorgestellt - ein guter Überblick für Leute, die sich näher mit diesem Zukunftsthema befassen wollen. Und in der Wiener Planungswerkstatt ist ab 25. Juli die Ausstellung. „In Memoriam Dieter Kienast, Peter Pindor, Wilfried Kirchner. Zwei Landschaftsarchitekten. Ein Gartenhistoriker. Ein Leben für die Landschaft und die Gartenkunst“ zu sehen.

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