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Gut durchdacht lohnt sich
Der Standard

Das Vorurteil, gute Architektur sei alles Gebaute, das als „schön“ empfunden werde, konnte noch nicht ausgerottet werden. Dieser Umstand rächt sich, wenn tradierte Muster ungefragt übernommen und allerorten zu haarsträubend unpraktischen Konstrukten gehäufelt werden, was angesichts der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nur blöd und ärgerlich ist. Zumindest Gewerbe und Industrie, die am Puls der Zeit sein und optimiert bauen müssen, wenn sie überleben wollen, sollten es besser wissen. Tun sie zum Glück oft auch.

29. Juli 2000 - Ute Woltron
Die besseren Teile der heimischen Wirtschaft haben in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, dass gute Architektur nicht nur ein auf viele Jahre funktionierender Werbeträger ist. Wenn der Planer klug an die Sache herangeht, dann wird sie zu einem unbezahlbaren Stimmungsmacher innerhalb des Unternehmens und sorgt für die Optimierung aller Arbeitsabläufe und Produktionsschritte des Betriebs. Was könnte einem Unternehmer wichtiger sein?

Auch das zweite Vorurteil, gute Architektur sei zwar schon eine tolle Sache, für unsereiner aber doch zu teuer, ist noch lebendig. Tatsächlich kann das - in Relation zu den Baukosten geringe - Honorar des Architekten zu einer der besten Investitionen werden, die der Unternehmer je getätigt hat. Denn wer in einem gut durchdachten, gut geplanten Betrieb arbeitet, der wird sich in seiner Umgebung wohlfühlen, kann seinem Job effizienter nachgehen und wird lieber arbeiten. Und dass ein gutes Betriebsgebäude wie eine gut geölte Maschine funktioniert, ist nichts Neues. Bleibt zu erwähnen, dass ein guter Architekt bereits bei der Planung spart - sein Honorar wird oft schon durch geringere Baukosten hereingespielt.

All diese Tatsachen sind Leuten, die sich auch nur ein wenig mit der Materie befassen, längst bekannt. Die Initiative „art pool“ will dem logischen, aber doch immer wieder zu predigenden Umstand noch zu ein wenig mehr Öffentlichkeit verhelfen. Man entschloss sich deshalb, alljährlich die innovativsten Betriebs- und Unternehmensarchitekturen mit dem althergebrachten Mittel des Preises zu würdigen. „art pool“ - dahinter stehen namhafte Unternehmen wie ABB, UTA Telekom AG und Erste Bank - ist nach Eigendefinition eine „Initiative für aktuelle Kunst“, sie will die fruchtbare Durchmischung von selbiger mit der Wirtschaft fördern. „museum in progress“ nimmt das Thema auf und verschafft den Architekturen plakativ zu größerer Öffentlichkeit.

Der erste Preisverleihungsdurchgang fand bereits im Vorjahr statt. Damals konnte man natürlich aus dem Vollen der längeren Vergangenheit schöpfen. Ausgezeichnet wurden eh-schon-Klassiker wie das Coop Himmelb(l)ausche Funder-Werk, die Haslinger-Kecksche Werbeagentur von Eichinger oder Knechtl und die Jenbacher Maschinenhalle von Josef Lackner.

Heuer lag der Schwerpunkt der Auswahl im mittelständischen Unternehmensbereich, der sich hierzulande als sehr aktiv erweist. Eine Vorauswahl lieferte (wieder einmal - wo ist eigentlich die das gesamte Bundesgebiet vertretende, neutrale Architekturstiftung?) das Wiener Architektur Zentrum, das seine Architekturdatenbank nach Brauchbarem durchkämmte (vielleicht ein wenig gar subjektiv, aber bitte). Als Juroren fungierten schließlich der mittlerweile allgegenwärtige Zentrums-Chef Dietmar Steiner sowie STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl. Zwölf Architekturen wurden als die besten auserwählt. Das Spektrum reicht von der Fleischmanufaktur von Franz Riepl (OÖ) über die Betriebsstätte der Malervereinigung in Graz von Bernhard Hafner und das Marktzentrum in Lustenau von Daniele Marques und Bruno Zurkirchen bis zur Lichtfabrik Halotech von Rainer Köberl (T). Alle prächtig, alle wohl durchdacht, alle solides, bestes Architekturhandwerk.

Eine frische Alternative zu den immer schrecklicher werdenden Kaufhausbunkern der Stadtperipherien (den Puzzleteilchen der sogenannten Gewerbegebiete, die stets die Liebkinder der Bürgermeister, städtebaulich aber meistens ein Horror und architektonisch immer eine Totalniederlage sind) ist zum Beispiel das im Vorjahr fertiggestellte Möbelhaus Manzenreiter in Freistadt. Mit goldgelber Haut, nostalgischem Schriftzug, geschicktem Umgang mit Räumen, Oberflächen, Wegen. Eine auf den ersten Blick auf unergründliche Weise Vertrauen erweckende Architektur. Als Planer zeichnen die jungen „x architekten“ verantwortlich. Sie zeigen hier, dass man mit 40 Millionen Schilling (Nettoherstellungskosten) eine sehr gelungene Verkaufs-und Lagermaschinerie mit über 3000 Quadratmetern Nutzfläche herstellen kann.

Ein Prachtstück von Bürobau befindet sich in Form eines Erweiterungsbaus für eine Wirtschaftstreuhänder KG gut verborgen in einem Gärtchen des steirischen Gleisdorf. Die Architekten Susanna Wagner und Andreas Lichtblau (Wien) haben eine haustechnisch ausgeklügelte Schachtel hinter ein bestehendes Haus gesetzt, die von kaum merklich gekrümmten, also selbststehenden Betonwänden getragen wird, über eine durchgehende Glasfassade verfügt und auch mit Erdwärme und Sonnenenergie tadellos umgehen kann. Das ergibt zum einen eine sehr feine, offene, kollegiale Büroatmosphäre und zum anderen vergleichsweise geringe Betriebskosten.

Weitere ausgezeichnete Betriebsbauten sind das Geschäftshaus Rutter (K) von BEHF (darüber demnächst mehr an dieser Stelle), die Glaserei Ebner von Pichler&Traupmann (B), das Weingut Weninger von Raimund Dickinger (B), die Tischlerei Thaler von Sui:T (T), die Halle der Franz Binder Holzindustrie von Josef Lackner (T) und zu guter Letzt Roland Gnaigers Landwirtschafts-Großbetrieb Vetterhof in Vorarlberg. 1996 fertiggestell ist er wohl der einzige Bauernhof im ganzen Land, der es zu einer superben Corporate Identity gebracht hat. Gnaigers Architektur, die logistisch perfekt hinhaut und traditionelles Bauen mit zeitgenössischem Zugang verheiratet, hat dazu wesentlich beigetragen.

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