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Österreichs junge Architektenteams gehen neue Wege.

3. Oktober 2000 - Roland Schöny
Weg mit den Architektursolisten. Weg mit dem Einzelkämpfertum. Oder gar: Weg von der patriarchalen Architektengeneration. Mit solchen Slogans wurde im vergangenen April im Wochenmagazin profil die Haltung junger Architektengruppen Österreichs zusammengefasst. Präsentiert wurden zahlreiche Denkstationen des neuen Bauens, die unter Bezeichnungen wie escape sphere, Sputnik oder Transbanana vorgestellt wurden. Klingende Namen also - und ein typisches Phänomen der 80er und 90er Jahre.


Neuformierung eines Gewerbes

Diese Veränderungen in der heimischen Architektenszene waren auch der Ausgangspunkt für die Ausstellung „Den Fuß in der Tür“, die der Architekturtheoretiker Jan Tabor im Künstlerhaus gestaltet hat. „Es ist hier eine bunt gemischte Szene entstanden“, fasst Tabor die Entwicklung zusammen. „Architekten, Designer, man weiß nicht genau aus welcher Schule sie kommen, man weiß nicht, ob sie fertig sind oder noch in Ausbildung.“ Interessant für Tabor ist zu beobachten, dass sich schon die 68er-Generation mit vielen vergleichbaren Fragen beschäftigt hat. Der Ideenreichtum der Altvordern sei aber nur zum Teil verwirklicht worden, so dass für die Nachkommenden noch genug zu tun bleibe, meint Jan Tabor.


Uneinheitliches Bild

„Das Junge an der Formensprache festzumachen, ist schwierig“, weist Matthias Boeckl den Versuch zurück, neue Entwicklungslinien nachzuzeichnen, die quer zu den Traditionen der Moderne stehen. Boeckl, Chefredakteur der Zeitschrift „architektur aktuell“, kann an Hand der gebauten Entwürfe keine Zugehörigkeit zu einer neuen Generation festmachen.

Charakteristisch für die Architektengruppen neuen Typs ist aber, dass sie nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten und Karrieremustern suchen. Das bedeutet, die Architekten und Architektinnen beginnen nicht als AssistentInnen oder PraktikantInnen in größeren, bereits etablierten Büros, um dann später ihre eigenen Ateliers zu eröffnen. Sie bauen sich in der Regel gleich eine eigenständige Arbeitsbasis auf. Die Gruppenstruktur eignet sich dabei als Ideenlabor.

„Man kann die Architektenteams teilweise mit Bands vergleichen, wie sie spielen, improvisieren, Neues erfinden. Es gibt keine Ewigkeitsansprüche“, beobachtet Jan Tabor, der für diesen neuen Typ den Begriff „ephemäre Architektur“ zu prägen versucht.


Ungeahnte Höhen

Experiment und theoretische Forschung stehen im Vordergrund, wenn es darum geht etwa Wohnsituationen zu überdenken, Plätze im Stadtraum zu modernisieren, oder gar eine Baulücke im Hinterhof sinnvoll zu nutzen. Durch die Veränderungen des Alltagslebens hätten sich aber auch neue Möglichkeiten für Entwürfe ergeben, konstatiert Matthias Boeckl. Die Neuinterpretation von Altbeständen gehört für ihn ebenso dazu, wie die neue Nutzung öffentlicher Räume.

Demontierbare Bühnenräume, wie sie etwa die Gruppe Nonkonform für den Haager Stadtplatz entwickelt hat, so Boeckl, hätte es zwar schon früher gegeben, „aber natürlich nicht in dieser avancierten Produktionstechnik und dieser dramaturgisch anspruchsvollen Form. Da sind wir schon in anderen Dimensionen, als beim guten alten Jedermann.“


Neue Sichtweisen

Jan Tabor stellt fest, dass auch die unmittelbare Lebensumgebung neu wahrgenommen wird. Dadurch werden auch Denkmuster verändert. „Weil die Welt um uns herum immer virtueller wird, gewinnt das Sinnliche immer mehr an Bedeutung. Das heißt die Wohnung, die ja immer schon eine Art Kleidung war, wird wieder stärker auf diese körperliche Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt hin untersucht.“


Neue Rahmenbedingungen

Nach wie vor handelt es sich bloß um Nischen der Architektur, in denen solche Experimente möglich sind. Zugleich ist das allgemeine Qualitätsbewusstsein unter Auftraggebern angestiegen.

Matthias Boeckl hält derzeit die Bedingungen für einen Übergang der jungen Teams vom Experiment zur realen Situation des Bauens für besser denn je. „Denken Sie zum Beispiel nur an die großen Wohnbauten auf der so genannten Donauplatte in Wien. Da sind einige ganz junge Architekten dabei, die gewaltige Kubaturen realisiert haben. Es gibt aber auch im klassischen Einfamilienhaus-Bereich schon einige Bauten, von den in der Publizistik so viel diskutierten Jungen Architekten.“

"Die Absicht, die Welt zu verändern, kann Jan Tabor im Gegensatz zur 68er Generation in der Architektur nicht mehr beobachten. Aber, so Tabor, „sie verbessern die Welt. Sie verbessern sie im Tun.“ Junge Architektur entwirft keine Utopien, sondern bietet neue Einblicke in bestehende Strukturen.

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