Artikel

Welt- und andere Ausstellungen
ORF.at

Die Originalfassung der Rezensionen von Gerald Röder und Michael Shamiyeh erschien in der Septemberausgabe von architektur aktuell..

3. Oktober 2000 - Gerald A. Rödler
Die Erwartungen an die Besucherzahlen der diesjährigen Weltausstellung in Hannover waren zu hoch gegriffen, dabei lagen noch nie so viele, vor allem auch architektonische Attraktionen so dicht beieinander wie diesmal. Das offizielle, von der Ausstellungsgesellschaft herausgegebene Buch zur im Juni eröffneten EXPO 2000 vermittelt nun all jenen, die bislang nicht nach Hannover gekommen sind, einen Überblick über die diese Weltausstellung entscheidend prägenden Architekturen.

Mit zahlreichen großformatigen Abbildungen und prägnanten Kurztexten wird der Leser über das gesamte EXPO-Gelände geführt und kann sich einen Eindruck der Höhepunkte verschaffen. Außer den schon im Vorfeld viel publizierten Nationenpavillons der offiziellen und nicht-offiziellen Teilnehmer finden sich durchgehend illustrierte Beiträge zu Freiraumplanung und Landschaftsgestaltung, der EXPO-Plaza, den Themenparks und Hallenpräsentationen, den Ausstellungshallen, Servicegebäuden und Public Design sowie Verkehrsprojekten. Wenn mit Ende Oktober 2000 die sinnvolle Nachnutzung des Ausstellungsgeländes beginnt, soll dieses Handbuch vor allem den dokumentarischen Bestand der erbrachten Architekten- und Ingenieursleistungen sichern.


Der Klang der Schweiz

„Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl,“ fragte Georg Christoph Lichtenberg, „liegt das allemal am Buch?“ Die Schweiz präsentiert sich auf der EXPO 2000 in Hannover als Klangkörper von Peter Zumthor und nicht als herkömmliche Ausstellung. Der Pavillon selbst ist das Ereignis: ein Gefüge aus 98 Holzstapelwänden mit 37.000 Balken, die ohne Schrauben oder Nägel nur von Stahlfedern zusammengehalten werden. Architektur, Musik, Wort, Modedesign und Gastronomie sollen sich zu Entspannung und Genuss verbinden und die Entdeckerfreude wecken.

Da es im Schweizer Pavillon keine Erklärungen, keine Beschriftungen, keine Verweise gibt, wurde für die Besucher ein extravagantes Begleitbuch entwickelt, das als Kompendium Antwort auf nahezu alle Fragen geben und so zwischen dem unmittelbaren „Erlebnis Klangkörper“ und der Realität jenseits des Pavillons vermitteln will.

Durch die alphabetisch geordneten Stichworte mit Querverweisen und den dadurch erzielten lexikalischen Charakter erhält das Buch aber auch seinen eigenständigen Wert, der nicht mit dem Pavillon oder der Weltausstellung vergehen will: Es gibt sich als recht aufwendig gestaltetes „Vademecum der Schweiz“, das einen aktuellen Querschnitt durch ihre Kultur präsentiert.


Die Inszenierung der Freizeit

Manchmal sind wir blind für genau jene Kräfte, die unser Schicksal beeinflussen - und so verhält es sich auch in der Situation des Architekten gegenüber dem gesellschaftlichen Streben nach inszenierten (Freizeit-)Welten. Es scheint fast so, als ob die Architektur paralysiert wäre gegenüber den weit reichenden Auswirkungen dieses Strebens.


Das Buch „Die Inszenierung der Freizeit“ gliedert sich in vier Essays, die diachronisch und synchronisch an das Phänomen heranführen: Beginnend mit einem soziologischen Einblick in das Verlangen nach Erlebnis, schlägt Max Stemshorn unmittelbar die Brücke zur Architektur mit einer Retrospektive auf die Vorläufer der Freizeitparks wie etwa dem „Venedig von Wien“.

Peter Zellmann koppelt auf eindrucksvolle Weise das Thema Freizeit an das heutige Verlangen nach Erlebniskonsum und veranschaulicht mittels Statistiken die Quantität als auch Qualität dieser Entwicklung. Den Abschluss bildet Gert Kählers kritische Bilanz der Irrationalität der Gesellschaft.

Das Informative an dieser reich bebilderten Publikation ist die prägnante und systematische Beleuchtung des Themas, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit dennoch sehr klar die Trajektorien des Phänomens Freizeit wiedergibt.


[EXPO 2000 Hannover GmbH (Hrsg.), Martina Flamme-Jaspers (Text):
EXPO 2000 Hannover - Architektur
Hatje Cantz Verlag
ATS 569,-]

[Peter Zumthor mit Plinio Bachmann, Ida Gut, Karoline Gruber, Daniel Ott, Max Rigendinger:
Klangkörperbuch,
Birkhäuser-Verlag für Architektur,
ATS 218,-]

[Max Stemshorn/Gert Kähler/Peter Zellmann:
Die Inszenierung der Freizeit - Die künstliche Welt der Freizeitparks und Ferienparadiese.
Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm
ATS 204,-]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: