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Wer mehr ausgibt, der lebt schöner
Der Standard

Die Architekturelite baut einen Stadtteil in Guadalajara/Mexiko

Der Mexikaner Jorge Vergara Madrigal hat mit Vitamindrinks im Handumdrehen Dollarmillionen gescheffelt, einen Teil davon will er jetzt in Form von ausgewählter Architektur in Guadalajara an seine Landsleute zurückgeben.

12. Oktober 2000 - Ute Woltron
Wien - Jorge Vergara und seine Unternehmensgruppe Omnilife lassen von elf der bekanntesten Architekten einen neuen Stadtteil in Guadalajara bauen. Am Dienstag hielt der Mexikaner im Wiener MAK einen Vortrag. Daniel Libeskind plant die Universität, Thom Mayne eine Arena, Jean Nouvel Bürogebäude, Coop Himmelb(l)au ein Entertainment Center, Tod Williams & Billie Tsien ein Theater, Toyo Ito ein Museum, Enrique Norten ein Kongresszentrum, Carme Pinós ein Messegelände, Philip Johnson eine Kinderwelt, Theodoro González de Leon das Klubhaus und Zaha Hadid ein Hotel.

STANDARD: Wie kommt man auf die Idee, sein Geld in eine Stadt zu stecken?

Jorge Vergara Madrigal: Wir haben die besten Architekten der Welt engagiert, um Guadalajara auf die Landkarten zu bekommen. Die Stadt braucht dringend ein neues, kulturelles Zentrum, diese Architektur wird eine Initialzündung für die gesamte Region sein.

STANDARD: Sie rechnen mit dem „Bilbao-Effekt“?

Vergara: Natürlich, Bilbao war eine kaputte, gespaltene Stadt, ein einziges Gebäude hat das vollkommen geändert.

STANDARD: Sie beschäftigen praktisch alle Spitzenleute der Szene, wie haben Sie die denn gekriegt?

Vergara: Ich habe 22 Architekten angeschrieben. Renzo Piano und Norman Foster sagten gleich ab. Da auch das Zwischenmenschliche stimmen muss, habe ich mich auf die Rundreise begeben und die restlichen zwanzig persönlich aufgesucht. Mit Schumi hat das zum Beispiel nicht funktioniert, Eisenmann war am schlimmsten, da hat das Gefühl einfach nicht gepasst. Übrig blieben die elf.

STANDARD: Mittlerweile herrscht Partystimmung.

Vergara: Wir haben uns alle sehr angestrengt, diese Architekten verliebt zu machen in das Projekt, in uns, in die Stadt. Wir haben keine Limits vorgegeben, was ihre Kreativität anbelangt und ihnen bei den Entwürfen freie Hand gelassen, das hat geholfen.

STANDARD: Der Showeffekt ist gewiss, doch wie schaut es mit dem Städtebau aus?

Vergara: Alle ökologischen Aspekte wurden berücksichtigt. Die Autos werden unterirdisch geführt, und die Verbindungen zwischen den Gebäuden musste sehr sorgfältig erfolgen, damit kein architektonischer Skulpturenpark entsteht.

STANDARD: Wie funktioniert die Anbindung an die Stadt?

Vergara: Das Grundstück liegt direkt an der wichtigsten Straße, die in das Zentrum führt. Wir suchen jetzt Investoren für Hotels, Restaurants, Services, und auch diese Gebäude müssen sehr gut sein.

Es ist erstaunlich: Architektur ist so wichtig, und gleichzeitig kümmert sich keiner darum. Schauen Sie sich all die hässlichen Städte an. Meistens ist alles sehr schlecht gemacht, um ein paar Dollar zu sparen. Heutzutage glaubt man, wenn man Geld spart, lebt man besser. Wir glauben das Gegenteil. Gib ein wenig mehr aus, und leb schöner.

STANDARD: Sind beim Bau öffentliche Gelder im Spiel?

Vergara: Von der öffentlichen Hand kommt gar nichts, diese Investition ist rein privatwirtschaftlich. Das war übrigens die erste Frage, die alle Architekten sofort gestellt haben: „Ist das ein öffentlicher Auftrag? Wenn ja, muss ich es mir zweimal überlegen, ob ich mitmache.“

STANDARD: Wie viel wird Ihre Stadt kosten?

Vergara: Wir rechnen mit 425 Millionen Dollar für die elf Häuser, nach europäischen Standards wären das mindestens 900 Millionen. Was wir eigentlich wollen, ist Kulturimport. Jeder dieser Architekten wird ein Stück Kultur nach Guadalajara bringen. Coop Himmelb(l)au zum Beispiel hat in der Stadt ein Büro eröffnet.

STANDARD: Wann soll die Stadt fertig sein?

Vergara: Unser Ziel ist 2004. Ich will es schließlich noch erleben.

STANDARD: Rem Koolhaas war anfangs mit dabei, warum ist er aus dem Team verschwunden?

Vergara: Er sollte den Masterplan entwerfen, doch er war von der Idee besessen, ein Haus über das andere zu stapeln - Toyo Ito über Daniel Libeskind, völlig absurd. Sein Ego war größer als seine Häuser, unter diesen Voraussetzungen konnten wir nicht zusammenarbeiten.

STANDARD: Ihr Veteran ist der 93-jährige Philip Johnson.

Vergara: Er gibt uns allen Lebensunterricht. Er behauptet von sich, der kindischste aller Architekten zu sein, und meinte zu mir, nach dem Ego-Prozess, der beste Architekt der Welt werden zu wollen, habe er erkannt, dass der einzige Sinn des Lebens darin bestünde, Spaß zu haben wie ein Kind. Deshalb hat er auch die Kinderwelt entworfen.

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