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Der Standard

Rafael Moneo zur Zukunft der Architektur

14. November 2000
Wien - Der Spanier Rafael Moneo (63) zählt zur Architektenweltspitze. Er lehrt an der Harvard Universität und bekam er 1996 den Pritzker Preis. Vergangene Woche hielt er an der Akademie der bildenden Künste in Wien einen Vortrag.

STANDARD: Die Architekturrichtungen werden immer verwirrender und undurchsichtiger, welche Orientierung geben Sie ihren Studenten?

Moneo: Im 19. Jahrhundert glaubte man das wahre Wesen der Architektur zu kennen, schrieb Lehrbücher und betrieb Stilkunde. Architektur wurde behandelt wie eine Wissenschaft. Diese reine Lehre zu predigen ist heute unsinnig. Der Architekt muss zwar historische Gebäude analysieren, Techniken und Konstruktionsmethoden lernen. Doch das wichtigste, was wir vermitteln sollten, ist die Vielfalt der Möglichkeiten und den Weg in eine persönliche architektonische Freiheit.

STANDARD: Tu, was dir gefällt?

Moneo: Architekten werden immer mehr zu Einzelkämpfern. Paradoxerweise ist dabei ihr Betätigungsfeld drastisch reduziert, oft können sie gerade noch die Hülle bestimmen. Es findet dauernde Interaktion zwischen Bauindustrie und Architektur statt, ökonomische Kräfte wirken ein, alles ist unklar. Andererseits ist die Architektur mehr denn je in kulturelle Prozesse verknüpft. Ohne Kulturdebatte entsteht heute kein einziges Stück interessanter Architektur.

STANDARD: Meinen Sie regionale oder übergeordnete Debatten?

Moneo: Wir sind alle bestens darüber informiert, was weltweit vor sich geht und teilen die Architekturdiskussion. Man muss sensibel mit regionalen Spezifika umgehen, doch Kultur ist universell geworden.

STANDARD: Also gibt es doch irgendwo Konsens und Trends?

Moneo: Universelle Stile lösen sich immer schneller auf. Wenn schon, dann würde ich jetzt Minimalismus, Übersimplifizierung und Defragmentierung als Trend ausmachen. Doch auch das wird gerade überwunden, man versucht eher Landschaften zu erzeugen, Gebilde, die das Image der Architektur mit ihren einengenden Mauern abzuschütteln versuchen und auf Atmosphäre setzen. Die Architektur spiegelt die Instabilität wieder, die uns umgibt. Häuser werden zu Tribünen für Handlungen. Action ist ein viel stärkeres Moment als die Funktion, die in den 30-ern das Credo war. Damals waren Gebäude Instrumente, heute sind sie diffuse Rahmen.

STANDARD: Wird es je wieder so etwas wie einen Architekturstil geben?

Moneo: Die Elemente der Renaissance haben drei Jahrhunderte gehalten, sie wurden nur unterschiedlich verwendet. Die Arbeiten von Architekten wie Rem Koolhaas sprechen immer noch die Sprache der Moderne. Das ganz Neue, das sicher kommen wird, werde ich persönlich wahrscheinlich nicht mehr erleben.

STANDARD: Wie soll man werten? Was ist gute Architektur?

Moneo: Diese Gut-Schlecht-Schlacht ist uninteressant. Manche Häuser zählen, die anderen nicht.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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