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Miesmöbel
Der Standard

Mies van der Rohes Möbel sind heute Klassiker, dem Architekten selbst waren seine Häuser wichtiger

7. Dezember 2001 - Ute Woltron
Für Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) war das Entwerfen von Möbeln eigentlich nur Notwendigkeit, um seine Architekturen damit einzurichten und im Miesschen Sinn fertig zu stellen. Er tat es auch nur für den kurzen Zeitraum von 1926 bis 1932, während andere Architekten wie Mart Stam oder Marcel Breuer Sessel, Tische, Geschirre um ihrer selbst willen entwarfen. Bei Mies war das kaum je der Fall, sein Interesse galt vielmehr der großen Konstruktion, dem Hochhaus, der raffiniert assemblierten Halle und dem intelligenten neuen Fassadensystem. Trotzdem zählen einige seiner sozusagen mit links entworfenen Wohn- und vor allem Sitzgegenstände zu den wichtigsten Designklassikern des vergangenen Jahrhunderts. In Neuauflage sind sie heute noch begehrt, in originalen Varianten ihrer Entstehungszeit sind sie museumswürdige, kaum bezahlbare Sammlerstücke.

Natürlich war der nach Amerika ausgewanderte Aachener ein detailversessener Perfektionist, deshalb sind also auch seine Möbel durchkomponierte Konstruktionen und bis zum letzten Schräublein wohl durchdacht. Und dass sie fast alle ausgesprochen elegant aussehen, ist das i-Tüpferl.

Mies van der Rohe ist derzeit aufgrund einiger Ausstellungen in den USA und in Deutschland und entsprechender auf den Buchmarkt gekommener Kataloge in vieler Munde und bleibt nach wie vor so aktuell wie zu Lebzeiten. Eine dieser Schauen läuft derzeit noch in Berlin und hat ebenfalls einen stattlichen Katalog in den Buchhandel gebracht: Das Vitra Design Museum zeigt „Mies van der Rohe. Architecture and Design in Stuttgart, Barcelona, Brno“ und beschränkt sich damit auf das europäische Oeuvre des hochinteressanten Baumannes, der auf unserer Abbildung übrigens in sportlich-amerikanischer Betätigung des Baseballspiels zu sehen ist.

Van der Rohes Möbel bilden einen Schwerpunkt dieser Ausstellung. Vor allem die gebogenen Stahlrohre als neuartige Materialien für den Möbelbau schreibt man Mies zu, obwohl es hier auch Widersprüchlichkeiten gibt, wer was zuerst gebogen und sodann besessen hat. Bekannte Mies-Möbel sind etwa der Sessel für den Deutschen Pavillon in Barcelona, die Sitzmöbel für die Villa Tugendhat, alle sehr sorgfältig proportioniert und aufregend neu für ihre Entstehungszeit. Hier im Bild zu sehen ist ein heute noch von Thonet hergestellter Sesselklassiker, der seinerzeit in Berlin von zwei kleinen Metallwerkstätten gefertigt worden war und der heute völlig zeitlos-modern wirkt, obwohl er gute 70 Jahre auf der Lehne hat.

Wer mehr über Produktion, Material, Form und auch den Wettstreit der Möbelentwerfer untereinander wissen will, dem sei der Katalog „Mies van der Rohe. Architecture and Design in Stuttgart, Barcelona, Brno“ empfohlen. Er erscheint bei Skira (Mailand), Herausgeber ist das Vitra Design Museum, die Abbildungen sind zahlreich, die Texte vorzüglich.

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