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Greif zur Kamera, Städter!
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Urbanität kann man nicht kaufen.

27. November 2000 - Sonja Gerstl
600 Anmeldungen, 300 Einsendungen, davon 200 aus dem Bereich Foto und 100 aus dem Bereich Film. Projektleiterin Vanessa Rausch ist „überwältigt“. Ihr zu Füßen liegen die Siegerprojekte. Aus dem Stapel kramt sie eine Teilnehmerbiographie hervor: Sophie Meingassner, 1. Preis, Kategorie „Foto, Amateur“. Die bisherige Wettbewerbserfahrung der Psychologin: ein 34. Platz beim Foto-Fashion Preisausschreiben der Zeitschrift „Amica“. Für den „urban.award“ hat sie U6-Stationen fotografiert, weil sie „leicht zugänglich“ sind.


Kurios! Erfrischend anders

Der nächste Lebenslauf. Wieder ein Amateur: Bruno Pirklbauer, begeisterter Segler. Zum leidenschaftlichen Filmer wurde er, weil er den Daheimgebliebenen die „tolle Stimmung“ bei seinen Törns vermitteln wollte. Nach anfänglichen Fehlschlägen - der gewünschte Publikumseffekt blieb aus - arbeitet der gelernte Bürokaufmann mittlerweile als Cutter für eine Internet-Videoproduktionsfirma.

In seinem Beitrag für den urban.award hat Pirklbauer die geschichtliche Entwicklung der Simmeringer Gasometer dokumentiert und dabei nicht wirklich tief in die Trickkiste multimedialer Ausdrucksmöglichkeiten gegriffen. Historische Aufnahmen wurden einfach abgefilmt und persönlich kommentiert, was Projektleiterin Vanessa Rausch die flappsige Bemerkung „Pensionisten-Video“ entlockte (Pirklbauer ist Jahrgang 1971).

Die restlichen Jurymitglieder waren angetan. „Kurios, aber extrem informativ und erfrischend anders“, befand man (fast) einhellig und das bedeutete schlussendlich den 2. Platz in der Kategorie „Dokumentation, Amateur“.


Burschen mit Branchenzukunft

„Irgendwann kommt jeder nach Hause“, lautet die Werbe-Botschaft eines großen österreichischen Möbelhauses. Ein Sujet, das Markus Grohs in seinem Beitrag für den „urban.award“ aufnimmt - und persifliert. Jemand ist auf dem Heimweg, gezeichnet von den Mühen des Alltags. Allerdings: Was im Original im bourgeoisen Weichgezeichne und Home-sweet-Home-Idyll endet, finalisiert Grohs milieugerecht: Die Ankunft beim Beserlpark-Bankerl. Das vertraute Firmen-Logo mutiert zu „Penner“, Markus Grohs siegt in der Kategorie „Spot, Amateur“.

„Ein phänomenal guter Beitrag“, urteilt Helmut Harich, Mitglied der Film-Jury: „Ein paar von den Burschen könnten eine Zukunft in der Branche haben. Da gibt's einen Anfang und ein Ende, eine schlüssige Story.“ Im Unterschied zu anderen: „Viele halten die Kamera einfach irgendwo hin.“


Des Wieners Lust am Kaputten

Manfred Klimek mag keine „Sandlerbilder“, Kategorie: Sozialpornografie. Im Zuge seiner Juroren-Tätigkeit für den „urban.award“, Kategorie Foto, hat er „leider“ zu viel davon gesehen. Durchgesetzt hätte sich, so Klimek, wieder einmal eindrucksvoll „die Lust des Wieners am Kaputten“. Natürlich würde, relativiert er, die Themenstellung „Urbanität“ zu Gebrauch und Missbrauch jeglicher Klischees geradezu einladen, umso erfreulicher seien daher auch die „Ausrutscher“ gewesen: „Die beste Einsendung? Die krasse Überbelichtung!“ (Rob Kiermayer, 1. Preis, Kategorie „Foto, Semiprofessionals“)

Einigkeit herrscht bei den JurorInnen von Film und Foto punkto Qualität der Beiträge. Die Amateure hätten, so der Tenor, den Profis ganz eindeutig den Rang abgelaufen. Während erstere mitunter „wirklich erstaunliche“ Ergebnisse präsentierten, wäre man in der Beurteilungsskala letzterer nicht über ein „ganz nett“ bis hin zu „grottenschlecht“ hinausgekommen.

Was zur Folge hatte, dass in der Kategorie „Film, Semiprofessionals“ (Studenten, Assistenten, Auszubildende) lediglich Anerkennungspreise, also gesplittete Hauptpreise, vergeben wurden und in der Kategorie „Foto“ Bedenken hinsichtlich der berufsfotografischen Ausbildung laut wurden: „Da lässt die professionelle Ausführung einiges zu wünschen übrig.“ (Klimek).


Urbanität bleibt das Thema

Die Tatsache, dass beim „Film“ keine Profis zu Wort bzw. Bild kamen (die Kategorie entfiel), nimmt Projektleiterin Vanessa Rausch auf ihre Kappe: „Der Zeitpunkt war schlecht gewählt. Im Herbst herrscht in der Branche Hochkonjunktur. Da kann man nicht erwarten, dass die Leute Teams abstellen, die gratis Beiträge für den Award liefern.“

Beim nächsten Mal soll daher auch alles ganz anders werden. Schon im März 2001 will man das neue Thema - „Urbanität ja, Architektur nein. Was es sein kann, wird noch überlegt.“ (Rausch) - bekannt geben und so den Teilnehmern mehr Zeit einräumen, um ihre Beiträge zu produzieren. Einreichgebühren werden überlegt - „Wir sind sowas von im Minus!“ (Rausch) - für den Sommer sind Auswahl und Preisverleihung geplant.

Die „urban.award“-Gala 2000 findet Montag abend, ab 19.30 Uhr im Wiener Museumsquartier statt.


[TV-Tipps:
Treffpunkt Kultur berichtet vom Event. Die Kunst-Stücke zeigen am Donnerstag, dem 30. November ab ca. 23.25 Uhr in ORF 1 die Siegerbeiträge des „urban.award“]

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