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Häuser wie Skulpturen
Neue Zürcher Zeitung

Peter Märkli im Architekturmuseum Basel

5. Dezember 2000 - Suzanne Kappeler
Abgesehen von einer kleineren Schau im Zürcher Architekturforum vor rund zehn Jahren fand das Werk des eigenwilligen, in Zürich arbeitenden Architekten Peter Märkli bis anhin kaum eine breitere Öffentlichkeit. Das Architekturmuseum Basel versucht jetzt mit einer grosszügig angelegten Präsentation von Märklis Schaffen diese Lücke zu schliessen. Noch fehlt allerdings ein Katalog, der das Gezeigte festhält - zu hoffen bleibt, dass dieser nachgeliefert wird.

Drei unterschiedliche Elemente bilden das Gerüst der Ausstellung. Zum einen sind dies grossformatige Abbildungen von gebauten Häusern mit dazugehörenden Skizzen und Plänen, zum andern ein Konvolut von einzigartigen, freien Zeichnungen. Diese beschäftigen sich mit den Grundfragen der Proportionen in der Architektur, mit Schattenwurf und Lichteinfall im Raum, mit Details zu Wand- und Fensteröffnungen, zu Dachabschlüssen und Fassaden sowie mit dem Verhältnis vom Gebäude zu seiner Umgebung, zur freien Landschaft. Märkli entwirft in diesen faszinierenden Zeichnungen jedoch auch farbige Häuser, die wie auf Wolken zu schweben scheinen und in ihrer Verspieltheit mitunter fast schon an Kinderzeichnungen erinnern. Oder er gestaltet strenge Würfel mit gestreiften Fassaden, aber auch orientalisch anmutende Türmchen und Bogenabschlüsse. Diese auf jeder der vier Etagen des Museums in Bilderrahmen seriell präsentierten Studienblätter sind kleinmassstäblich wie die Kartonmodelle im Eingangsgeschoss und geben das Suchen, das Nach-Formen-Ringen in der Arbeit des Architekten wieder.

Den dritten Pfeiler der Ausstellung in Basel bilden in Tischvitrinen präsentierte, grossformatige, meist in Kohle ausgeführte Entwürfe von Wettbewerbsprojekten oder Einfamilienhäusern, wie etwa dem zurzeit im Bau befindlichen Einfamilienhaus in Azmoos, Kanton St. Gallen, mit seiner auffallenden, in schwarz-weissen Quadraten gestalteten Fassade. Interessant sind die städtebaulichen Studien im dritten Ausstellungsgeschoss, zum Beispiel für Reihenhaussiedlungen in den Zürcher Gemeinden Uitikon Waldegg und Fehraltorf. Wie bei einem verästelten Baum reihen sich dort die Baukörper in Zeilenbauweise aneinander, während der Entwurf für das Zürcher Röntgenareal von 1990 einen Riegel mit Hochhäusern und dahinter liegenden Wohnbauten vorsah.

Das Eingangsgeschoss der Ausstellung ist Peter Märklis wohl berühmtestem Werk, «La Congiunta», am Dorfrand von Giornico in der Leventina von 1992 gewidmet. 1995 wurde dieser archaisch anmutende Kunsttempel mit einem Preis im Wettbewerb «Neues Bauen in den Alpen» ausgezeichnet. Der Bau gehört zu den wichtigsten Werken der jüngeren Schweizer Architektur und sicher zu den unabdingbaren Stationen einer Architekturreise durch unser Land. Der fast klösterlich anmutende Innenraum dient als Hülle für die Halbfiguren und Reliefs des Bildhauers Hans Josephson, einer wichtigen Bezugsperson des Architekten. Dem Besucher dient der elementare Raum mit den rohen Betonwänden indes auch als Ort der Ruhe und Besinnung, als Ort der Zwiesprache mit den Kunstwerken, die ihrerseits in den Dialog mit der Architektur eingebunden sind. In seiner radikalen, an die Romanik erinnernden Formensprache wird der hermetisch wirkende Betonbau zur Skulptur in der Tessiner Landschaft und gibt das Grundsätzliche von Märklis Architektursprache wieder.

Der 1953 geborene und an der ETH in Zürich ausgebildete Baukünstler nimmt innerhalb der etablierten Architekturszene seit je einen besonderen Platz ein. Sein frühes Einfamilienhaus in Trübbach-Azmoos von 1981/82 fällt durch einen Säulenportikus, den Dachfries und vor allem durch die in pompejanischem Rot eingefärbte Betonfassade auf. Der durch eine Doppeltreppe erschlossene Aufgang nimmt das antikisierende Thema erneut auf und verweist auf Märklis Auseinandersetzung mit der Architektur der Antike und der Renaissance. Das Thema der Säule zieht sich wie die rote Farbe durch das Werk des Architekten. Im neuen Einfamilienhaus in Erlenbach von 1997 etwa werden die Säulen in rote Wandschieben umgedeutet, die ebenfalls eine Stützfunktion einnehmen.

Zahlreiche Zeichnungen in der Basler Ausstellung dokumentieren Märklis Versuche mit Stützelementen; im Mehrfamilienhaus in Sargans von 1986 tauchen sie als unregelmässig über die ganze Fassade verteilte Halbpfeiler wieder auf. In Walenstadtberg baute der Architekt 1991/92 und 1999 eine ehemalige Hoteldépendance um und setzte sich dabei mit dem Baustoff Holz auseinander. Seine Ergänzungen der gedrechselten Verandaelemente biedern sich nicht an die alte Bausubstanz an, sondern thematisieren die zeitgenössisch gradlinige Formensprache. Beispiele für die kistenartigen Betonwohnbauten des Architekten sind das kompromisslose Einfamilienhaus in Grabs von 1995 und das frühe Einfamilienhaus in Winterthur Seen von 1987. Bei diesem fallen halbrunde, palladianische Fensteröffnungen auf, die etwa in der zum Haus gehörenden, hohen Schwimmhalle für einen besonderen Lichteinfall und eine asketisch klösterliche Stimmung sorgen. Hier wie anderswo placierte der Architekt ein Wandrelief von Hans Josephson und deutete damit auf die enge Verbundenheit von Baukunst und bildender Kunst hin: Märklis architektonische Abstraktionen visualisieren einen strengen Schönheitsbegriff und fordern Architekt und Bauherrschaft gleichermassen heraus.

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