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„Nach dem Leben festgehalten“
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Meisterwerke der Architekturvedute.

22. Januar 2001 - Sonja Gerstl
Salomon Kleiners Veduten von Wien: statische Fassaden, Grundrisse ausufernder Paläste, Einblicke in kunstvoll angelegte Gärten, in Gassen mit flankierenden Bauten, belebte Straßen und Plätze. Einige Exponate fordern zum Vergleich. Wien, wie es damals war und wie es heute ist. Die Ansicht des Wiener Stephansdoms signiert der gebürtige Augsburger. „Nach dem Leben festgehalten“, fügt er hinzu, was so viel heißen soll wie „Ich war dort“. Keine Selbstverständlichkeit, denn oft dienten den Vedutenkünstlern der Barockzeit lediglich Planskizzen noch zu errichtender oder unvollendeter Bauwerke als Vorlage für ihre Zeichnungen, Aquarelle, Kupferstiche oder Drucke.


Fürstenpracht und klerikales Selbstverständnis

So erklärt sich auch, warum der Michaelertrakt der Wiener Hofburg - eigentlich erst Ende des vorletzten Jahrhunderts vollendet - in Salomon Kleiners „Dilucida Repraesentatio Bibliothecae Caesareae“, einer Sammlung von Kupferstichen über die Kaiserliche Hofbibliothek, bereits 1737 in voller Pracht erstrahlt. Über die Darstellung von Architektur zwischen Realität und Fiktion wurde bereits zu Lebzeiten Kleiners diskutiert. Die Auftraggeber dieser zumeist repräsentativen Bilddokumente kümmerte das allerdings wenig.

Anschaulich dokumentiert anhand der 15 Blätter umfassenden „Scenographia Monasterii Gottwicensis“, eine Bauidee, die man für die Erneuerung des 1718 von einem Brand teilweise zerstörten Stiftes Göttweig hatte. Der ursprünglich am spanischen Escorial orientierte Bau wurde niemals ausgeführt, die Kupferstiche, die anhand von Zeichnungen Salomon Kleiners angefertigt wurden, blieben die einzigen Dokumente profaner Machtgelüste des Klerus.

Interessant auch die Perspektive, in der das Stift dargestellt wurde. Wer die Topographie Göttweigs kennt, wird wohl vergeblich jene Aussichtswarte suchen, von der aus Kleiner, nämlich von oben herab, seine Zeichnungen anfertigte. Die Vogelperspektive galt als bevorzugtes gestalterisches Element weltlicher Herrscher.


Vorzeichnung oder Racheakt?

Das laut Ausstellungsmacher Bemerkenswerte an dieser Schau, nämlich die Tatsache, dass es zu fast jedem Kupferstich eine Vorzeichnung gibt und deren kontrastierende Präsentation, nimmt die stellvertretende Direktorin der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Eva Irblich, zum Anlass, laut über eine andere Sichtweise der Exponate nachzudenken.

Für sie stellen viele der lavierten Tuschezeichnungen eine eigenständige Serie dar: „Der Sinn einer Vorzeichnung besteht ja darin, dass man damit einen ersten Abdruck erhält. Der Kupferstich müsste sich dann seitenverkehrt zur Vorzeichnung verhalten. Das ist aber bei lediglich einem Exponat (die Darstellung der Mainzer Favorita) der Fall. Außerdem sind Vorzeichnung und entsprechender Kupferstich oftmals auch unterschiedlich groß.“

Irblich glaubt, dass einige der Zeichnungen erst später, und die über die Kaiserliche Hofbibliothek sogar möglicherweise als eine Art „Racheakt“ an Kaiser Karl VI. entstanden sein könnten. Dieser hatte sich mittels Kaiserlichem Privileg die Rechte am Werk gesichert, was Salomon Kleiner und dem Kupferstecher Jeremias Jacob Sedelmayr eine kommerzielle Vermarktung ihrer Arbeit unmöglich machte.


„Sedelmaier ware narrisch“

Als Karl VI. - und hier divergieren die Quellen - durch Tod, Kriegsjahre oder schlicht aufgrund der Tatsache, dass nach Fertigstellung der Bibliothek nunmehr der kostspielige Ankauf von Büchern auf dem Programm stand - die Zahlungen einstellte, endete die ursprünglich als dreiteilige Publikation konzipierte Stichsammlung im (nicht nur) finanziellen Fiasko.
„(...) Kleinert hatte kunftig 20.000 Florin vom Kayser zu erhalten, bekam aber nichts, sie nahmen Geld auf, Sedelmaier hatte nichts und ware narrisch, mußte also Kleinert allein zahlen, kame sehr herunter, doch schwung er sich wieder (...)“, heißt es dazu in Notizen der Biografen Georg Caspar Nagler und Georg Christoph Kilian.

Kleiners „Aufschwung“ führte ihn in die „K. K. Ingenieurs-Schule zu Gumpendorf“. Dort unterrichtete er täglich ein bis zwei Stunden die „Ingenieurs-Anfänger“ in der „Zeichnungs-Kunst“, was immerhin ein geregeltes Einkommen bedeutete. Sein Wunsch, selbst auch einmal als Architekt tätig zu sein, blieb unerfüllt. Salomon Kleiner starb am 25. März 1761 in Wien-Josefstadt.


[Tipp:
Sonderausstellung „Salomon Kleiner“: 19. Jänner bis 28. Februar 2001 (Mo-Sa: 10.00 bis 14.00) im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1010 Wien.]

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