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Land in Sicht
Der Standard

Der als Betonplattenbrutalo verschrieene Wiener Baukonzern Mischek versucht unter der Führung seiner Erben eine radikale Kurskorrektur und will mit den besten Architekten an Bord in Richtung Qualitätsarchitektur steuern.

27. Januar 2001 - Ute Woltron
Stellen Sie sich vor, Sie sind Anfang Dreißig und ein ziemlich fesches, aufgewecktes Fräulein. Sie haben einen ziemlich klugen kleinen Bruder und einen ganz schön wohlhabenden Vater. Der baut mit seiner milliardenschweren Baufirma eine von zehn neuen Wohnungen in Wien, was ziemlich einträglich ist und eine Privatstiftung erfordert.

Aber plötzlich freut ihn das Geschäft nicht mehr so recht, denn die Zeiten haben sich geändert, der Jüngste ist er auch nicht mehr, und deshalb zitiert er Sie und Ihren Bruder eines Tages zu sich und stellt Sie vor die Alternative: Entweder, meine Lieben, ihr schmeißt's ab sofort die Bude hier, oder ich lerne andere Nachfolger an. Tja. Was würden Sie tun?

Michaela Mischek (35) pflegt bei solchen Gelegenheiten mit leicht schiefgelegtem Kopf die Augen in hübschem Erstaunen weit aufzureißen. „Na wenn das so ist“, dürfte sie damals ungefähr zu ihrem Vater gesagt haben, „dann schmeißma dieBude halt.“ Sie selbst ist studierte Historikerin und Politikwissenschaftlerin, ihr Bruder Ronald (34) Bauingenieur, die Firma „Mischek“ ein zu hundert Prozent in Privatstiftungsbesitz befindlicher Konzern mit einer Betriebsleistung von knapp zwei Milliarden Schilling bei einer Bilanzsumme von 4,2 Milliarden - eine prachtvolle, aber höllisch komplizierte Spielkiste für unerfahrene Nachfolger, mit jeder Menge Treibsand und Schlaglöchern, in denen man leicht versinken kann.

Doch auch das hätte wunderbar in das Konzept der frechen und umtriebigen Michaela Mischek gepasst, wäre da nicht dieses wirklich miefige Betonplattenimage der Firma gewesen. Das Mischmaschinenflair, das war echt uncool.

Der Begriff Mischek stand jahrzehntelang für schnell hochgezogene Wohnhäuser aus Fertigteil-Betonplatten, bei deren Anblick jeder Architekt den Kopf einzog und den Schritt beschleunigte. „Mit diesem wunderbaren und mega-ökonomischen Fertigteilsystem“, grinst Michaela Mischek, „konnte in Nachkriegszeiten sehr rasch Wohnraum geschaffen werden, was den Wienern natürlich geholfen hat. Aber später waren wir dann schon als schrecklich schlimme Betonierer verschrieen.“

Wie poliert eine Baufirma ihr wenig elegantes, zementstaubiges Image auf? Sie hat eigentlich nur eine Möglichkeit: Sie nehme sich die besten Architekten zur Brust und lasse sozusagen die Reflexionen der schillernden Künstlerfedern auf dem eigenen Gefieder spielen. Wenn sie das klug anstellt, werden letztlich alle zufrieden sein: die Architekten, weil sie gute Arbeit tun können, die Endverbraucher, weil sie tolle Wohnungen bekommen, die Baufirma, weil sie damit dort ist, wo sie hinwill.

Ganz so weit ist das Unternehmen Mischek noch nicht. Es hat sich aber mit dem Geschwisterpaar an den Zügeln in erstaunlich kurzer Zeit auf dem Wege dorthin aufgemacht. Die Schwester ist Sprachrohr, PR-Spitze und Architekturverantwortliche, der Bruder die technisch-innovative Basis. Es zeichne sich ab, so Michaela Mischek, dass der Lifestyle von trendigem Essen über schicke Möbel auch auf die Architektur überschwappe. Sie ist überzeugt: „In Zukunft werden die Leute ihre Wohnungen nach dem Namen des Architekten kaufen, der das Haus geplant hat. Wir versuchen nun, unsere Architektur um 180 Grad zu drehen, doch man muss auch verstehen, dass so etwas in einem großen Betrieb nicht von heute auf morgen geht. Das Unternehmen kommt nun mal aus einer gewissen Tradition, wir müssen dieses Unterfangen Schritt für Schritt angehen, und bei jedem einzelnen Projekt will ich einen Schritt weiterkommen.“

Die Architektenriege, die in den vergangenen paar Jahren angeheuert wurde, kann sich sehen lassen. Alles dabei, von Roman Delugan und Elke Meissl über Helmut Wimmer, Artec, Rüdiger Lainer, Albert Wimmer und andere mehr. Demnächst entstehen am Wienerberg je ein Wohnhochhaus von Coop Himmelb(l)au und vom Team Delugan-Meissl. Bettina Götz und Richard Manahl, die hinter dem Namen Artec stecken, bauen ein kleines feines Wohnhaus am Hundsturm. Architekturprofessorin Nasrine Seraji plant gerade ihr erstes Wien-Haus mit Mischek in der Linzer Strasse. Querkraft überlegen sich ein Wohnprojekt im 18. Bezirk. In der Wiedner Hauptstrasse soll bis 2002 ein Wohnbauprojekt mit den Architekten Rüdiger Lainer, LSSS (Cornelia Schindler und Rudolf Szendenik) und Artec entstehen. Die vom Architektur Zentrum Wien ausgewählten „Emerging Architects“ durften einen Mischek-Wohnbau-Wettbewerb bestreiten, der auch demnächst in Bau gehen soll. Und zu guter Letzt wurde dem diesjährigen EuroPan-Wettbewerb, der europaweit die Wohnideen junger Architekten fördern will, ein Grundstück in Simmering zur Verfügung gestellt.

Klingt alles toll, doch Architektur ist nicht nur Engagement, Wettbewerb und Sieg, sondern vor allem auch Ausführung, und da erleidet die beste Planung gewöhnlich ihre grausamsten Niederlagen. Schaut man sich die bereits vollendeten Mischek-Häuser der jüngeren Vergangenheit an, so sieht man doch noch die Kompromisse, die eingegangen werden, wenn der Freigeist der Architektur durch herkömmliche Fertigteilplattenkonstrukte weht. Gelegentlich blieb außer der Fassade nur ein prachtvolles Foyer über, der Wohnungsrest war schmerzlicher 08/15-Standard.

Doch Michaela Mischek nimmt allen Kritikern elegant den Wind aus den Segeln, indem sie mit kräftigem Kopfnicken zustimmt und auf die Umbruchphase verweist, die das Unternehmen doch noch durchlaufe. Man möge es nicht an seinen architektonischen Neuanfängen messen, sondern an künftigen, besseren Projekten. Darunter könnte auch ein ganz außergewöhnliches Ding von den holländischen MVRDV sein, das nur noch einen geeigneten Bauplatz sucht.

Um Gutes unter dem enormen ökonomischen Druck, der auf dem Wohnbau lastet, zustande zu bringen, so Mischek, müsste die gesamte Architekturabwicklung radikal verändert werden. Das Konzept und die Gesamtplanung eines Projektes seien viel wichtiger zu bewerten als bisher - und auch entsprechend kräftiger zu honorieren. Die darauf folgende Einreichplanung müsse künftig quasi auf Knopfdruck „vom billigsten Arbeiter oder von Zeichenbüros“ und nicht vom Architekten selbst gemacht werden.

Eine solche Vorgangsweise funktioniert allerdings nur, wenn sich der Architekt auf seinen Partner, die Baufirma, blind verlassen kann. Andernfalls wird er zum Pausenclown, der lediglich die Showeinlage liefern darf. Ob Mischek der kongeniale Architekturpartner wird, den sich alle wünschen, dürfte von der gesamten Branche sehr aufmerksam und argwöhnisch beäugt werden. Michaela Mischek strahlt derweilen die Kraft und die Zuversicht ihrer Generation, und die zeichnet sich durch Schläue, Geschwindigkeit und Geschäftstüchtigkeit aus.

In einer nicht so fernen Zukunft sieht sie das Imperium, das ihr Vater gemeinsam mit ihrem Großvater ab 1945 aus dem Boden gestampft hat, weniger als Baufirma denn als Gesamtdienstleister in Sachen Wohnen. Als Konzern, der seinen Aktionsradius auch über den Wohnbau hinaus erweitert und „viele tolle Architekten beschäftigt“. Das eigentliche Baugeschäft kann zugekauft werden und gerät dabei eher in den Hintergrund, wichtiger wird die Projektentwicklung, das penible Planen und Durchziehen von guter Architektur.

Der erwünschte Imagefaktor wird allerdings nur dann dauerhaft sein Schillern entfalten, wenn das Feine, Widerborstige und Freche, mit anderen Worten, das Reizvolle und Individuelle an der bestellten Architektur, nicht durch den Bauprozess zurechtgeschliffen wird.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Architekt und arbeiten mit einer Baufirma, die genau das will, was Sie auch wollen: Außergewöhnliche, hervorragende Architektur. Wetten, dann reißen auch Sie die Augen auf?

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