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Städtebaulicher Kraftakt im Herzen der Rheinmetropole
Neue Zürcher Zeitung

Bauen rund um das zentrale Bahnhofareal in Basel

Rund um die Anlage des Zentralbahnhofs wandelt sich Basel rasant. Sind westlich davon repräsentative Neubauten von Diener & Diener sowie von Richard Meier entstanden, so wird im Osten zwischen dem minimalistischen Peter-Merian-Haus von Zwimpfer Partner, dem Lonza-Hochhaus und dem skulpturalen Stellwerk von Herzog & de Meuron das Jacob-Burckhardt-Haus von KBCG und Jakob Steib realisiert.

2. März 2001 - Lutz Windhöfel
Im Jahre 1844 wurde die Eisenbahnlinie von Strassburg nach Basel fertiggestellt, und die Schweiz war auf dem Schienenweg erstmals mit dem Ausland verbunden. Die Bauten für die innerschweizerische, neue Verkehrsanbindung (1854) und für die grossherzoglich-badische Bahn (1859), die aus Karlsruhe kam, waren Kopfbahnhöfe. Der Blick auf die Eröffnung des Gotthardtunnels (1882) schuf andere Realitäten. Man schloss die Gleistrassees zusammen, errichtete eine neue Rheinbrücke (1873) und schuf in der Folge architektonische Zeugnisse, die das Bild des Zentralbahnhofs (mit der schweizerischen und der französischen Station) und jenes des Badischen Bahnhofs bis heute prägen. Am Centralbahnplatz entstand ein mächtiger Steinbau von Emil Faesch und Emanuel La Roche (1904-07). An der heutigen Schwarzwaldallee schufen die Architekten Karl Moser und Robert Curjel eine weitläufige Anlage in elegantem Jugendstil (1910-13).


Verdichtung

Um den Zentralbahnhof wuchs die Stadt im 20. Jahrhundert enorm. Im Süden entstanden ausgedehnte Wohngebiete. Entlang der Gleisfelder liessen sich Handwerksbetriebe nieder, und man baute eine grosse Markthalle mit Infrastrukturen für den beginnenden Automobilverkehr. Aber das Gesicht des grossflächigen Areals, das von seiner Randlage immer mehr ins Zentrum des urbanen Gebildes in und um Basel wuchs, war diffus und kleinteilig. Insbesondere die Bautätigkeit der Bahn selbst, die mit unzähligen Remisen, Gleisausbauten und anderen, zeitbedingten Nutzungsänderungen auf dem Gelände agierte, schuf Metastasen ohne Konzentration. Als man 1962 am östlichen Zipfel des Areals das Lonza-Hochhaus bezog, war dies das höchste Gebäude Basels. Zwar hatten sich die Architekten Suter + Suter in der Grundrissdisposition und der Volumetrie der Kubatur so auffällig an Gio Pontis «Grattacielo Pirelli» in Mailand (1956) orientiert, dass man das Haus despektierlich als «Il piccolo Pirelli» bezeichnete. Aber die gestalterische Kraft, die das Haus in Mailand zu einem Meilenstein der Architekturgeschichte werden liess, wirkt auch in der helvetischen Variante eindrücklich.



Seit rund 15 Jahren beginnt sich das ganze Gebiet des Bahnhofs der Schweizerischen Bundesbahnen baulich intensiv zu verdichten. Im Westen Richtung Frankreich errichteten die Architekten Diener & Diener ein grosses Konferenz- und Ausbildungszentrum (1990-94) und Richard Meier ein Geschäftshaus (1995-98). Da sich beide Volumen an einer Strasse gegenüberstehen und die Grundstücke je am Talhang eines linksrheinischen Nebenflusses liegen, sind sie von der Talsohle mit 9 und 11 Geschossen als kleine Hochhäuser lesbar. In Sichtweite dieser beiden Bauten wollen die SBB in diesem Jahr mit dem Bau einer geschlossenen Passerelle über das Gleisfeld nach Plänen von Cruz/Ortiz und Giraudi & Wettstein (Lugano) beginnen.


Im Schatten des Lonza-Hauses

Der östliche Teil des rund 1,2 Kilometer langen Areals verändert sich gegenwärtig städtebaulich stärker als der Westteil. Zunächst bildeten in den achtziger Jahren ein Bürohaus von Diener & Diener und ein neues Fernmeldezentrum von Bürgin & Nissen mit Zwimpfer Partner das unbeachtete - weil nur aus der Luft wahrnehmbare - Dreieck mit dem Lonza-Hochhaus. Durch das SBB-Stellwerk von Herzog & de Meuron (1998/99) wurde dieses zu einem Viereck vergrössert. Es entstand eine urbane Klammer von erstaunlicher Qualität. Für das Areal um das Fernmeldezentrum wurde im Februar 2001 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb entschieden, den das junge Büro Miller & Maranta (Basel) gewann. Doch das Herzstück des ganzen Bauplatzes besteht aus zwei Grosskubaturen, von denen die eine gerade fertiggestellt worden ist. Der Baubeginn der anderen soll demnächst erfolgen.

Nach 14-jähriger Planungs- und Bauzeit konnten die Architekten Zwimpfer Partner das Peter-Merian-Haus fertigstellen (1986-2000). Der über 30 Meter hohe, nahezu 60 Meter breite und 180 Meter lange Komplex wird von Firmen als Bürohaus und von einer Fachhochschule als Ausbildungsraum genutzt. In den Innenhöfen, die den Bau präzise gliedern und rhythmisieren, wurde ein umfangreiches «Kunst und Architektur»-Projekt realisiert. Die Fassade springt auf beiden Längsseiten wie ein Kamm leicht zurück. Doch die entstehenden Aussenhöfe wurden so mit einer Glashaut geschlossen, dass sich eine kompakte stereometrische Gesamtform ergibt. Der monumentale Bau wirkt wie eine Plastik der Minimal Art im öffentlichen Raum.

Das Peter-Merian-Haus (benannt nach einer angrenzenden Strasse) macht nun das von Passagierzügen intensiv genutzte Gleisfeld als urbanen Raum erlebbar. Und die Fassade zur Strasse definiert diese Durchgangsachse neu. Durch die Begrünung mit Bäumen wurde dieser Rand der Innenstadt auch ökologisch aufgewertet. Hinter dem im Osten des Peter-Merian-Hauses neu geschaffenen Lindenplatz soll dieses nun auf einer nahezu gleich grossen Fläche mit dem Jacob- Burckhardt-Haus (ebenfalls benannt nach einer angrenzenden Strasse) ergänzt werden. Zwimpfer Partner führte dazu einen Wettbewerb durch, mit dessen Sieger sie den Bau realisieren wollten. Es gewann das Büro von Jakob Steib. Nach einer Firmenumstrukturierung heisst die Arbeitsgemeinschaft nun KBCG (Krarup, Bachelard, Cuendet, Geser; Basel) mit Steib (Zürich).


Das Jacob-Burckhardt-Haus

Das inzwischen eingehend überarbeitete Wettbewerbsprojekt soll eine ähnliche Fassadenmorphologie wie das benachbarte Peter-Merian-Haus erhalten. Es bekommt ein vergleichbares Volumen, hat die gleiche Höhe und rhythmisiert sich ebenfalls durch sechs aneinander gebaute Einheiten, die um Innenhöfe gruppiert werden. Damit der Bau natürlich beleuchtet werden kann, wird es zwischen diesen Elementen wiederum offene Aussenhöfe geben, die man komplett verglast und so die Fassade schliesst. Die neue Grosskubatur unterscheidet sich jedoch vom Nachbarbau auffallend in der inneren Organisation, der Materialsprache der Fassade und einer stärkeren Bezugnahme auf die Topographie. Nach Osten verjüngt sich das Grundstück, und auf der anderen Seite der Strasse befindet sich der parkähnliche Aussenraum des Lonza-Hochhauses. Dieser Grünraum wird in fünf der Baueinheiten in Form eines Bildes einbezogen.

Vom Eingang auf der Bahnseite soll ein Blick durch grosse, durchsichtige Glaspartien in den Wänden der Aussenhöfe in die Tiefe des Gebäudes möglich sein. Die Plaza, die jede Kubatur zentral erschliesst, erhält jetzt keinen vertikalen, hellen Schacht mehr, sondern eine Kaskade, die über sechs der sieben oberirdischen Geschosse ein gebogenes Atrium aufspannt, welches von Süden Licht erhält. Die Haustechnik verlegt man in die Untergeschosse und nicht mehr aufs Dach. Dafür plant man hier Attikageschosse, die Panoramablicke auf die Innenstadt im Norden und die grüne Südstadt möglich machen.

Die Führung neuer Tram- und Bahngeleise machen auch beim Jacob-Burckhardt-Haus eine sanfte Fassadenwelle notwendig. Auf der Strassenseite werden die Wandfelder zwischen den Hofverglasungen die Architektur kompakter wirken lassen. Das letzte Bauelement an der Münchensteinerbrücke muss man klimatisieren, da dieses an der Schnittstelle zweier Verkehrsachsen liegt. Ansonsten sollen wie beim Peter-Merian-Haus alle Räume natürlich belüftet werden können. Im Jahr 2007 wird der Bau vollendet sein und dem diagonal jenseits der Brücke liegenden Stellwerk von Herzog & de Meuron als unmittelbarer Nachbar antworten.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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