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Reflex auf englischen Landschaftsgarten?
Wenn wir auf der Allmend in Frauenfeld spazieren, haben wir das Gefühl, wir würden durch einen Park wandeln. Ist diese von Menschenhand und durch den Maschinenpark der Schweizer Artillerie geschaffene Landschaft vergleichbar mit dem berühmten englischen Landschaftsgarten? In einem Streifzug gibt es viel Gemeinsames zu entdecken.
Das «Landscape Movement» in der Garten- und Landschaftsgestaltung hat in einem Zug alle über die Jahrhunderte bekannten und vertrauten Elemente über den Haufen geworfen, gleichsam weggewischt. Die neuen Ideen kamen diesmal aus England, im Unterschied zu den Gärten der Renaissance, für welche Italien stilbildend war, und zu jenen des Barocks, die zuerst in Frankreich entstanden. Während etwa 30 Jahren – zwischen 1750 und 1780 – verschwanden die gestylten Buchsparterres mit ihren akkurat gepflanzten Blumenbeeten, die sorgfältig getrimmten Hecken und die schnurgeraden Linien, die lange als das Nonplusultra der Gartengestaltung gegolten hatten, von der Bildfläche. Lancelot Brown – wegen seiner Fähigkeiten «Capability Brown» genannt – ist der Mann, der die Gartenrevolution in England im grossen Stil ausführte; man kann ihn dafür loben oder auch tadeln, baute er doch jahrhundertealte Gartenkunstwerke zum Teil vollständig um – neben den vielen neuen Gärten, die er schuf.
Aussehen, Inspiration und Unterhalt
Weich und natürlich wirkende, modellierte Graslandschaften, die sich um sorgfältig gepflanzte Baumgruppen wanden, hielten den typisch englischen Landschaftsgarten zusammen. Ein wichtiges Strukturelement war ausserdem ein länglicher See mit geschwungener Uferlinie. Brown und seine Nachfolger platzierten Baumgürtel entlang den Grenzen des eigentlichen Gartens, um Landwirtschaftsflächen und störende Gebäude zu verdecken. Die zum Gut gehörenden Viehweiden, die als Blickpunkt in die Gestaltung integriert waren, wurden durch einen so genannten «Ha-Ha», einen tiefen Graben, vom eigentlichen Park getrennt (Bild 4).
Seine ästhetische Inspiration holte Capability Brown vom in England seit dem Mittelalter bekannten Hirschpark. Dieser bestand aus weiten, offenen Flächen, Hügeln, Tälern und Ebenen und enthielt somit bereits alle bekannten Elemente des Landschaftsparks des 18.Jahrhunderts. Die frei fliessenden Linien in der Landschaft wurden zum wichtigsten Gestaltungselement. Ausserdem entwickelte sich der Landschaftspark aus dem Lebensstil seiner Besitzer, den Angehörigen des Landadels: Er war vergleichsweise billig zu unterhalten. Die Weiden konnten vermietet oder verpachtet werden und brachten dem Besitzer mehr Geld ein als Landwirtschaftsland. Ebenfalls eine wichtige Einkommensquelle waren die schnell wachsenden Weichhölzer, welche unter die landschaftsprägenden Bäume, die Harthölzer Esche, Ulme und Eiche, gepflanzt wurden. Sie konnten geerntet und verkauft werden. Zum Stil des Landschaftsgartens gehörte auch eine Tierherde, die meist aus Rindern oder Schafen bestand. Im Unterschied zum arbeitsintensiven Ackerbau unterstrichen diese Weidetiere die leichteren, angenehmeren Seiten des Lebens.
Ein Landschaftspark diente natürlich auch der Erholung und Entspannung. Die Wege waren in einem geschwungenen Rundgang angelegt, sodass sich Aussichten und Durchblicke ständig veränderten. Meist gab es zwei Rundgänge, einen breiteren für Kutschen und einen schmalen für Fussgänger. Die von Brown und seinen Nachfolgern gepflanzten Dickichte und Wäldchen boten ausserdem dem Wild Schutz und Unterstand, denn Jagd war ein wichtiger Zeitvertreib des Adels.
Allmend im Spiegel englischer Landschaftsgärten
Nähert man sich der Frauenfelder Allmend, empfängt einen eine sanft oder auch ausgeprägter modellierte Landschaft mit Baumgruppen und wenigen, teilweise offenen, teilweise geschlossenen Gebäuden. Wasser als Gestaltungsmittel spielt eine bedeutende Rolle, zum Beispiel mit künstlich geschaffenen Übergängen (für die Panzer) im Fluss, Regentümpeln und kleinen Seen. Ein zum See aufgestauter Bach oder Fluss ist auch im englischen Landschaftsgarten ein immer wiederkehrendes Thema, etwa in Sezincote und Standcombe Park, wo die Wasserfläche, welche nicht zuletzt die Funktion eines Spiegels hat, von einem dichten Baumgürtel umgeben ist (Bilder 1, 2). Wie auf der Frauenfelder Allmend prägen neben Baumgruppen auch einzelne Charakterbäume das weite, offene «Bowling Green», den Rasenplatz vor dem Landhaus oder Schloss; so etwa in Rousham, dem Meisterwerk von William Kent, einem Vorgänger von Capability Brown. Inspiriert von der Dichtkunst und Musik gestaltete Kent Rousham als eine rhythmische Abfolge von grünen Flächen, Durchblicken und Wasserläufen. Die einzigartige «Formal Rill», ein schmaler, geschwungener Wasserlauf, windet sich durch die Wälder zum so genannten «Cold Bath», einem geheimnisvoll dunklen Wasserbecken (Bilder 9, 10). Das aus der chinesischen Gartenkunst übernommene Gestaltungselement wird in England als «Line of Beauty» bezeichnet, weil seine unregelmässige Form der Natur abgeschaut erscheint.
Die geschwungene Linie taucht auch in der Frauenfelder Allmend immer wieder auf, zum Beispiel im in weiten Kurven angelegten Weg, der zur Schiessanlage hinaufführt. Dem antikisierenden «Temple of Echo» aus dem Park von Rousham antwortet in der Allmend ein auf einer Anhöhe inszenierter Betonbunker mit Schiessscharten (Bilder 7, 8).
Die Allmend und das Dessau-Wörlitzer Gartenreich
Dessau-Wörlitz, ab 1765 angelegt von Fürst Leopold III., Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, ist der stilbildende Landschaftsgarten in Deutschland. Der Fürst reiste insgesamt viermal nach England und wurde begleitet vom Hofgärtner Johann Friedrich Eyserbeck. Dieser gestaltete Wörlitz als ersten Landschaftsgarten auf dem europäischen Festland. Das ganze Gartenreich, seit 2001 auf der Welterbe-Liste der Unesco, umfasste damals 700km2, heute sind noch 145km2 davon übrig geblieben. Wörlitz ist als weitläufige Landschaft mit Seen und vielen Wasserarmen angelegt. Grazile antike Tempelchen und steinerne Monumente, durch Schlängelwege untereinander verbunden, beleben den Park. Wie in den englischen Landschaftsgärten sind die Gehölze bewusst platziert, etwa eine knorrige Eiche oder Buche als Einzelbaum oder unregelmässig und locker gesetzte Baumgruppen in der Weite einer Wiesenfläche. Eine wichtige Rolle spielt das Kanalsystem in den Elbauen, wobei die Kanäle in weiten Bögen angelegt sind. Brücken ermöglichen Ausblicke auf Monumente oder Durchblicke im Grüngürtel. Licht- und Schattenwürfe sind raffiniert arrangiert und werden im Garten als «Event» inszeniert.
Auch in der Frauenfelder Allmend gibt es in der Ochsenfurt ein weitläufiges Kanalsystem, das sich als gestaltetes Landschaftselement durch die Wiesen zieht. Vom Zielhang der Artillerie aus bieten sich Ausblicke in die weite Landschaft der Umgebung. Der Zielhang für die Granaten wird als «geborgte Landschaft» gleichsam in die Gebiete diesseits des Flusses Thur mit einbezogen (Bild 11). Gehölzgruppen, auch «Clumps» genannt, und markante Einzelbäume geben dem Wiesland, den als Deckung errichteten Schutzdämmen und den sich ständig ändernden Panzerfahrlandschaften Struktur.
Tumulusartige Modellierungen
Muskau, Schöpfung von Fürst Hermann Pückler (1785–1871), verwandelte eine ganze Stadt und ihre Umgebung in ein ideales Parkbild. Nach dem erzwungenen Verkauf von Muskau wegen Geldschwierigkeiten entwickelte Pückler in seinem zweiten Meisterwerk, in Branitz bei Cottbus, ein flaches, monotones Gelände zu einem Landschaftsgarten mit dichtem Gehölzgürtel und einem See mit künstlicher Insel und zwanzig Meter hoher Grabpyramide. In Sichtweite zum Wassertumulus liess der Fürst noch einen Erdtumulus errichten, in dem ursprünglich seine Frau begraben lag. Die beiden Pyramiden sind starke Zeichen in der Landschaft (Bild 6). Als baumbestandene, tumulusartige Modellierung präsentiert sich auf der Allmend die Rückseite einer Panzerschiessanlage, die von grasbewachsenen, hohen Dämmen eingefasst ist (Bild 3). Ein weiteres prägnantes Zeichen sind die im Wiesland entlang der Thur ausgehobenen Schützengräben, die aussehen wie der «Ha-Ha» im englischen Landschaftsgarten, der die Viehweiden vom eigentlichen Park trennt (Bild 5).
Am Rand der Frauenfelder Allmend befindet sich die Pferderennbahn, das so genannte Hippodrom, wie es etwa im Landschaftsteil des Gartens von Sanssouci bei Potsdam auch eines gibt. Peter Joseph Lenné (1789–1866) hat ähnlich wie Fürst Pückler in Muskau ein Gartenreich rund um die Havel bei Berlin angelegt mit zahlreichen Bezugsachsen unter den einzelnen Gärten, zwischen Wasser, Bäumen und Bauten. Das Hippodrom in Frauenfeld wird von Alleen begleitet, wie sie charakteristisch sind für Teile vieler Landschaftsgärten.
Asphaltfläche und Moosgarten
Die jungen Landschaftsarchitekten Beglinger und Bryan
Mit ihrem Siegerprojekt «Magma» für den Durachpark in Schaffhausen machten die beiden jungen Landschaftsarchitekten Jonas Beglinger aus Mollis und Jeremy Bryan aus Luzern auf sich aufmerksam. Mit einem weiteren Garten für Schloss Trauttmansdorff in Meran zeigt sich Jonas Beglinger von einer eher verspielt surrealen Seite.
Eingedolt und kanalisiert fliesst die Durach durch das Mühletal, einen lange schon industriell genutzten Ort beim Bahnhofareal in Schaffhausen. Die Umnutzung der Liegenschaften der dort ansässigen Georg Fischer AG machte es möglich, für das lange, schmale, völlig asphaltierte Landstück am Fluss im Rahmen des alle zwei Jahre vergebenen Evariste-Mertens-Preises 2004 einen Wettbewerb für einen neuen Park auszuschreiben, der vom Bund Schweizer Landschaftsarchitekten, von der Stadt Schaffhausen und der Georg Fischer AG veranstaltet wurde. Für das vor wenigen Monaten gekürte Siegerprojekt «Magma» von Jonas Beglinger und Jeremy Bryan sprach, dass sich die beiden Landschaftsarchitekten intensiv mit dem Ort auseinandersetzten, mit dem Thema Bebauen und Abtragen und mit der künstlichen Natur, die das Mühletal prägt.
Ein Park für Schaffhausen
Auf dem 230 Meter langen und an seiner schmalsten Stelle nur 14 Meter breiten Areal soll ein Park entstehen, der hohen ökologischen Ansprüchen gerecht zu werden vermag. Die Grundidee des preisgekrönten Entwurfs von Beglinger und Bryan besteht darin, aus der durchgehenden Asphaltdecke Teilflächen auszuscheiden, freizulegen und zu rekultivieren. Der vorhandene Kies unter dem bestehenden Belag soll wenn immer möglich wieder verwendet werden.
Die Grünflächen setzen sich einerseits aus geschlossenen Heckenkörpern, zum Beispiel aus Schlehdorn, Schneeball, Sanddorn, Weissdorn und Strauchwicken, zusammen, anderseits aus Ruderalflächen, die mit Mohn, niedrigen Sedum- Arten und wilden Margeriten bepflanzt sind. Auch ein bespielbarer Blumenrasen ist Teil des grünen Puzzles. Ein chaussierter Platz kann für vielerlei Aktivitäten genutzt werden. Sitzmauern trennen die einzelnen Bereiche voneinander ab. Vom ehemaligen Asphalt bleibt ein Wegnetz bestehen, welches dem Aufenthalt und dem Durchgang, aber auch der Anbindung des Parks an die Umgebung dient. Die Stärke des Projekts ist das Nebeneinander von Mensch und Natur, sind die sorgfältig ausgearbeiteten ökologischen Bausteine und die ökonomische Umsetzung.
Garten für Verliebte in Meran
Für den botanischen Garten von Schloss Trauttmansdorff bei Meran plant Beglinger zusammen mit dem Architekten Rigendinger aus Flums inmitten eines Waldstücks den «Garten für Verliebte». Ihr Projekt ging im Februar 2005 siegreich aus einem Wettbewerb hervor, an dem 260 Landschaftsarchitekten teilgenommen hatten. Der 50 mal 10 Meter grosse Garten liegt etwas abseits des Schlosses in einem steil ansteigenden Flaumeichenwald. Das Thema des leicht surreal wirkenden Moosgartens ist die Lichtung im Wald. Auf einem schmalen, gewundenen Pfad erreicht der Besucher den versteckt gelegenen Garten, wo sich zu seinen Füssen ein grün leuchtender Moosteppich ausbreitet. Die Gartenfläche wird von einer bis zu sechs Meter hohen Mauer umgeben sein und bildet einen spannenden Kontrast zum Naturwald. Im Frühling wird der Moosteppich mit weissen Krokussen übersät sein; im Sommer und Herbst werden Anemonen (Anemone japonica) den jahreszeitlichen Wandel erlebbar machen. An der Aussenseite der Mauer rankt sich Efeu empor. So erleben die Besucher den von aussen dem Wald angeglichenen Garten in seinem Innern als Überraschung.
Das Moos für die Grundbepflanzung soll in der Umgebung gesammelt und in der Schlossgärtnerei kultiviert werden, um es später auszupflanzen. Die Projektverfasser stellen sich vor, dass ein Teil der Besucher den Garten barfuss betreten wird, um das Moos auch körperlich zu empfinden. Im Garten könnten sich dann spontane Pfade ergeben. Damit das Moos im eher trockenen Flaumeichenwald gedeihen kann, muss der Garten beregnet werden. Im Gegensatz zu dem aus dem städtischen Kontext heraus entwickelten Durachpark in Schaffhausen lebt der «Garten für Verliebte» in Meran vom starken Kontrast zur umgebenden Natur. Mit seiner Mauer und dem Moosteppich ist er letztlich ein Produkt absoluter Künstlichkeit. Die beiden Gärten zeigen die weitgespannten Möglichkeiten zeitgenössischer Landschaftsarchitektur.
Inszenierte Natur
Neue Arbeiten des Landschaftsarchitekten Stefan Koepfli
Mit Wettbewerbsprojekten in Winterthur und in Sachsen-Anhalt hat das Luzerner Landschaftsarchitekturbüro Koepfli Partner auch international Aufmerksamkeit erregt. Bei seinen Arbeiten geht es auf den Ort ein, entwickelt dessen Eigenarten und Qualitäten weiter oder setzt vorhandene Strukturen der Landschaft gestalterisch um.
Neben grossen Parkprojekten nimmt sich der Luzerner Landschaftsarchitekt Stefan Koepfli auch gerne kleinerer Gärten oder öffentlicher Aufgaben an. So wurde im vergangenen Jahr die Sanierung des Seebads Zweiern in Risch-Buonas am Zugersee fertiggestellt. Nach dem Willen des Kantons sollte das malerisch gelegene Bad «ökologisiert» werden. Mit sparsamen Eingriffen gelang es Koepfli, vorhandene Elemente wie den Sprungturm und den Schilfgürtel besser zur Geltung zu bringen. Eine grosse Holzplattform mit angrenzender Sandfläche als Kinderspielplatz akzentuiert nun die flache, bekieste Uferzone. Die störende Ufermauer, die zuvor Land und Wasser getrennt hatte, wurde entfernt. So entstand ein von einem Baumgürtel umgebener Freiraum mit unverstellter Sicht auf den See. Die Eingriffe sind minimal, aber von erstaunlicher Wirkung. «Gute Landschaftsarchitektur sollte stets fähig sein, auf die Örtlichkeit einzugehen», meint Koepfli.
Landschaftspark in Winterthur
Auf dem Sulzer-Areal in Oberwinterthur soll im Rahmen einer Umnutzung des ehemaligen Industriegebiets in eine Gewerbe- und Wohnzone eine grosse Parkanlage als Zentrum und Anziehungspunkt des neu zu bauenden Stadtteils realisiert werden. Die Firma Sulzer überlässt der Stadt Winterthur sieben Hektaren Land zur Schaffung des Eulach-Parks und darf dafür die umliegenden Flächen verdichtet überbauen. Als Gewinner des im Jahr 2003 lancierten Projektwettbewerbs plant das Büro Koepfli Partner eine von Bäumen geprägte Grünanlage. Durch ihre Anordnung ergeben die Bäume eine Abfolge von Räumen mit unterschiedlicher Atmosphäre und Dichte. Ein «aktiver» Park für die Leute soll es werden, ein Grünraum zum Lesen, Spazieren, für Sport und Spiel «in der Tradition des Volksparks». Der namengebende Fluss, die Eulach, begrenzt den Park teilweise, durchfliesst ihn aber auch an einigen Punkten. Ausgedehnte offene Rasenflächen nehmen den Dialog mit dem Flussufer auf. Das Bett der Eulach wird verbreitert und der Zugang ans Wasser ermöglicht. Neben dem Park Ost gibt es einen westlichen Teil, der durch die Seenstrasse abgetrennt ist. Dort sind Pappelpflanzungen geplant, denn jene Umgebung ist stark von Industrie und Gewerbe geprägt.
Tausend als lichter Wald gepflanzte Stieleichen prägen den Ostteil des Parks. Darin eingestreut sind sogenannte «Cubes» als raumbildende Körper. Die gut drei Meter hohen und sechs Meter breiten Objekte sind weder Skulptur noch Pavillon. Sie sollen im Baumraum und in den dazwischen liegenden Wiesen eine starke Präsenz markieren und zum Anlehnen, Ruhen oder Klettern einladen. Ein weiteres Element sind geometrisch angeordnete Baumdächer aus Kirschen, Eschen und Taubenbäumen. Deren weisse Blüten werden ein «gewisses Glamour» verströmen; ihre strenge Anordnung setzt einen Kontrast zu den frei gestreuten Eichen. Da der Eulach-Park von seinem Innern aus gestaltet ist, muss er von den Besuchern gleichsam entdeckt werden. Er ist kein Landschaftspark, der einem bestimmten Programm folgt. Vielmehr hat er eine offene Struktur, erschlossen durch einen Spazierweg aus Ortbeton. Nicht das Formale steht im Vordergrund, sondern die Transparenz, die sorgfältige, sparsame Gestaltung, welche dem Bedürfnis der Parkbenutzer und dem Geist des Ortes gerecht wird.
Lichter Hain in Nebra
In der sanften, die Stadt Halle in Sachsen-Anhalt umgebenden Hügellandschaft fanden Raubgräber in einem Wald bei Nebra eine Himmelsscheibe, die vor 3600 Jahren entstanden ist und als älteste bekannte Himmelsdarstellung gilt. Heute präsentiert sich der Fundort bei Nebra als gerodetes Waldstück mit Resten eines Ringwalls. Ein dreissig Meter hoher Turm und ein Besucherzentrum sollen den Ort für die zu erwartenden Besucherströme attraktiver machen. Im Wettbewerb für die Neugestaltung der Waldlichtung, der im vergangenen April entschieden wurde, gewann Koepfli mit dem Konzept eines lichten Hains den zweiten Preis. Er betrachtet die Aufforstung der Lichtung als Referenz an die Geschichte des Ortes mit seiner besonderen Atmosphäre; die locker gestreuten Flaumeichen erinnern an die Tradition des Hains bei antiken Kultstätten, etwa im griechischen Delphi und Olympia.
Der nur noch fragmentarisch erhaltene Wall soll mit örtlichem Erdmaterial rekonstruiert und der ganze Bezirk mit einem Sandbelag unterlegt werden. Zwei ringförmige Wege aus Betonplatten erschliessen die unterschiedlichen Fundorte und schicken die Besucher gleichsam auf eine Reise in die Vergangenheit. Haselnussgrosse Bronzestücke sind in die Wegplatten eingelassen; sie symbolisieren den Sternenhimmel. Drei Zitate von Heinrich Schliemann, Ingeborg Bachmann und Albert Einstein sind in die Platten des inneren und äusseren Rundwegs sowie am Fundort der Himmelsscheibe eingraviert. Sie beschäftigen sich mit Fundstücken oder mit dem Thema Zeit.
Wie der Park an der Eulach in Winterthur zeichnet sich auch das Projekt von Nebra durch eine stark landschaftlich geprägte Gestaltung aus. Koepfli ordnet seine Arbeiten nicht einem bestimmten Programm unter, sondern versucht den jeweiligen Ort stets neu zu erfahren. So zum Beispiel auch in der im Jahr 2001 ausgeführten Umgebungsgestaltung vor dem Hotel Schweizerhof in Luzern. Als touristisch wirksames Zierelement und als optischen Schutz gegen den stark befahrenen Schweizerhofquai entwarf der Landschaftsarchitekt zwischen Trottoir und Zufahrt zum Haupteingang ein 45 Meter langes Betonelement, in das er eine Reihe von neun grossen und acht kleineren Trachycarpus-Palmen, die am Vierwaldstättersee winterhart sind, einpflanzte.
Dass die Landschaft manchmal auch als abstrakte Metapher erscheinen kann, zeigt die Gestaltung des Pausenhofs für die Bezirksschule Buttikon am oberen Zürichsee von 2001. Die Strukturierung des Platzes mit Holzstreifen, die gleichzeitig Sitz- und Spielelement sind, nimmt die Idee der traditionellen Holzplattformen in der einst sumpfigen Linthebene auf. Die rhythmischen Streifen werden auch in der Parkplatzzone weitergeführt, wo sich Kiesrasen und chaussierte Flächen - unterbrochen von Silberweiden - abwechseln. Strukturen der umgebenden Landschaft werden aufgenommen und in eine minimalistische Gestaltung umgesetzt, die spielerisch den Dialog mit der strengen Architektur des Schulhauses der Luzerner Architekten Graber & Steiger (NZZ 4. 4. 03) aufnimmt.
Inszenierte Natur
Der Zürcher Landschaftsarchitekt Günther Vogt in Basel
In seinen Arbeiten, die von der Masoala- Regenwaldhalle des Zürcher Zoos über die Umgebungsgestaltung der Tate Modern in London bis hin zu privaten Gartenanlagen reichen, stehen für den Zürcher Landschaftsarchitekten Günther Vogt die Vegetation sowie das Gestalten mit Pflanzen und vor allem mit Bäumen im Vordergrund. Sein international vielbeachtetes Büro Vogt Landschaftsarchitekten, das im Oktober 2000 aus der Partnerschaft mit dem früh verstorbenen Landschaftsarchitekten Dieter Kienast hervorgegangen ist und derzeit 25 Mitarbeiter in Zürich und München beschäftigt, konnte in den letzten vier Jahren eine breit gefächerte Palette von Projekten in Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, der Schweiz und den Vereinigten Staaten realisieren.
Boden aus gestampftem Lehm
Wie soll eine Ausstellung über Landschaftsarchitektur, die sich mit den Phänomenen Natur und Garten auseinandersetzt, attraktiv gestaltet werden? Das Architekturmuseum Basel hat in seinen neuen Räumen im Gebäude der Kunsthalle einen sinnlichen Zugang zum Thema gewählt und verzichtet weitgehend auf die gewohnte Inszenierung mit Plänen, Fotos und Modellen. Besucher nähern sich dem Kosmos und dem Werk von Günther Vogt auf einer historisch-naturwissenschaftlichen Ebene, in welcher die im 19. Jahrhundert übliche Sammel- und Katalogisierungsleidenschaft von Naturforschern dargestellt wird. Mit Leihgaben aus naturhistorischen Museen und Universitätssammlungen wird ein dicht an dicht gefügtes Naturalienkabinett auf Tischen und an Wänden ausgebreitet: Käfersammlungen neben Schmetterlingskästen, Pflanzenpräparate in Alkohol neben Herbarien, Botanisierbüchsen und fotografische Platten neben Schlangenhäuten und ausgestopften Tieren.
Vom Naturalienkabinett führt der Weg in einen abgedunkelten Raum, der nach feuchter Erde duftet und in grossformatigen Videobildern von Pflanzendetails und krabbelnden Kleintieren die Sinnlichkeit der Natur zeigt. Man geht über einen dunkelbraunen Boden aus Tonerde und lauscht sphärischer Musik. Die Bilder zeigen Ausschnitte aus dem künstlichen Urwald in der Masoala- Halle im Zoo Zürich, der Bodenbelag erinnert an die von Vogt gerne verwendeten Mauern aus Schichten gestampften Lehms.
Vertikaler Garten
Der dritte Raum ist dem Thema Natur und Künstlichkeit gewidmet. Ein Metallrahmen, in welchem an einem Plasticgeflecht epiphytisch lebende Pflanzen befestigt sind, die mit wenig Licht und Wasser auskommen, unterteilt den Raum. Auf zwei Bildschirmen sind ein Gespräch mit Vogt und eine Auswahl seiner Werke zu sehen. Der Landschaftsarchitekt spricht über den Wildwuchs und die gezähmte Natur in der Stadt, über das «Dazwischen» von gestalteter und natürlicher Landschaft, über «das Buch der Natur», welches er als ein «Buch des Scheiterns» bezeichnet, und über seine Vorliebe für die Gestaltung von Landschaftsräumen mit Bäumen. Dabei haben es ihm die Birken in ihren verschiedenen Erscheinungsformen ganz besonders angetan. Als Spontanbesiedler von Brachflächen wächst dieser Baum sehr schnell und ergibt bald ein schönes Bild, etwa in dem vor vier Jahren vollendeten Garten des Klubhauses der Swiss Re in Zürich, wo Maiglöckchen zwischen den weissen Birkenstämmen wachsen und im Frühjahr für einen betörenden Duft sorgen. Andere Bäume, zum Beispiel Föhren, Lärchen, Gelditschien, Ginkgo und Nussbäume, die von 2007 an den Bahnhofsplatz in München-Giesing verschönern sollen, hat Vogt wegen der Farbe ihrer Stämme, der Textur ihrer Rinde oder des Dufts der Blüten ausgewählt. Gemäss dem Motto «Das Wachstum der Bäume braucht Zeit und Landschaftsgestaltung Geduld» versteht Vogt die Arbeit des Landschaftsarchitekten als kulturellen Akt; er gibt etwas an die folgenden Generationen weiter.
Leinengebundene Folianten liegen im letzten Raum auf einem massiven Bibliothekstisch. Das Publikum soll in den Büchern mit den Aufschriften «Landschaft», «Park», «Platz», «Garten», «Promenade», «Hof», «Indoor», «Friedhof» und «Ausstellung» blättern. Sie enthalten in grossformatigen Farbfotos und einem knappen Text teils geplante, teils sich in Ausführung befindende Projekte des Büros Vogt Landschaftsarchitekten. Die sorgfältige Analyse einer gestalterischen Aufgabe und die genaue Auseinandersetzung mit den Ansprüchen an das jeweilige Projekt sind typisch für die Arbeitsweise des Büros; deshalb auch die Unterteilung des weit gefassten Themenbereichs Landschaftsarchitektur. Ob es allerdings sinnvoll ist, die Halle des im Buch «Indoor» vorgestellten gläsernen Novartis-Verwaltungsgebäudes von Diener & Diener in Basel mit mächtigen, direkt aus den Tropen importierten Bäumen zu bestücken, bleibe dahingestellt. Die Bäume sollen über alle Geschosse wachsen; wie im Urwald werden etwa im zweiten Geschoss die auf den Ästen wachsenden Orchideen zu sehen sein, und weiter oben wird man in die Baumkrone mit ihren Lianen blicken!
[ Bis 30. Januar 2005. Katalog: Von Büchern und Bäumen. About Books and Trees. Vogt Landschaftsarchitekten. Hrsg. Architekturmuseum Basel, Basel 2004. 77 S., Fr. 49.-. ]
Natur und Architektur im Dialog
Gestaltete Landschaftsräume von Moser und Nussbaumer
Seit 1997 haben Heinz Moser und Roger Nussbaumer, die Zürcher Repräsentanten des Basler Büros Burckhardt Partner, mit Bauten wie der grossen Park-Laube in Zürich Oerlikon auf sich aufmerksam gemacht. Ihre grösste Herausforderung ist zurzeit das Wukesong Cultural and Sports Center für die Olympischen Spiele 2008 in Peking.
Die durch Erlebnisse in der Natur und die Auseinandersetzung mit der kultivierten Landschaft gewachsene Beziehung zur Umwelt bestimmt den Dialog zwischen den meist schnörkellosen, transparenten Bauten von Heinz Moser und Roger Nussbaumer und einer bald üppig wachsenden, bald gebändigten und zurechtgestutzten Pflanzenwelt. Diese wird von ihnen im öffentlichen Raum oder in den Übergängen zum halböffentlichen Bereich inszeniert. Den Zwischenräumen, dem Dialog von innen und aussen gilt denn auch die besondere Aufmerksamkeit der beiden Architekten, die seit 1997 Partner und Leiter der Zürcher Zweigstelle des Basler Büros Burckhardt Partner sind. Durch ihre Tätigkeit in aller Welt wurde nicht zuletzt ihr Glaube an die Landschaftsqualität der Schweiz gestärkt, der sie bei ihren Planungen viel Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Der Park als Riesenlaube
Der MFO-Park, benannt nach der Maschinenfabrik Oerlikon, ist eine der vier Grünflächen im neuen Zentrum Zürich Nord. Das Areal mit einer Länge von 100 und einer Breite von 35 Metern ist für einen traditionellen Park wohl zu klein, für einen Platz indes eher zu gross. Der 2001 ausgeführte Entwurf von Moser Nussbaumer tritt deshalb als grünes «Park-Haus» in Erscheinung - oder als überdimensionierte Pergola, die aus 33 Tonnen Stahlträgern, 30 Kilometern Drahtseilen, 870 Quadratmetern Holz- und Gitterrosten und 1200 Kletterpflanzen besteht. Eine in zwei Ebenen unterteilte Stahlkonstruktion, die über Wege und Treppen bis aufs Dach begehbar ist, umspannt den Platz und bildet so eine Art Halle. Diese erinnert an barocke Lauben und an die Grossbauten der hier ehemals ansässigen Industrie. Ihre Atmosphäre erhält die zusammen mit dem Landschaftsarchitekturbüro Raderschall realisierte Halle durch die Umhüllung mit unterschiedlich hoch wachsenden Kletterpflanzen: von Rosen über Glyzinien bis zu Jungfernreben. Die Park-Laube entpuppte sich als Wurf, verändert sie doch ständig ihr Aussehen durch die wechselnden Farben von Blüten und Blättern.
Anders als der MFO-Park, der schon dreimal eine internationale Auszeichnung erhielt, obwohl laut Nussbaumer «seine Frisur, seine pflanzliche Umhüllung, noch gar nicht ihre volle Dichte erreicht hat», blieb die Idee für ein Hotel- und Service-Center auf dem Flughafenareal in Zürich Kloten lediglich Projekt. Die Architekten sahen die gezielte Inszenierung eines Hügels vor, der sich im Lauf der Zeit zu einer Vielfalt von Lebensräumen entwickeln sollte. In gebührendem Abstand wollten sie einen dreigeschossigen gläsernen Gebäudekörper ringförmig um den Hügel legen. Dessen Fassade wäre mit einem aus Blüten- und Pflanzenformen gestalteten Ornament geschmückt worden. Das Hügel-Biotop sollte hier zum Thema gemacht und der Grünraum in den Gebäudering hineingeholt werden, wobei die gewachsene Natur - wie auf einer Bühne inszeniert - die Hauptattraktion geblieben wäre.
Vertikale Gärten
Direkt am Ufer des Zürichsees in Küsnacht liegt das 1927 erbaute Kesselhaus der Firma Terlinden. Bei diesem Projekt befanden sich die Architekten auf einer Gratwanderung: Wie viele Eingriffe waren zu verantworten, wie viel Altbausubstanz sollte bestehen bleiben? Beton, Glas und schwarzer Stahl machen nun aus dem Zeugen des Industriezeitalters einen modernen Büroloft. An Stelle der weniger wertvollen Nebenbauten entstand ein transparenter Neubau als Empfangsraum. Um zwei Geschosse aufgestockt und mit Glas verkleidet wurde der ehemalige Öltankraum, der zusammen mit dem imposanten Schornstein einen markanten Akzent setzt. Ein Schilffeld beim Eingang sorgt bei der An- und Abfahrt der Besucher für Bewegung und Geräusche. Gegen den See hin wird das Gelände durch einen Grüngürtel, Kiesflächen und ein Bootshaus bestimmt.
Gegenwärtig im Bau ist ein klassisches Wohn- und Geschäftshaus in Zürich Altstetten, dessen vier Volumen einen luftigen, lärmgeschützten Wohnhof bilden. Statt der üblichen Baumlinie zur Strassenseite bauen die Architekten einen von ihnen «Greenwall» genannten vertikalen Garten. An Kletterhilfen winden sich entlang eines Teils der Gebäudefassade Glyzinien empor. Dazwischen entsteht ein Durchgang für Fussgänger, eine Art Zwischenklimazone. Das Grün verleiht dem einfachen Volumen des Baus den nötigen Akzent und setzt gleichzeitig ein Zeichen zum öffentlichen Raum hin. Hier zeigt sich, wie die Architektur von Moser und Nussbaumer sich durch einen sorgfältigen Umgang mit den Materialien auszeichnet; diese behalten ihren Eigenwert, bleiben stets sichtbar. Hauptthemen sind Raumvolumen und Stimmungen. «Beton ist für uns Beton», meint Moser, «Eisen kann vielleicht schwarz sein, auch Aluminium ist möglich - wir bevorzugen eine gewisse Zeitlosigkeit.» Das heutige Modethema Farbe dagegen behandeln die beiden Architekten mit grosser Zurückhaltung.
Im Jahr 2002 gewannen Moser und Nussbaumer mit Burckhardt Partner den 1. Preis im Wettbewerb für das Wukesong Cultural and Sports Center der Olympischen Spiele in Peking 2008. Seit 50 Jahren wird im Westen der Metropole ein 43 Hektaren grosses, ummauertes Stück Land als grüne Lunge für die darum herum wachsende Stadt freigehalten. Während alle übrigen Anlagen für die Olympischen Spiele im Norden der Stadt entstehen sollen, kommen das Wukesong-Basketball-Stadion und sein Park ziemlich zentral und interessanterweise auf derselben Achse wie die Verbotene Stadt, die ehemalige kaiserliche Residenz, zu liegen. Von chinesischer Seite wurden einerseits grüne Olympische Spiele, anderseits aber auch Bauten gewünscht, die höchsten technischen Ansprüchen genügen. Moser und Nussbaumer entwarfen einen Kubus mit darin eingebautem Stadion. Die Seitenwände dieses Würfels sollen als riesige Bildschirme ausgebildet werden, auf denen die sich im Park aufhaltenden Zuschauer die Vorgänge im Stadion mitverfolgen können. Diese farbigen LED-Wände machen den Würfel gleichsam zu einer Skulptur.
Das Stadion im Obstgarten
Die von ihnen ursprünglich vorgeschlagene Parkidee war ebenso ungewöhnlich wie der Stadion-Würfel: Ein «essbarer Park», eine Art Paradies mit Obstbäumen und Gemüsekulturen sollte es sein! Die «essbaren Gärten» fanden indes bei den chinesischen Verantwortlichen keine Gnade; sie erinnerten wohl zu sehr an Landwirtschaft. Die Idee der Fruchtbaum-Reihen bleibt aber erhalten: Tausende von Bäumen sollen gepflanzt werden. Der Aushub für das Stadion dient der Geländemodellierung; das Wegnetz für die Fussgänger ist leicht erhöht, in den Senken dazwischen sollen verschiedene Grün- und Wasserbereiche als Themengärten entstehen. Zurzeit allerdings herrscht Baustopp für alle olympischen Projekte. Noch ist deshalb nicht klar, wie das Wukesong-Stadion und sein Park am Ende aussehen werden.
Endgültig gescheitert ist ein anderes ungewöhnliches Projekt: das 2003 entwickelte Modell für eine koptische Kirche in Toronto. In einem öden Aussenquartier der kanadischen Metropole planten Moser und Nussbaumer zwei sakral wirkende gläserne Kuben, in deren Innenraum mittels Lampen traditionelle Kuppeln angedeutet werden sollten. Das Gotteshaus hätte sich aus einer Wasserfläche erhoben, die landschaftliche Weite und Abstand von den sie umgebenden Profanbauten schaffen sollte. Einmal mehr hätte hier also die Architektur in der für Moser und Nussbaumer typischen Art in den Landschaftsraum ausgegriffen.
Grüner Parcours durch Bahnbrachen
Der dritte Gartensommer von Lausanne
Die Stadt Lausanne ist nach 1997 und 2000 erneut Schauplatz eines interdisziplinären Festivals von Landschaftsarchitekten, Künstlern und Gärtnern. Die Ausgabe 2004, deren Interventionen sich wie ein Band entlang stillgelegten Geleisen bis nach Renens schlängeln, kehrt zu den experimentellen Anfängen von «Lausanne Jardins» zurück.
Bei der Auswahl der 36 Gärten für die diesjährige Veranstaltung von «Lausanne Jardins» stand für den von der Stadt Lausanne beauftragten Generalkommissar, Francesco Della Casa, und die internationale Jury der Umgang mit dem öffentlichen Raum in den ihrer künftigen Entwicklung harrenden Bahn- und Gewerbebrachen im Vordergrund: von der zentralen Place de l'Europe bis nach Renens. Präsentierten sich anlässlich der letzten Ausgabe von «Lausanne Jardins» im Jahr 2000 die Festivalgärten noch als üppige Grünräume in ausgewählten Parkanlagen, haben sie in diesem Jahr eher den Charakter von Installationen in urbanen Räumen. So haben die bespielten Orte im Flon-Tal eine besondere Geschichte, wurden hier doch seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insgesamt fünf Geländeterrassen aufgeschüttet. Jedes Plateau besitzt seine eigene landschaftliche Identität: Der Ausgangspunkt im Herzen der Stadt zeigt ein neu entstehendes In-Quartier mit Cafés und Lofts, das Sévelin zeichnet sich durch ein Netz von Industriebrachen aus, im Sébeillon liegen die Gärten um einen stillgelegten Güterbahnhof, in Malley breiten sie sich rund um das Theater Kléber-Meleau aus. In Renens schliesslich sind die Gärten lediglich vom Zug aus zu sehen - als dreissig aufeinander folgende, grell orangefarbene Tafeln, die mit Streifen unterteilt sind und das Erlebnis der Geschwindigkeit thematisieren.
Natur und Artefakt
Jeweils an den Wochenenden können Besucherinnen und Besucher den als Fusspfad gestalteten Parcours von einem besonderen Zug aus erleben, der auf den alten Geleisen verkehrt. Eine weitere Attraktion sind die «multikulturellen Suppen», die jeweils am Freitagabend im Garten von Malley, genannt «Ecrous, baignoires et calebasses», ausgeschenkt werden. In diesem altmodischen Gemüse- und Kräutergarten gedeihen in Pflanzenkübeln, ausgedienten Brunnen, Badewannen und anderen abenteuerlichen Behältern eine Vielzahl einheimischer und fremder Pflanzenarten. Die Ausländervereinigungen haben hier eine Begegnungsstätte geschaffen. Ebenfalls in Malley, direkt an den Geleisen, liegt der mit einem ersten Preis ausgezeichnete Garten von Fabian Beyeler, Martin Gaissert und Sabine Merz aus Zürich und Köln, der das Thema der eingewanderten Pflanzen aufnimmt und sie mit typisch urschweizerischen Landschaftsausschnitten konfrontiert.
Besonders viele Gärten sind rund um den ehemaligen Güterbahnhof Sébeillon zu entdecken. Der poetische, mit einem ersten Preis ausgezeichnete «Jardin de Robert» von Alvaro de la Rosa Maura und Ana Mendez de Andes Aldama aus Madrid ist dem bescheidenen Ruprechtskraut, dem Geranium robertianum, gewidmet. In einer metallisch glänzenden Wand spiegelt sich leicht verzerrt der rötliche Teppich aus Tausenden von Pflanzen. So wie es die Gleisanlagen erobert, könnte das Urgeranium auch seine überzüchteten Verwandten aus den Balkonkästen an schweizerischen Häusern verdrängen. «Sol de Sol» von Filippo Pizzoni und Andrea di Franco aus Mailand gleicht einer grossen Wolke aus Maschendraht, an der sich in giftgrünen Behältern violett blühende indische Prachtwinden (Ipomea lobata) emporschlingen. Natur und Artefakt werden thematisiert; der luftige Garten ist dem Boden entwachsen, schafft gleichsam eine dritte Dimension. Kletterpflanzen erobern als vertikale Gärten ein Stück Natur zurück.
Der Reiz des Exotischen
In zahlreichen Arbeiten werden exotische Pflanzen thematisiert, die im aufgeheizten Stadtklima eine immer grössere Rolle spielen. Die witzige Installation «Belles échappées» der Agence Paule Green aus Paris zeigt einen schräg in einem Erdhügel steckenden Container. Vielleicht durch einen Unfall oder einen Sturm in diese Stellung gebracht, hat sich der seltsame Container seiner pflanzlichen Fracht entledigt; Bananensträucher und andere Einwanderer gedeihen jetzt auf dem Hügel und werden sich von dort ausbreiten. «Palmiers en transit» von Maria Carmen Perlingeiro aus Genf versammelt im Lager der Firma Palm-trans SA eine Gruppe von Palmen mit Etiketten, auf denen diesen eine bestimmte Funktion an irgendeinem Ort der Schweiz zugewiesen wird. Die Arbeit will so auf die sich wandelnden geoklimatischen Bedingungen hinweisen. Auf den Charakter des Flon-Tals mit seinem Netz aus Rampen und Treppen hingegen verweist die Arbeit «Escalier d'eau» von SPAX Architekten aus Biel. Die Wassertreppe besteht aus vier übereinander gestellten Containern, die mit Kies oder Seerosen gefüllt sind. Vom obersten Container aus lassen sich die tiefer gelegenen Wasserbecken betrachten. - Der gut zwei Stunden in Anspruch nehmende Parcours ist geprägt von sehr unterschiedlichen Sinneseindrücken, die Arbeit mit Pflanzen steht indes manchmal etwas zu sehr im Hintergrund.
Bis 17. Oktober (www.lausannejardins.ch).
Urnengräber in Waldlichtungen
Die Landschaftsarchitekten Vetsch Nipkow Partner
Mit ihrer subtilen Erweiterung der monumentalen, 1932 eröffneten Friedhofanlage am Hörnli in Basel haben die Zürcher Landschaftsarchitekten Vetsch Nipkow Partner einen intimen Ort der Begegnung in der Natur geschaffen. Auch bei der Gestaltung von Privatgärten verstehen sie es, mit den Strukturen des Geländes zu arbeiten und ein dichtes Geflecht von Bezügen zwischen Innen- und Aussenraum zu formen.
Der 1932 eröffnete Basler Zentralfriedhof am Hörnli wurde in Etappen bis 1960 realisiert. Die terrassenförmige Anlage zeichnet sich durch eine klare Mittelachse und eine geometrische Einteilung der Gräberfelder aus. Für die Erneuerung des von einer Strasse abgetrennten Urnenfriedhofs, der sogenannten Abteilung 12 im waldartigen oberen Teil, wurde 1995 ein Projektwettbewerb lanciert. Es galt, ein neues Urnengebäude zu gestalten, die Grabfelder durch ein Wegsystem zu erschliessen und den Wasserabfluss zu regulieren. Vom Frühling 2001 bis zum Frühsommer 2003 dauerten die Bauarbeiten, wobei die Landschaftsarchitekten Walter Vetsch und Beat Nipkow sowie die sie begleitenden Architekten, Eppler Mariani Schoop aus Baden, ihr ursprüngliches Projekt leicht modifizierten: Das 120 Meter lang und zweigeschossig geplante Urnengebäude wurde als zu massig empfunden und in Höhe und Länge reduziert. Die seltene und reiche Flora und Fauna des seit langem leer stehenden Friedhofteils sollte möglichst erhalten bleiben. Anhand eines ökologischen Begleitplans wurden Trockenwiesen und feuchte Orchideenstandorte ausgeschieden, die nun unberührt bleiben. In der Abteilung 12 ist so eine durchlässige Parklandschaft entstanden, die sich deutlich vom stark strukturierten unteren Friedhofsteil abhebt.
Geschwungene Linien
Am Fuss des Hügels bildet das 100 Meter lange Urnengebäude den Übergang in den neuen Friedhofsteil. Die farbigen Gläser, die als Verschluss der Urnennischen dienen, machen das mit einem Säulenportikus gegen den bekiesten Hauptplatz hin elegant rhythmisierte Gebäude zu einem leichten Raumgebilde, welches sich unaufdringlich in die Landschaft einfügt. Die lang gezogene Horizontale des Baukörpers sorgt für die Strukturierung des grosszügigen Platzes mit dem würfelartigen Urnenübergaberaum und der als Spiegel angelegten Wasserfläche. Eine leicht geschwungene Brücke aus Stahlblech öffnet den Zugang zu der von Baumgruppen geprägten Wiesenlandschaft, die über ein System von Rampen und horizontal verlaufende Fusswege erschlossen wird. Es sind sparsam gesetzte architektonische Eingriffe, welche die Wellenbewegungen der naturnahen Landschaft aufnehmen.
Parallel zu den Rampen mit eingelegten Treppenstufen verlaufen Kanäle für das Meteorwasser, das den See vor dem Urnenhof füllt. Vom Scheitelpunkt der Rampen aus schwingen sich mit Betonplatten belegte Fusswege niedrigen Stützmauern entlang und den Höhenkurven des Geländes folgend durch die bewegte Landschaft. An den Wegen gibt es drei von Mauerscheiben gefasste Ruheplätze, die von Barbara Mühlefluh mit in den Ortbeton eingelassenen Spiegeln künstlerisch gestaltet wurden. Eine drei Meter hohe Urnenmauer im oberen Teil bildet noch einmal eine Zäsur in der hainartig gestalteten Anlage. Durch einen tiefen Einschnitt in der Mauer gelangt der Spaziergänger zum Aussichtsplatz im Wald, in dessen Boden flache, spiegelnde Wasserflächen als Kunstelemente eingelassen sind. Von hier aus bietet sich ein herrlicher Blick auf die Stadt Basel, den Rhein und die umliegenden Höhen. Auf einer langen Reihe von Betonstufen, die einer unendlichen Leiter gleicht, gelangt man auf der Nordseite wieder hinunter zum Urnenhof.
Atmosphärische Anlagen
Die Grabfelder ober- und unterhalb der Wege sollen lediglich mit liegenden Grabplatten strukturiert werden. Zahlreiche Wiesenfluchten bleiben unberührt. Die schönen, sich aus Buchen, Hainbuchen, Kiefern, Lärchen und Ahornen zusammensetzenden Baumbestände und die selten gewordenen Magerwiesen verleihen der Anlage etwas Atmosphärisches, Natürliches. Wo es nötig war, etwa im unteren Bereich und entlang der Schneise zur alten Grabanlage im Wald, wurden neue Baumgruppen gepflanzt. Die poetische Qualität der bestehenden Landschaft spielt die Hauptrolle; die neu eingefügten Betonelemente ordnen sich ihr unter. So ist ein für unser Land einzigartiger Friedhofsnaturpark entstanden, dessen freie Form sich stark von den traditionellen Grabfeldern abhebt und einen besinnlichen Umgang mit dem Tod ermöglicht. Anders als die bekannten Waldfriedhöfe ist der neue Friedhof am Hörnli sehr durchlässig und ein unauffälliger Teil der umgebenden Landschaft.
Rund um eine Gründerzeitvilla am Zürichberg gestalteten Vetsch Nipkow Partner auf 600 Quadratmetern ein dichtes Geflecht von Beziehungen zwischen Innen- und Aussenraum. Auf verschiedenen Etagen breiten sich vielfältige Gartenräume mit mediterraner Atmosphäre aus. Ein Teil der Anlage wird von einer geschichteten Mauer aus gesägten Granitblöcken gefasst. In vielen ihrer Projekte überraschen Vetsch Nipkow Partner mit ungewohnten Oberflächen bekannter Materialien. So wirkt der gesägte Granit porös und scheint das herunterlaufende Wasser gleichsam aufzusaugen. Die mit Betonstreifen abgeschlossene Mauer dient auch als Wärmespeicher. Zusammen mit der in anderen Gartenräumen eingesetzten Vegetation - etwa lang gezogenen Hortensienpflanzungen - erzeugt sie eine illusionistische Tiefenwirkung. Auf der untersten Ebene breitet sich vor dem Gartenzimmer eine bekieste Terrasse mit Wasserbecken und in Betonrahmen eingelassenen Gemüsebeeten aus. Die beschränkte Fläche der schmalen und langen Räume überspielen die Landschaftsarchitekten mit einer reichen Raumstruktur.
Ein ganz anderer Privatgarten wurde auf einem zehn Hektaren grossen Grundstück am Rande einer Riedlandschaft verwirklicht. Zusammen mit den Architekten, die das frühere Ökonomiegebäude in ein zeitgemässes Wohnhaus mit grosszügigen Fensterfronten verwandelten, entwickelten Vetsch Nipkow Partner auch hier einen intensiven Freiraumbezug. Bis zu fünfzig Meter lange, mit Calemagrostis-Gräsern bepflanzte Streifen setzen Akzente in den gemähten Wiesenflächen, die vor dem Hintergrund von lockeren Gehölzgruppen stehen. Die vom Wind verursachten Wellenbewegungen der Gräser erinnern an Gestaltungselemente des grossen brasilianischen Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx. In die gemähte Wiese eingelegte Kiesflächen mit Sitzgelegenheiten erscheinen als helle Dekorelemente und ermöglichen einen Aufenthalt in der Landschaft. Den streng geometrischen Strukturen, die durch Betonstreifen und den Swimmingpool vor dem Haus gebildet werden, sind vergleichsweise wilde, grossflächige Pflanzungen als Übergang zur Landschaft entgegengesetzt.
Walter Vetsch und Beat Nipkow liegt viel daran, bei ihren Auftraggebern Begeisterung und Verständnis dafür zu wecken, dass die Entwicklung eines Gartens Zeit braucht. Für schnelle Instantkonzepte sind sie nicht zu haben. Sie sehen ihre Arbeit als einen «Rückwärts-Vorwärts- Prozess». In einer von überflüssigen Inhalten gereinigten Raumstruktur wird das Gelände mit Pflanzungen «wieder aufgeladen», um eine Stimmung zu schaffen. Bei Neu- oder Umbauten mit gleichzeitiger Gartengestaltung kommt der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Architekten eine zentrale Bedeutung zu, wobei die Landschaftsarchitektur den gleichen Stellenwert haben soll wie die Architektur.
Architektur und Landschaft
Neue Thurgauer Baukunst in der Kartause Ittingen
Der Kanton Thurgau mit seinen sanften Hügelzügen und der malerischen Seelandschaft wird gerne als vergleichsweise unberührter Erholungsraum wahrgenommen. Dass im Thurgau aber auch gebaut wird, dass zeitgenössische Siedlungen, Einfamilienhäuser, landwirtschaftliche und öffentliche Gebäude, Fabriken, Verwaltungsbauten und Brücken entstehen, zeigen eine Ausstellung in der Kartause Ittingen und ein Buch, welches das Thurgauer Bauen im 20. Jahrhundert beleuchtet. In der mit Baubeschreibungen, Fotografien, Karten sowie einem Gebäude- und Ortsverzeichnis ausgestatteten Publikation gibt Martin Steinmann, Professor an der ETH Lausanne, einen Überblick über die wegweisenden Architekturen der vergangenen hundert Jahre. So werden etwa die schweren, gebrochenen Dächer bei den Bauten der Jahrhundertwende als Ausdruck einer an die Landschaft angepassten Architektur verstanden, aber auch festgehalten, dass das Neue Bauen schon in den dreissiger Jahren im Thurgau Einzug hielt, etwa mit dem innovativen Betonhaus des Architekten Ernst Schindler in Egnach.
Auch moderne Mietshäuser entstanden in dieser Zeit, zum Beispiel die Häuserzeile von Paul Schumacher in Frauenfeld. Am Einfamilienhaus von Plinio Haas, 1958 auf der Ufermauer bei Frasnacht erbaut, fällt bei Fensterwänden und Geschossplatten die Reduktion auf abstrahierende Flächen auf. Einmalig im Thurgau ist das scheibenförmige, auf schrägen Stützen stehende Hochhaus, das Georges-Pierre Dubois 1960 als Apartmenthaus für die Angestellten der Firma Saurer in Arbon erbaute. Als gelungenes Beispiel der Eingliederung in einen städtischen Kontext darf das im Jahre 2000 vollendete Wohn- und Geschäftshaus von Vrendli und Arnold Amsler an der Zürcherstrasse in Frauenfeld gelten. Mit seinen Ein- und Anbauten an der hofseitigen Fassade nimmt es die kleinteilige Struktur der bestehenden Hinterhofbauten auf.
Vermittelt die Publikation einen Überblick über die gesamte Thurgauer Moderne, so präsentiert die Ausstellung in vier ehemaligen Mönchszellen der Kartause Ittingen modellhafte Bauten der letzten zehn Jahre. Jede Zelle ist einem Thema gewidmet. Diese Themen reichen vom «Bauen im Grünen» über «Wohnen auf dem Land» sowie «Kleine und grosse Schulhäuser» bis hin zu «Bauten in der Kleinstadt». Ergänzend zu diesem in sich geschlossenen Ausstellungsteil setzen sich im Korridor drei Fotoessays von Leo Fabrizio, Christa Ziegler und Nicolas Faure mit dem Spannungsfeld von intakter Landschaft und ihrer Nutzung auseinander. Damit zeigt die Schau auf eindrückliche Weise, dass Bauen im Thurgau oft den Bezug eines Baukörpers oder einer Siedlung zur offenen Landschaft bedeutet. So ist das Einfamilienhaus von Cyrill Bischof in Uttwil (2000) direkt am Bodensee gelegen. Der Holzständerbau, der auf einer Betonplatte zu schweben scheint, zeichnet sich durch eine streng gegliederte Fassade aus raumhohen Glasscheiben und Holzlamellen aus.
Zurückhaltend und doch als eigenwilliger, im Innern farbiger Baukörper tritt das Primarschulhaus mit angebauter Mehrzweckhalle von Staufer & Hasler in der dörflichen Struktur von Illighausen auf (1999). Die grau geschindelten Fassaden aus Titan- und Zinkblech sowie die an das Urhaus erinnernde, schnörkellose Form des Satteldachs fügen sich ins gewachsene Ortsbild ein. Ein gelungenes Beispiel für einen öffentlichen Bau ist der «kristalline Solitär» der Empfangsstelle für Asylbewerber in Kreuzlingen von Beat Consoni (2002). Zwischen Bahnlinie und heterogenem Stadtgebiet angesiedelt, strahlt das Bauwerk mit dem geschlossenen Innenhof und den klaren Beton- und Glaslinien eine wohltuende Einheitlichkeit aus. Auskragende Dächer laden im geschützten Aussenraum zum Verweilen ein. - Der mit grossformatigen Fotos, Modellen und Plänen ausgestatteten Schau gelingt es, das Bauen mit all seinen Herausforderungen in einer bald intakten, bald von Verkehrswegen oder industrialisierter Landwirtschaft geprägten Landschaft überzeugend darzustellen.
[Die Ausstellung im Kunstmuseum der Kartause Ittingen dauert noch bis zum 22. Februar 2004. Begleitpublikation: Bauen im Thurgau. Architekturlandschaft des 20. Jahrhunderts. Hrsg. Hochbauamt und Kunstmuseum des Kantons Thurgau. Niggli-Verlag, Sulgen 2003. 272 S., Fr. 58.-.]
Architektur und Gesellschaft im Dialog
Neuer Auftritt der Zeitschrift „werk, bauen + wohnen“
Unter neuer Leitung und mit neuem, farbigerem Auftritt will «werk, bauen + wohnen», die traditionsreichste Schweizer Architekturzeitschrift, den Architekturdiskurs nicht nur mit den unmittelbar Beteiligten pflegen, sondern - breit abgestützt - mit Leuten aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kreisen. So kommen in der ersten Nummer des neuen «Werks», die dem Schulhausbau gewidmet ist, auch Pädagogen, Literaten und Kinder zu Wort. Diese geben ihrer Idealvorstellung von Unterrichtsräumen in phantasievollen Zeichnungen Ausdruck. Dem Kunsthistoriker Nott Caviezel stehen die beiden Architekten Martin Tschanz und Philipp Esch als Redaktoren zur Seite, während Christina Sonderegger wie bis anhin die Bereiche Innenarchitektur und Design betreut. Geplant sind Hefte zu verschiedenen Themen. Ausserdem wird in jeder Ausgabe über aktuelle Wettbewerbe, Bücher und Ausstellungen informiert. Sogar eine Kolumne ist im neuen «Werk» zu finden, in welcher der Kunsthistoriker Beat Wyss als Erstes einen philosophischen Blick auf die Kuckucksuhr wirft.
Im vorliegenden Heft skizzieren einführende Texte die Geschichte des Schulhausbaus im 20. Jahrhundert, die Wandlung des Schulhauses vom ehrfurchtgebietenden Palast über den aufgelockerten, um Höfe angeordneten Pavillonbau bis hin zum neuerdings wieder kompakteren, vielfach variierbaren Hallenbau. Fünf neuere Schulen werden einzeln vorgestellt, von denen der massige Baukörper des Oberstufenschulhauses von Jüngling & Hagmann in Thusis mit seinem farbigen Leitsystem im Innern und der attraktiven Verschalung mit horizontal angeordneten Lärchenholzbrettern im Äussern besonders auffällt. Daneben kommen auch architektonisch weniger bedeutende Gebäude zur Sprache. Hingegen vermisst man eine ausführliche Präsentation von Bauten und Projekten wie der Zürcher Hochschule Sihlhof von Christian Hönger und Lorenzo Giuliani, der geplanten grossen Schulanlage von Peter Märkli in Zürich Nord oder der Ecole de la Maladière des Wahlgenfers Andrea Bassi in Neuenburg, die aber immerhin in Martin Tschanz' Aufsatz über «Typologische Neuerungen im Schulhausbau» kurz analysiert werden. Gleichwohl erweist sich die erste Nummer des neuen «Werks» als vielfältig. Das gut lesbare, wenn auch etwas brav gestaltete Heft macht neugierig auf die kommenden Ausgaben, von denen die nächste dem Thema Komfort gewidmet ist.
[Schulhäuser. Ecoles. Schools. «werk, bauen + wohnen» Nr. 1/2, 2003. Verlag Werk AG, Zürich. 80 S., Fr. 25.-.]
Häuser als Lebensräume
Die Zürcher Architektin Lux Guyer in Aarau
Als erster selbständiger Architektin der Schweiz mit eigenem Büro an der Zürcher Bahnhofstrasse waren Lux Guyer (1894-1955) nicht zuletzt die Wohnbedürfnisse der modernen Frau ein Anliegen. «Wie verwandelt man», so fragte sie sich, «die altmodische Haushaltungsmühle, die die Frau in ihrer menschlichen Entwicklung und Erweiterung hemmt, in einen rationelleren und zugleich anmutigeren Apparat?» Als Lösung bot sich der Entwurf eines Typenhauses an, eines in Ansätzen industriell vorgefertigten Holzhauses, in welchem die Architektin ein «mittelständisches Einfamilienhaus» sah, das in seiner Raumaufteilung mit der Rückzugsmöglichkeit im Dachgeschoss der berufstätigen Frau entgegenkam. In der klar und abwechslungsreich gestalteten Lux- Guyer-Schau im Forum Schlossplatz in Aarau steht denn auch das 1928 für die Saffa, die Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit in Bern, entworfene Typenhaus im Mittelpunkt.
Das zweigeschossige, L-förmige Haus mit der durchgehenden Terrasse im Dachgeschoss vereinigt die Wohnlichkeit des englischen Landhausstils mit der Moderne des Neuen Bauens. Die längs und quer geführten Walmdächer und die Fassade aus roten Eternitschindeln strahlen Wärme aus, die grossen, teilweise über Eck angelegten Fenster sorgen für lichtdurchflutete Räume. Sichtachsen, Lichtachsen und Bewegungsachsen, überraschende Raumkombinationen, aber auch originelle Deckenstrukturen, zweifarbige Küchenböden, Schwingtüren und eingebaute Schränke machen für Ausstellungsgestalterin Beate Schnitter den Kern des Bauprogramms von Lux Guyer aus. Nach der Saffa wurde der Prototyp des Hauses von der Familie Kunath-Schinkel aus Aarau erworben, dort neu aufgebaut und später erweitert. Das erste Fertighaus der Schweiz soll nun erneut in seine Teile zerlegt und in Stäfa als Domizil des Eltern-Kind-Zentrums wiederaufgebaut werden.
Den vier Ausstellungsräumen ist jeweils eine Farbe zugeordnet, wobei Rot für den Raum mit dem Saffa-Haus steht, Blau für die grossen Villenprojekte in der Region Küsnacht, Grau für die Frauenwohnkolonien, zum Beispiel den Lettenhof in Zürich mit seinen funktionalen Kleinwohnungen, und Weiss für die letzte Arbeitsphase Lux Guyers, die weissen Häuser, die Einflüsse des amerikanischen Kolonialstils zeigen und mit versteckten Symmetrien arbeiten. Auf die grossformatigen, farbigen Fahnen an den Wänden sind Aussen- und Innenansichten der Häuser, Pläne, Texte und Porträts der Architektin aufgedruckt. Vitrinen mit originalen Farbstift- und Tuschzeichnungen sowie ein 1925 entworfenes, als Schrank oder Büchergestell verwendbares, blau und grau gestrichenes Element zeigen die originelle, an den Bedürfnissen des Alltags orientierte Arbeitsweise der Architektin. Die ausführlich dokumentierten vier Themenbereiche vergegenwärtigen nicht nur ein Stück Schweizer Architekturgeschichte, sondern werfen auch einen Blick auf den Alltag der berufstätigen Frau.
[ Die Lux-Guyer-Ausstellung im Forum Schlossplatz in Aarau dauert bis zum 26. Januar. ]
John Soane und die Schweiz
Eine Ausstellung in Basel
Auf der Rückreise von seiner drei Jahre dauernden Grand Tour nach Italien lernte der englische Architekt John Soane (1753-1837) in der Schweiz die Holzbrücken der Gebrüder Johannes und Hans Ulrich Grubenmann kennen. Er studierte sie eingehend in Schaffhausen, Reichenau und Wettingen. Fasziniert von den kunstvoll funktionalen Bauten fertigte er von ihnen freie Federzeichnungen, aber auch Studien von Konstruktionsdetails an. Diese kostbaren Blätter sind zurzeit in einer Wanderausstellung (NZZ 18. 6. 02) im Architekturmuseum in Basel zu sehen. Sie werden ergänzt von eindrücklichen, zum Teil originalen Modellen der Grubenmann- Brücken sowie durch Radierungen, Zeichnungen und Gemälde verschiedener Künstler des 16. bis 18. Jahrhunderts zum Thema Holzbrückenbau.
[ Bis 2. Februar im Architekturmuseum Basel. Anschliessend im Sir John Soane's Museum in London. Katalog: John Soane e i ponti di legno svizzeri. Architettura e cultura tecnica da Palladio ai Grubenmann. Hrsg. Angelo Maggi und Nicola Navone. Archivio del Moderno, Mendrisio 2002. 223 S., Fr. 50.-. ]
Grüne Entdeckungsreise
Ein Führer zur Schweizer Landschaftsarchitektur
Mehr als zwanzig Jahre nach dem Gartenführer der Schweiz von Eeva Ruoff (Freiburg 1980) liegt erstmals ein umfassender Band zur Landschaftsarchitektur aus allen Regionen unseres Landes vor, der mit der Beschreibung von gut vierhundert ausgewählten Gärten und Parks die Entwicklung von mittelalterlichen Objekten bis zu solchen des 21. Jahrhunderts dokumentiert.
Das Schwergewicht der mit einem beschreibenden Text, einem Bild oder Plan und den nötigen technischen Angaben dargestellten öffentlichen und privaten Grünanlagen liegt dabei auf den neuern und neusten Tendenzen. So werden etwa aus der Region Zürich viele wichtige, meist vom Büro Kienast Vogt Partner in den vergangenen zwei Jahrzehnten verwirklichte Gärten vorgestellt, die sich auf Anfrage bei den Eigentümern auch besuchen lassen. Eine Qualität des sehr gründlich recherchierten Führers sind neben seinem handlichen Format und der schönen Aufmachung auch die einleitenden Aufsätze zur Geschichte der Schweizer Landschaftsarchitektur, zu ihrer Qualität im internationalen Vergleich.
Wie es sich für einen Führer gehört, nehmen die anschaulich geschriebenen Texte zu den einzelnen Gärten keine Wertung vor, sondern versuchen, die Lust auf eine grüne Entdeckungsreise in der Schweiz zu wecken. Dass die Landschaftsarchitektur in unserem Land in einer langen Tradition steht und sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts in äusserst vielfältiger Art weiterentwickelt hat, belegt das nützliche Handbuch auf eindrückliche Weise.
[Udo Weilacher und Peter Wullschleger: Landschaftsarchitekturführer Schweiz. Hrsg. Bund Schweizer Landschaftsarchitekten. Birkhäuser-Verlag, Basel 2002. 448 S., Fr. 61.-.]
Eine Stadt im Umbruch
Urs Füsslers Berliner Projekte in Basel
Zum zweiten Mal erteilt das Architekturmuseum Basel einer Architektengemeinschaft «Carte blanche» für eine von ihnen gewünschte Präsentation. Diesmal ging die Einladung an das Büro «sabarchitekten»; die vier jungen Basler luden ihren ehemaligen Studienkollegen Urs Füssler ein, seine Berliner Projekte vorzustellen. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist Hermann Henselmanns «Haus des Lehrers» am Alexanderplatz, in welchem Kulturschaffende unterschiedlicher Sparten gemeinsame Projekte erarbeiten. Auf grossformatigen Fotos ist neben Sozialbauten im Märkischen Viertel oder der sechsspurigen Leipziger Strasse eine Innenansicht eines Tonstudios im «Haus des Lehrers» zu sehen. Diese Bilder, welche den Einstieg in die Ausstellung markieren, zeigen Skizzen und Montagen von Orten Berlins, um ein Stimmungsbild der Stadt zu geben, städtebauliche Probleme vor dem Hintergrund der eigenen Arbeit anzusprechen. Auf einem stimmungsvollen Bild hält die Künstlerin Heike Klusmann mit ihrer Lochkamera in einer Art Negativaufnahme die Häuser um den Alexanderplatz fest.
Im Weiteren sind farbige Perspektiven von Architekturen und Zeichnungen zu sehen, welche Projekte Urs Füsslers aus den Jahren 1997-2002 zeigen; besonders eindrücklich sind die kühn gebogenen Fensterfronten des «Fellinihauses», die gleichsam frei über dem Boden zu schweben scheinen und interessante Schatten werfen. Wie ein Glaskörper hebt sich auf einem anderen Bild das Modell des Jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrums mit der Synagoge vom nachtblauen Grund des St.-Jakob-Platzes in München ab. Dieses Projekt ist gemeinsam mit den eindrücklichen Querbauten der Leipziger Strasse und dem Dreieckshaus vom Umbau des Hansaviertels in der Ausstellung auch als imposantes Modell gegenwärtig. Die rohen Sperrholzmodelle wurden vom Architekten an Ort und Stelle mit Magneten zusammengesteckt und beeindrucken durch ihre Dimensionen, aber auch durch ihre luftige Transparenz. Zusammen mit den Bild- und Plansequenzen an den Wänden wird Berlin als Stadt im Umbruch gegenwärtig - die grosszügige Gestaltung der Ausstellung nimmt die Dimensionen der Metropole auf.
[Bis 27. Oktober im Architekturmuseum Basel. Kein Katalog.]
Baumhaine und Pflanzenbänder
Der Landschaftsarchitekt Daniel Ganz
Das Interesse von Daniel Ganz richtet sich zum einen auf die Instandstellung und Weiterentwicklung historischer Gartenanlagen. Zum andern gelingt es ihm im privaten Hausgarten wie in öffentlichen Anlagen, die zeitgenössische Formensprache der Architektur mit abwechslungsreichen Bepflanzungen zu einem Ganzen zu verschmelzen.
In den Jahren praktischer Tätigkeit in Kingston auf Jamaica, wo er den Haupteingang der University of the West Indies gestaltete, lernte Daniel Ganz die tropische Pflanzenwelt kennen, die ihn in seiner Arbeit bis heute begleitet. So wählte er zum Beispiel Kletterpflanzen aus Brasilien, Mexiko und Indien zur Begrünung der transparenten Höfe im neuen Dock Midfield des Zürcher Flughafens. Anfänglich beschäftigte er sich nach seiner Rückkehr in die Schweiz häufig mit denkmalpflegerischen Arbeiten und lernte so den verantwortungsvollen Umgang mit dem historisch Gewachsenen kennen. So geht es ihm bei der Bestandesaufnahme des Gartens, der das Zürcher Atelier des Malers Arnold Böcklin umgibt, um die Frage, wie die vernachlässigte Anlage in einen Zustand gebracht werden kann, welcher der Gedankenwelt Böcklins entspricht und gleichzeitig die Bedürfnisse der neuen Nutzung abdeckt. Den zeittypischen Felsengarten mit Wasserbecken möchte Ganz wiederherstellen, aber auch einen direkten Eingang von der Strasse her anlegen. Zusammen mit diesem könnte zudem ein kleiner Vorgarten entstehen, wie er für das durchgrünte Stadtquartier typisch ist.
Architektonisch gefasste Bepflanzung
Das Studium von Plänen, Photographien und Texten steht jeweils am Anfang einer gartendenkmalpflegerischen Abklärung, denn erst wenn er sich ein Bild des Vorhandenen gemacht habe, glaubt Ganz, könne daraus etwas Neues entstehen. In den noch erhalten gebliebenen historischen Parkanlagen ist manch gestalterisches Wissen verborgen, das heute gleichsam wiederentdeckt werden muss. So wurden etwa die geschwungenen Wege stets mit leicht erhöhter Mitte angelegt, die «einem ein erhabenes Gefühl verleiht und das Bühnenartige betont». Wie die Wegführung musste Ganz auch die korrekte Chaussierung von Kieswegen und -plätzen wieder erlernen, ebenso das Ziehen von Spalieren, das früher zum Allgemeinwissen jedes Gärtners gehörte. So sind denn Hecken, Kiesflächen mit darin eingelassenen Blumenbeeten, luftige Baumhaine, Spalierwände, von Kletterpflanzen umrankte Stelen, mit Beton abgesetzte Treppenstufen und Wasserbecken seine bevorzugten Gestaltungsmittel. Diesen alten Gartenbildern verleiht er eine zeitgemässe, gradlinige Formensprache, deren scharfe Konturen oft von üppigem Pflanzenwuchs überlagert werden. Inspiriert von zeitgenössischen Landschaftskünstlern wie Ian Hamilton Finlay und David Nash und von Reisen zu den britischen Gärten, aber auch nach Marokko, sind in seinem Kopf Gartengeschichten und Vegetationsbilder entstanden, die er in seine eigenen Arbeiten umzusetzen versucht. Ganz spricht vom «geistigen Garten», von «Momentaufnahmen aus der Geschichte der Gartenkultur», die seinen Arbeiten zugrunde liegen.
Im zwischen 1995 und 2001 realisierten Garten Vieli-Wildi in Pfaffhausen wurde das Wohnen gleichsam nach draussen fortgesetzt. Vom oberen Sitzplatz des aus den sechziger Jahren stammenden Betonhauses geht der Blick auf drei mit geschnittenem Buchs bepflanzte Geländestufen. Die Kiesfläche setzt sich am Ende der Treppe fort und nimmt ein langgezogenes Blumenbeet sowie einen Pavillon in sich auf. Zwei gegeneinander verschobene Mauerscheiben und ein Band aus Bäumen schliessen den Garten gegen die Strasse ab. Vor dem Arbeitsraum wurde mit fächerförmig verlegten Stufen eine Art moderner «sunken garden» mit Schattenpflanzen gestaltet, der von geschnittenen Hecken gefasst wird. Föhre und Schlangenhautahorn rahmen diesen Gartenteil. Ebenfalls mit Bäumen arbeitet Ganz bei dem im Bau befindlichen Garten Belsito in Zürich. Ein Hain aus 16 Apfelbäumen prägt die unterschiedlichen Niveaus des dreigeschossigen modernen Holzhauses. Sieht man von der untersten Ebene einen Wald von Stämmen, so blickt man von der obersten Ebene über die Baumkronen hinaus auf den See. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten bietet der Hain, der sich im direkt zum Haus geführten langgezogenen Wasserbecken spiegelt, stets einen neuen Anblick.
Dock Midfield und Waschanstalt
Öffentlich zugängliche Grünanlagen erarbeitet Daniel Ganz in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Architekten, so etwa in der Überbauung Waschanstalt und im Flughafen-Grossprojekt Dock Midfield, die beide in Zürich mit den Büros Angélil Graham Pfenninger Scholl und mit Martin Spühler realisiert wurden. Sechs Pflanzenhöfe, die bis zu siebzehn Meter hoch sind, durchdringen als vertikale, verglaste Räume den neuen, noch nicht bezogenen Flughafenterminal. Im Innern dieser mit Temperatursteuerung und aufklappbarem Dach versehenen Höfe wachsen Kletterpflanzen aus Afrika, Asien und Amerika an Stahlseilen empor, wobei jeder Hof durch ein Pflanzenthema charakterisiert wird. Durch die Projektion des Pflanzenvorhangs auf die geätzte Glashülle wird diese zum Bildträger. Im nächtlichen Kunstlicht schimmern die Höfe als Leuchtkörper in der riesigen Wartehalle. Für Ganz sind sie moderne Interpretationen der Orangerien und der Glashäuser des 19. Jahrhunderts. Auf dem Dach des Terminals antwortet den Pflanzenhöfen ein Meer aus blauen Glasscherben, in welches achtzig Meter lange, mit Gräsern bepflanzte Gefässe eingelassen sind. Auf einem Nebengebäude ist eine Dachbepflanzung geplant aus immergrünen, hitzebeständigen Gräsern wie Koeleria und Sesleria, aufgelockert von blau blühenden Zwiebelgewächsen. Diese von Pflanzenbändern geprägte Dachlandschaft erinnert an die Gestaltungen des Brasilianers Roberto Burle Marx. Habitus, Blütenfarbe und Struktur der Pflanzen sollen mit der Architektur und der Fassadenfarbe einen Dialog aufnehmen.
Die direkt am Zürichsee gelegenen Um- und Neubauten der ehemaligen Waschanstalt galt es mit Bäumen, grosszügigen Pflanztrögen und Hecken zu fassen. Zitterpappeln und mit Federborstengras bepflanzte Betonbehälter markieren den seitlichen Vorplatz zwischen Strasse und Restaurant. Gestalterisch wird dieser Teil direkt in die langgezogene Eiben- und Hainbuchenhecke vor dem Wohntrakt zum See hin übergeführt. Mit luftigen Prachtkerzen, mit Iris und Lavendel bepflanzte Rabatten begrenzen die kleinen Privatgärten. Baumreihen aus tibetischer Bergkirsche beziehungsweise aus Gleditschien akzentuieren die seitlich gelegene Villa und den Backsteinbau an der Seestrasse. Die verschiedenen Pflanzenbilder setzen Kontraste durch unterschiedliche Farben, bilden indes in ihrer feinen Struktur und Textur eine Einheit.
Rasenwellen und Wasserflächen
Grünanlagen der Landschaftsarchitekten Kienast Vogt
Nach «Gärten» und «Aussenräume» liegt nun mit «Parks und Friedhöfe» der dritte und abschliessende Band zum Gesamtwerk des verstorbenen Landschaftsarchitekten Dieter Kienast vor. Befasste sich der ebenfalls dem grösseren Entwurf gewidmete Band «Aussenräume» mit der Umgebungsgestaltung von Geschäftshäusern, Siedlungen und öffentlichen Bauten, so ist «Parks und Friedhöfe» gleichsam der Königsdisziplin der Landschaftsarchitektur, dem städtischen Grünraum, gewidmet.
In ihrem Editorial definiert Erika Kienast- Lüder die Anforderungen an einen modernen Park, der ein breites Spektrum von Nutzungsmöglichkeiten abdecken muss und gleichzeitig in «ökologische und soziokulturelle Anforderungen» eingebunden ist. Dieter Kienast und seinem Partner Günther Vogt gelingt es, mit ihren Grünräumen auf den jeweiligen Ort einzugehen - sei es ein Schlosspark, ein Schwimmbad, ein Ausstellungsgelände, eine Seeufergestaltung oder ein Gräberfeld - und mittels Alleen, Kiesbändern, Stauden, Gräsern, Wasserwegen und vielfältigen Rasenmodellierungen ein spannungsvolles Ganzes zu schaffen.
Allen im Buch vorgestellten Parks ist eine poetische Ausstrahlungskraft eigen. Der Landschaftsarchitekt spielt hier wie in den Privatgärten mit den Gegensätzen von Natur und Künstlichkeit, von Ordnung und Wildheit, von intellektuellem Anspruch und romantischer Verklärung. Anspielungen auf Gartengeschichten aus vergangenen Zeiten oder auf Werke moderner Kunst binden die von Kienast Vogt gepflegte Landschaftsarchitektur in einen grösseren kulturellen Zusammenhang ein. Beton, Naturstein und Stahl sind neben einer Fülle unterschiedlichster Pflanzen die bevorzugten Gestaltungsmittel. Eine Vorliebe für Bäume, die sich durch besondere Rindenstruktur, einen schönen Habitus oder auffallende Blätter auszeichnen, ist offensichtlich. Die Pflanzen seien als städtische Elemente wiederzuentdecken, meinte Dieter Kienast und gab zu bedenken, dass die ganze Bandbreite der Vegetation beachtet werden müsse, auch das kahle Geäst im Winter oder zu Boden gefallene Blüten und Laub.
In neuen Anlagen für die Expo in Hannover oder die internationale Gartenschau 2000 in Graz arbeiteten Kienast Vogt zum einen mit kleinteiligen Räumen, in denen einzelne Themen, etwa der Erdgarten in Hannover, abgehandelt werden, zum andern mit grosszügigen Treppenanlagen und geometrisch überformter Topographie wie in Graz. Besonders angetan zeigten sich die Landschaftsarchitekten von der sogenannten Rasenwelle, einer bewegten Landschaftsmodellierung, die an Fürst Pücklers Pyramiden in Branitz oder Ernst Cramers «Garten des Poeten» am Zürcher Seeufer erinnert. Im Zürcher Freibad Allenmoos bringen Rasenwellen und Schlängelwege Dynamik in die offenen Spielflächen und kontrastieren mit den gradlinigen Schwimmbecken und Plattenwegen. Sich einfühlen in die Vergangenheit hiess die Aufgabe bei der Neugestaltung des Stockalper Schlossgartens in Brig (1999-2001). Keinen neobarocken Park sollte das Schloss erhalten, sondern einen würdigen Rahmen mit Heckenparterres, langgezogenen Wasserbecken, Terrassenmauern und einem filigranen Holzpavillon. Der vor imposanter Bergkulisse angelegte Friedhof Fürstenwald in Chur (1993-96) zeichnet sich durch die Einbindung in die Landschaft aus, welche mittels Höhenweg und Aussichtskanzel aus Betonpfeilern thematisiert wird. Den Rückgrat der Anlage bildet eine imposante Stützmauer, die den Park als silbernes Band gegen die offene Landschaft abgrenzt.
[ Dieter Kienast: Kienast Vogt. Parks und Friedhöfe. Birkhäuser-Verlag, Basel 2002. 300 S., Fr. 98.- ]
Landschaft, Architektur, Design
Das neu eröffnete Laténium von Laurent Chenu in Hauterive
Im Jahre 1986 wurde ein Wettbewerb für den Museumsbau des Laténium in Hauterive am Neuenburgersee lanciert, und erst fünfzehn Jahre später konnte das Haus an genau jener Stelle eröffnet werden, wo bei Bauarbeiten für die A 5 Funde aus drei bedeutenden prähistorischen Epochen, der Steinzeit, der Jungsteinzeit und der Bronzezeit, zum Vorschein gekommen waren. Der Genfer Laurent Chenu als Architekt, der Museograph Michel Etter und das Atelier Oï aus La Neuveville als Gestalter der Ausstellungsräume haben zusammen einen Erlebnisraum geschaffen, der den drei Funktionen Lernen, Zeigen und Konservieren dienen soll (NZZ 11. 10. 01). Vor fünf Jahren bereits wurde direkt am Seeufer ein Archäologiepark angelegt, in welchen nun das Museum gleichsam eingebettet ist. Blickachsen verbinden den lang gezogenen, holzverkleideten Bau mit seinen Aussenstationen im Park, der Schiffswerft, dem Grabhügel, dem Haus auf Pfählen und dem künstlich angelegten Fischteich. Da sich vor dem Bau von Park und Museum der See an dieser Stelle als seichte Uferzone präsentierte, wurde mit dem schilfbewachsenen «étang» Ersatz für den ehemaligen Lebensraum geschaffen. Der Fischteich, dessen Lage dem früheren, etwa drei Meter höheren Niveau des Sees entspricht, soll die Seelandschaft zeigen, wie sie vor der Juragewässerkorrektion (1879) hätte sein können.
Architektonische Aspekte
Von der Strassenseite her führt eine baumbestandene Esplanade den Besucher zum seeseitigen Eingang des Gebäudes, von wo sich ihm die Landschaft mit ihren unterschiedlichen Vegetationsbereichen und Schauplätzen öffnet. Die vorgeblendete Holzfassade aus einheimischer Douglasie gibt dem massiven Betonbau etwas Schlichtes, beinahe Archaisches, das gut zu seiner Funktion als Museum für Archäologie passt. Den Architekten interessierte der Wechsel zwischen der natürlichen, sanften Aussenhaut und dem kargen, harten Innern, das der Inszenierung des Lichts und der durch Farben definierten, unterschiedlichen archäologischen Zeitalter die Hauptrolle überlässt. «Wie ein reversibles Kleid, bei dem man im Innern ein anderes Material entdeckt», meint Chenu. Der Museumsteil des Gebäudes unterscheidet sich vom administrativen Bereich mit Bibliothek, Büros und Konservierungsateliers durch seine kompakte Aussenhaut, die seeseits von dem zentralen, schwarz umrahmten Aussichtsfenster definiert wird, das auf den Fundort der bronzezeitlichen Siedlung weist. Den Büroteil gliedern grosszügige Fenstereinschnitte, während die rückseitige Fassade asketisch und streng wirkt und erst mit der Zeit durch die wetterbedingte Ausbleichung der Holzschindeln eine gewisse Lebendigkeit erhalten wird.
Der Ausstellungsteil ist als offene Halle mit versetzten Ebenen konzipiert, die gleichsam den Gang hinab in die Kontinuität der Geschichte illustrieren wollen. Über eine Rampe und über Treppenstufen dringt der Besucher in die Tiefe der acht Epochen ein, von denen jede mittels Vitrinen, Lichtführung und Farben als eigener Raum gestaltet ist. Auch die unterschiedlichen Raumniveaus und -höhen unterstreichen die Gliederung der Ur- und Frühgeschichte, wobei nicht ganz klar ist, nach welchem Prinzip die Räume verteilt wurden. Die verglaste Öffnung des Museums über die ganze Höhe auf der Stirnseite gegen den Fischteich dient als Rahmen für den bei Bevaix im See gefundenen gallorömischen Lastkahn. Hier dringt das Haus am deutlichsten in den Aussenraum vor, wobei zusätzlich die Anlage eines römischen Gartens als Blickpunkt diskutiert wird. Die Öffnung findet ihr Pendant in der lichtdurchfluteten Eingangshalle, bevor man ins Halbdunkel der Geschichte abtaucht.
Vitrinen und Licht
Für die Innenraumgestaltung des Museums zeichnet das Grafik- und Designatelier Oï zusammen mit den Pariser Lichtspezialisten MC2 verantwortlich. Ihre klassisch schönen Vitrinen aus Kunstharz und geäztem Glas lassen sich beliebig aneinander reihen und gliedern so den Innenraum, wobei das Hallenprinzip erlebbar bleibt und immer wieder Blickachsen zwischen den verschiedenen Zeiträumen geschaffen werden. Die Stellung der sparsam eingesetzten Vitrinen und anderer Module passt sich den jeweiligen Exponaten an und schafft zusammen mit den wechselnden Farben, dem unterschiedlichen Lichteinfall und der Öffnung der Räume einen dynamischen Leitfaden für die Besucher. Wie in einem Film, auf additive Art, entwickelt sich langsam der Ablauf der Geschichte. Die auf massiven Sockeln gebauten Vitrinen erhalten durch den leicht abgesetzt angebrachten Glasteil eine Leichtigkeit, die durch das weiche Streulicht auf die Ausstellungsobjekte unterstrichen wird.
Das Farbkonzept baut zum einen auf Kontrasten auf; so sind etwa Fundgegenstände, die mit Wärme und Feuer zu tun haben, vor blauem Hintergrund zu erleben. Zum andern dienen die Farben als markierende, beschreibende Elemente; so werden die Objekte aus der Römerzeit, die dem Landleben einen grossen Stellenwert beigemessen hat, auf grüner Fläche präsentiert. Jeder Epoche ist ausserdem ein Thema zugeordnet, das auf einer Plattform mit Modellen illustriert wird, zum Beispiel die Baukunst der Römerzeit. Zusammen mit den Vitrinen rhythmisieren diese Plattformen den Raum. Insgesamt ein überzeugendes Raumkonzept, das sich als sehr variabel erweist und als Antithese zum Äussern des Gebäudes erscheint. Dieses wirkt mit seiner kompakten rückseitigen Mauer wie ein erratischer Block. Der Architekt sieht sein Haus als «musée des sites», als Museum der Schauplätze, das auch im Innern stets den Bezug zum Archäologiepark und zum See erlaubt.