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Passagen durch München
Neue Zürcher Zeitung

Herzog & de Meuron bauen in Bayern

8. März 2001 - Hubertus Adam
Welche Bedeutung ist architektonischer Qualität bei einer vom ökonomischen Kalkül des Investors bestimmten Bauaufgabe zuzubilligen? Als Herzog & de Meuron 1994 eingeladen wurden, den im Besitz der Hypobank befindlichen Gebäudekomplex westlich der Theatinerstrasse in der Münchner Innenstadt neu zu strukturieren, entschieden sie sich für ein prägnantes städtebauliches Konzept, eine klare Formensprache sowie für einen auf wenige Elemente reduzierten Materialeinsatz. Obwohl der «Fünf Höfe» titulierte Wettbewerbsentwurf der Basler Architekten mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, blieb er zunächst unrealisiert.

Die Fusion von Hypobank und Bayerischer Vereinsbank schuf 1997 eine veränderte Ausgangslage; der erste Bauabschnitt des revidierten Konzepts von Herzog & de Meuron konnte nun aber vor wenigen Tagen nach zweijähriger Bauzeit eingeweiht werden. Die Idee der an traditionelle Münchner Bautypologien (etwa die Höfe der Residenz) anknüpfenden Hof- und Passagenstruktur blieb bestehen, doch verbergen sich die Einbauten nun hinter den konservierten Putzfassaden, die - anknüpfend an historische Vorbilder - in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden sind. Einzig das Eingangsgebäude an der Theatinerstrasse wurde neu errichtet; vor die gläserne Fassade tritt eine Struktur aus gefalteten Bronzelochblechen, die als Sonnenschutz dienen. Im geschlossenen Zustand erscheint die Front als homogene Fläche, geöffnet rhythmisieren die senkrecht zur Bauflucht stehenden Metallelemente den Baukörper. Herzog & de Meuron variierten hier - wie auch an ihrem nahezu fertiggestellten Wohnkomplex in Paris - den schon an der Basler Schützenmattstrasse formulierten Gedanken einer als Lichtfilter und abstraktes Ornament zugleich fungierenden Metallhaut. Bleche derselben Gestalt wurden auch zur Verkleidung der Höfe im Inneren angewendet.

Mit ihrem System aus Höfen und Passagen schaffen Herzog & de Meuron Wege durch einen einst vornehmlich von den Banken genutzten und somit unzugänglichen Block im Herzen der Münchner City. Gesäumt wird das Erdgeschoss von Geschäften und Restaurants gehobenen Niveaus. Gerade dieses (auch optisch) heterogene Nutzungsspektrum erforderte ein selbstbewusstes architektonisches und künstlerisches Herangehen, das sich gegenüber den kommerziellen Reizen zu behaupten weiss. Den Basler Architekten ist der Spagat erstaunlich gut gelungen. Kernstück bildet die nordsüdlich ausgerichtete, derzeit erst zur Hälfte fertiggestellte Salvatorpassage. Auf der Gitterdecke in der Höhe stehen grosse Kübel, von denen zukünftig tropische Pflanzen in den Luftraum hinunter ranken werden.

Fertiggestellt dagegen ist der zur Theatinerstrasse hin gelegene Peruasahof, der durch einen in das erste Obergeschoss eingeschnittenen Schlitz zum Himmel hin geöffnet ist, sowie die Prannerpassage, welche den Komplex Richtung Westen durchsticht. Inspiriert von dem neobarocken Stadtpalais an der dortigen Kardinal-Faulhaber-Strasse, besticht die Wegführung durch eine organische Formung: In die wie die Innenform eines Handschuhs wirkende Passage, die sich am Ende in vier Schächte verzweigt, sind glitzernde Glaspailletten eingelassen - ein weiterer Beleg für die Abkehr der Basler Architekten von einem orthogonalen Rigorismus. Ergänzt wird die Architektur durch ein künstlerisches Konzept, mit dem Herzog & de Meuron Thomas Ruff und Rémy Zaugg betrauten. Zaugg gestaltet nicht nur fünf Treppenhäuser und die orientierenden Schriftzüge im gesamten Komplex, sondern lässt seine «mentalen Landschaften» auch in Form von in die Bodenplatten eingelassenen Wörtern in den Passagen anklingen. Ruff reproduzierte Fotos von Landschaften und Städten auf die Platten - in einem Verfahren, wie es schon bei der Bibliothek in Eberswalde Verwendung fand.

Von der Landschaft an den Ausgängen bewegt sich der Besucher auf seinem «rite de passage» bis hin zur Metropole - eine Idee, die sich zur Eröffnung allerdings nur erahnen liess, da die Verantwortlichen der Bank es nicht für nötig erachtet hatten, die künstlerischen Arbeiten von der Schmutzschicht der Baustelle zu befreien. Darüber, wer hier das Sagen hat, liess man die Vertreter der Medien ohnehin nicht im Zweifel: «Die Architekten halten sich im Hintergrund, wie es sich gehört», erklärte ein Mitglied der Geschäftsleitung der HypoVereinsbank.

Die Hypo-Kunsthalle wird im Mai wiedereröffnet, die Fertigstellung des gesamten Areals, an dem auch die Lokalmatadoren Hilmer & Sattler sowie der Tessiner Architekt Ivano Gianola beteiligt sind (im ursprünglichen Entwurf waren Rem Koolhaas und Hans Kollhoff vorgesehen), soll 2003 erfolgen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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