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Räumliches Talent gefragt
Der Standard

Architekt Klaus Jürgen Bauer über den Nutzen der Fertigteilindustrie für kreative Architekten.

24. März 2001 - Ute Woltron
Können Fertigteilhausproduzenten, Häuslbauer und Architekten zusammenfinden? Oder schließen Massenvorfertigung und Maßanfertigung einander aus? Der deutsche Architekt Klaus Jürgen Bauer, der in Eisenstadt lebt, hat sich empirisch mit dem Thema befasst und mit der Fertigteilindustrie zusammengearbeitet. Er findet, die beiden passen unter bestimmten Voraussetzungen sogar ausgezeichnet zusammen.

STANDARD: Sie attackieren die Produkte der Fertigteilhauskultur zwar heftig, gleichzeitig preisen Sie aber die Vorzüge der Vorfertigung. Wie geht das zusammen?

Bauer: Wir haben anhand mehrerer bereits fertig gestellter Projekte herausgefunden, dass individuell vom Architekten geplante Einfamilienhäuser, die sich die Vorteile der Fertigteiltechnologie zunutze machen, interessanterweise billiger waren als die fertigen Produkte, wie sie etwa in der Blauen Lagune ausgestellt sind. Gleichzeitig wiesen die Häuser die „Qualitätsstandards eines Architektenhauses“ auf, das heißt, sie waren den individuellen Bedürfnissen der Bauherrschaft angepasst und qualitativ und im Detail besser ausgestattet.

STANDARD: Wie kann ein Architekt mit den Fertigteilproduzenten zusammenarbeiten?

Bauer: Ganz einfach, wir haben die Häuser entworfen, dabei mit allen möglichen Konstruktionsarten und Technologien experimentiert und uns dann von der Industrie Fertigungsanbote legen lassen.

STANDARD: Gab es keine Animositäten zwischen den Konkurrenten Architekt und Fertigteilbauer?

Bauer: Überhaupt nicht, im Gegenteil. Die Produzenten sind tatsächlich sehr an Qualität interessiert und waren erfreut, anbieten zu können. Denn es ist ja nicht ihr Kerngeschäft, Grundrisse zu entwickeln. In Wirklichkeit hat es irgendwann einen Fertigteilanbieter gegeben, andere sind nachgefolgt, einer hat die Grundrisse des anderen abgekupfert. Architekten waren da in den seltensten Fällen involviert, deshalb schauen alle Häuser ziemlich gleich aus und bieten alle sehr ähnliche Grundrisslösungen an.

STANDARD: Sie meinen, die Zeit wäre reif für eine Zusammenarbeit, wie sie etwa Gustav Peichl eingegangen ist?

Bauer: Das Peichl-Haus ist leider nur ein weiteres Musterhaus und in diesem Sinne nicht besser als die anderen Lagunenhäuser.

STANDARD: Warum?

Bauer: Weil es dem Häuslbauer nur ein formales, fertiges Gesamtangebot macht, anstatt ihm diverse Optionen offen zu lassen. Wenn Architekten Fertigelemente verwenden, müssen sie ihr räumliches Talent quasi in den Dienst dieser kostengünstigen Technologie stellen, und nicht umgekehrt.

STANDARD: Wer sind eigentlich die Fertigteilkunden?

Bauer: Diese Technologie nützt allen Bauherren, die ein beschränktes Kapital zur Verfügung haben und reif dafür sind, ihre Klischeevorstellungen zu hinterfragen, die daran interessiert sind, energieschonend ein energetisch intelligentes Haus zu bauen.

STANDARD: Sie haben angesprochen, dass die von Ihnen entwickelten industriell fabrizierten Häuser billiger wären als die schon fixfertig konzipierten Blaue-Lagune-Haustypen. Können Sie das präzisieren?

Bauer: Wir bauen derzeit ein Holzhaus mit 130 Quadratmetern Nutzfläche und durchgängiger Qualität von der städtebaulichen Situation bis zur Türklinke. Es kostet genauso viel wie ein Musterhaus und hat den Mehrwert einer individuellen Gesamtlösung und ist daher billiger.

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