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Schule des Fortschritts
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Otto Wagner baute nicht nur selbst, er bildete auch großstädtisch denkende Architekten aus.

26. März 2001 - Matthias Osiecki
Zu seiner Zeit war Otto Wagner der einzige Architektur-Lehrer, der wusste, was zu tun war. Dieses Wissen gab er an seine Studenten weiter. Die Ausstellung „Otto Wagner und seine Schule“ im Kupferstichkabinett der Wiener Akademie der bildenden Künste, die am 28. März eröffnet wird, legt davon Zeugnis ab. Gezeigt werden eine Auswahl aus dem über 200 Blätter umfassenden Bestand von Architektur-Zeichnungen Otto Wagners sowie Projekte von drei seiner weniger bekannten Schüler: Oskar Felgel, Franz Kaym und Alfons Hetmanek.


Wagners vielfältiges Schaffen

Anhand von mehr als 20 Blättern wird aber auch ein Ausschnitt aus dem umfangreichen und vielfältigen Schaffen Otto Wagners dokumentiert. Es reicht von einem Entwurf des Justizpalastes aus dem Jahr 1874 (Aquarell) über einen Vorentwurf der Stadtbahn-Station Brigittabrücke (1894) bis zum Projekt „Miethaus Künstlerhof“ aus den Jahren 1917 und 1918.


Wagner als Lehrer

1884 wurde Wagner Nachfolger Karl Hasenauers, des Erbauers des Burgtheaters, als Leiter einer Spezialklasse für Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er gründete die Otto-Wagner-Schule, aus der zahlreiche bedeutende und prominente Architekten hervorgingen. Zu Wagners berühmtesten Schülern zählen u.a. Josef Maria Olbrich, Josef Hofmann sowie Josef Plecnik.


Unbekannte Schüler

Über mache Wagner-Schüler wie etwa über Oskar Felgel ist allerdings wenig bekannt. Die Ausstellung zeigt daher Felgls Studien zur „architektonischen Ausgestaltung der Nicaraguakanaleinfahrt“ aus dem Jahre 1901.

Von Franz Kaym (1891-1949) ist das nie verwirklichte „Idealprojekt“ eines „Schul- und Festhauses auf der Insel Lacroma“ aus dem Jahr 1913 zu sehen. Auf zwei Blättern in Bleistift, Feder und Kreide werden die Entwürfe für die Hotelfassade sowie für die Bühne der Arena anschaulich dargestellt. So finden sich auch genaue Angaben zur Innenausstattung. „Mit Ausnahme der Decke Mahagoni vertäfelt, vergoldetes Messing, dunkelrote Fauteuils, ocker Vorhänge,“ heißt es da.

Da sich Wagner Zeit seines Lebens für neueste Entwicklungen interessierte, ist es nicht verwunderlich, dass seine Schüler in den Jahren von 1898 bis 1914 bereits Flughäfen, Betonwolkenkratzer und Autorennbahnen entwarfen. Seine Schüler entwickelten Wagners Ideen oft auf höchstem Niveau weiter. Allerdings konnten die meisten Projekte aufgrund der wirtschaftlichen Umstände nicht in die Realität umgesetzt werden.


Verwirklichter Fortschritt

Nach dem Ersten Weltkrieg schloss sich Kaym mit seinem Studienkollegen Alfons Hetmanek (1890-1962) zusammen. Von ihm ist in dieser Schau der Entwurf „Lustgarten für Wien“ zu sehen. Zusammen verfassten sie 1919 die sozial fortschrittliche Publikation „Wohnstätten für Menschen, heute und morgen“. Damit eröffneten sie den Weg zum Wiener Gemeindesiedlungsbau der Zwischenkriegszeit.

Von Kaym und Hetmanek wurden aber auch die Siedlungen Flötzersteig und Elisabethallee sowie der Spiegelgrund in Wien errichtet. Weiters stammen von ihnen die Bahnhöfe Linz und Innsbruck. 1938 beteiligten sich beide Architekten am Wettbewerb zur Neugestaltung Wiens. Sie bekamen Aufträge für Kasernenbauten im Dritten Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Kaym wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft vorübergehend mit Arbeitsverbot belegt. Hetmanek gestaltete nach dem Krieg das „Filmtheater im Künstlerhaus“ (1948) sowie den Wiederaufbau des Theresianums (1962).


Was man von Wagner lernen kann

„Von Otto Wagner kann man lernen, dass der Architekt nicht die Großstadt zu gestalten hat, sondern dass er sich am wirklichen Leben der Großstadt zu bewähren hat, stellt Hermann Czech aus der Sicht des heutigen Architekten fest.“

Czech, vor kurzem als erster Österreicher mit dem Kunstpreis Berlin ausgezeichnet, hat sich bereits in den 60er Jahren mit dem Schaffen Otto Wagners auseinandergesetzt. Er ist aber auch in der Praxis mit dem Werk Wagners in Berührung gekommen. So zählte zu jenen, die sich vehement dafür einsetzten, dass die sogenannte Wiental-Brücke erhalten blieb. In den 80er Jahren hatte es ja Überlegungen gegeben, diese Wagner-Brücke aufgrund des Ausbaus der U6 ganz abzutragen bzw. als bloßes Baudenkmal zu erhalten.


Verbindung zu Otto Wagner

Ein eigenes Projekt, das mit dem Werk Otto Wagners in Verbindung steht, war Czechs Planung der U3-West-Ende der 80er Jahre. Es ist jener Abschnitt innerhalb des 15. Bezirks, der von Westen führend nach Norden abschwenkt und parallel zur Vorortelinie mit der Station Ottakring zu liegen kommt. Czechs Aufgabe war es, die U-Bahn an die Stadtbahn „anzudocken“ und eine Umsteige-Station zu errichten.


[Tipp:
„Otto Wagner und seine Schule“ - Ausstellung im Kupferstich-Kabinett
der Akademie der Bildenden Künste in Wien vom 28.3. - 8.6.2001.]

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