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„Das Potenzial des Paradoxen“
ORF.at

Für den Umbau der Tate Modern erhalten Herzog und de Meuron den „Nobelpreis der Architektur“.

2. April 2001
Umgerechnet 3,24 Milliarden Schilling hat die Metamorphose des mit Ziegelstein eingekleideten Stahlträgergerippes gekostet. Star-Architekten wie Renzo Piano, Rem Koolhaas und David Chipperfield bewarben sich, hatten aber Probleme mit dem massigen Industrie-Relikt. Chipperfield wollten sogar den Schornstein sprengen. Die einzigen, die einen behutsame Umgestaltung vorschlugen, waren Jacques Herzog und Pierre de Meuron aus Basel. Dafür bekamen sie 1997 den Zuschlag für den Umbau der Tate Modern und verwandelten ein leer stehendes Kraftwerk in eines der interessantesten Museumsgebäude der letzten Jahre. Nun erhalten sie für die „Cathedral of Cool“ - wie das Museum genannt wird- den „Nobelpreis für Architektur“. Der Pritzker-Preis wird den beiden Basler Architekten am 7. Mai in Charlottesville (Virginia) überreicht.


Preis für Europäer

Die mit 100.000 Dollar (113.225 Euro/1,56 Mill. S) von der Hyatt Foundation in Los Angeles gestiftete Auszeichnung wird somit zum neunten Mal in Folge an Architekten vergeben, die nicht aus den USA stammen. 1985 konnte etwa der Österreicher Hans Hollein den Pritzker-Preis einheimsen. Ihm folgten Größen der Architektur wie Renzo Piano (1998), Norman Foster (1999) oder im Vorjahr Rem Koolhaas.

Es war aber nicht nur die Tate Gallery, die die Pritzker-Jury heuer dazu bewogen hat, ihren Preis an Herzog und de Meuron zu vergeben, sondern gerade auch die amerikanischen Bauten und Projekte vom Weingut „Dominus Vinery“ im Nappa Valley bis zum Walker Erweiterungsprojekt für das Walker Art Center in Minneapolis. „Wie kein anderes europäisches Büro vermochten Herzog und de Meuron die schläfrige, in unfruchtbare Theorien vernarrte amerikanische Architektenschaft aufzurütteln und jüngere Vertreter nachhaltig anzuregen“, befindet etwa Roman Hollenstein in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).

Die Architekturkritikerin Ada Louise Huxtable von der Pritzker-Jury bringt es so auf den Punkt: „Herzog und de Meuron veredeln die Traditionen des Modernismus hin zu elementarer Schlichtheit, indem sie Materialien und Oberflächen durch den gekonnten Einsatz neuer Methoden und Techniken verändern.“ Sich selbst beschreiben wollen die beiden nicht, auch wenn Herzog kürzlich in einem Interview sagte: „Wir lieben das Potenzial des Paradoxen“.


Konsequent und visionär

Konsequent haben Herzog und de Meuron - beide Jahrgang 1950 und seit Kindheit an befreundet - ihre Visionen umgesetzt. Jahr für Jahr überraschten sie mit immer neuen Bauten. Nach den Schweizer und Deutschen Bauten in den 80er Jahren wie etwa dem Fotostudio in Weil am Rhein oder dem Sperrholz-Haus in Bottmingen vergrößerten sie bald ihren Wirkungskreis. Es folgte u.a. der Bau des Galeriegebäudes der Sammlung Goetz in München. Doch nicht nur der Ruhm und die Anerkennung seitens der Fachleute und des Publikums, sondern auch die Gebäude wurden immer größer: Man denke an das Forschungsgebäude von Hoffmann-La Roche, das Pfaffenholz-Sportzentrum in der französischen Stadt St. Louis und das St. Jakobs-Stadion in Basel, ein Projekt, das den beiden Fußballfans sehr am Herzen gelegen war.


Teamarbeit

Seit 1978 haben die beiden Architekten ihr Hauptbüro in Basel, das sie gemeinsam nach Abschluss ihres Studiums an der ETH in Zürich gegründet hatten. Mittlerweile ist aus dem kleinen Büro aber längst ein Architekturimperium geworden. An die 150 Mitarbeiter sind heute beschäftigt.

Zurzeit gestalten sie in Minneapolis den Erweiterungsbau des Walker Art Center und in San Francisco das Young Museum. Für den italienischen Modekonzern Prada bauen sie ein Kauf- und Bürohaus in Tokio, den Prada-Sitz in New York sowie Produktionsgebäude im toskanischen Terranuova. Zudem arbeiten sie mit Rem Koolhaas beim Entwurf des Astor Hotel in Manhattan (New York) zusammen.


[Tipp:
Herzog & de Meuron, „Das Gesamtwerk in 4 Bänden, Band 3: 1992-1996“, Birkhäuser Verlag, ATS 1.299,- / Euro 91,-, ISBN 3764362642.9]

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