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Architektur und Mode
Neue Zürcher Zeitung

Prada Stores von Herzog & de Meuron und Koolhaas

6. April 2001 - Hubertus Adam
Im Auftrag der Mailänder Modefirma Prada realisieren die Pritzkerpreisträger dieses und des letzten Jahres, Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas, sechs Bauprojekte. Die Entwürfe für die Prada Stores in den USA und in Japan bestechen durch ein souveränes Spiel der architektonischen Formen und eine magisch-trendige Inszenierung.

International agierende Modehäuser zeigen gegenwärtig ein verstärktes Interesse an zeitgenössischer Architektur. Ob Ron Arad das Interior Design für Adidas in Frankreich übernimmt oder Future Systems die Boutiquen von Comme des Garçons in New York und Tokio einrichten: Prominente Architekten und Designer garantieren für nahezu magische, zum Kauf stimulierende Gestaltungen. Dabei scheint das als minimalistisch apostrophierte, mitunter etwas aseptisch wirkende Shop-Design eines David Chipperfield oder John Pawson, das die neunziger Jahre beherrschte, von einer neuen Formenvielfalt, man könnte auch sagen: Opulenz abgelöst zu werden.


Suggestives Spiel der Formen

Nirgends zeigt sich das deutlicher als an den ambitionierten Projekten, die Herzog & de Meuron sowie Rem Koolhaas und sein Office for Metropolitan Architecture für Prada entworfen haben. Das Mailänder Unternehmen will mit spektakulären Stores in New York, Los Angeles, San Francisco und Tokio ein völlig neues Einkaufserlebnis generieren. Als vergleichsweise junges Label, das den Weg zum internationalen Erfolg binnen weniger Jahre zurückgelegt hat, wollen sich die Mailänder mit dem «Prada universe» als Global Player der Modewelt etablieren. Bei den Projekten handelt es nicht nur um Ladeneinrichtungen, sondern um grosse Neu- oder Umbauten. Koolhaas plant ein zehngeschossiges Gebäude für San Francisco, ein langgestrecktes Haus am Rodeo Drive in Beverly Hills sowie «Prada East Coast» als zweigeschossigen Umbau in einem bestehenden Haus am Broadway Ecke Prince Street in New York.

Ebenfalls in New York bauen Herzog & de Meuron eine frühere Pianofabrik zum amerikanischen Headquarter von Prada um. Darüber hinaus entwerfen die Basler den Tokyo Store an der Omote-Sando Avenue im Fashion District Aoyama sowie ein Produktionszentrum mit Grosslager und Outlet in Terranuova bei Arezzo. Schliesslich wurde die Architektin Kazuyo Sejima, die inzwischen weltweite Reputation als Protagonistin einer jüngeren japanischen Architektengeneration geniesst, mit einem Präsentationskonzept für die «Prada Beauty Line» beauftragt, das sich in die verschiedenen neuen Stores integrieren lässt.


Zukunftsweisende Lösungen

Bemerkenswert ist, dass Prada nicht mehr auf eine Corporate Identity im klassischen Sinne setzt. Betrachtet man die Modelle und Entwürfe für die vier im Entstehen begriffenen Stores, sticht ihre Verschiedenartigkeit ins Auge. Auch wenn gewisse Materialien und Elemente in allen drei Projekten von Koolhaas und OMA zur Anwendung kommen, sind doch die Unterschiede grösser als die Gemeinsamkeiten. Ziel ist nicht mehr ein modulares und rationales Konzept, sondern eine suggestive Architektur, die völlig unterschiedliche Raumstimmungen erzeugt.

Der aus zwei übereinander geschichteten, mit gelochten Metallplatten verkleideten Würfeln bestehende Turm für San Francisco gibt sich als markantes Zeichen im Stadtbild, während Einbauten unterschiedlichster Form und ein heterogener Materialmix eine Reichhaltigkeit des Interieurs bewirken, die jedem Geschoss einen spezifischen Charakter verleiht. Mit der herkömmlichen Konzeption von Boutiquen hat die neue Generation von Prada Stores nicht mehr viel gemein; die Flächen für die Präsentation der Produkte bestimmen nur noch einen Teil des Raumprogramms. Ergänzt werden die Häuser durch VIP-Geschosse, Cafés, Backstage-Räume und Bereiche für Modeschauen oder Ausstellungen.

Das räumlich komplexeste Konzept bietet Herzog & de Meurons Neubau für Tokio. Grundelement des Entwurfs ist eine liegende Raute, die sich in drei Dimensionen entwickelt. Ihre Form bestimmt die vertikalen Erschliessungsschächte, die röhrenartig aufgeweiteten horizontalen Tragbalken (in welchen sich intime Ausstellungsflächen befinden) und schliesslich den Raster der mit bombierten Scheiben versehenen Glasfassade, die das polygonale, fünfgeschossige Volumen umhüllt. Wie OMA bei den Häusern in den USA, entwerfen die Basler jedoch nicht nur die eigentliche Architektur, sondern überdies das gesamte Displaysystem. Prototyp ist hier ein transluzenter, von innen beleuchteter Plasticblock mit abgerundeten Ecken und Vertiefungen, der etwas an die Soft-Edge-Ästhetik der siebziger Jahre erinnert. Farbig hinterleuchtete, in die Wände eingelassene Glaskugeln, wie sie Herzog & de Meuron für das New Yorker Headquarter vorschlagen, scheinen dem Geist jener Jahre ebenso verwandt wie Koolhaas' Vitrinen im Farbton Hellrosa oder seine Wandverkleidungen aus ondulierenden Plasticstrukturen.

Die Projekte der beiden Büros zeigen eine ebenso trendige wie faszinierende Vielfalt von Materialien und Formen, die bisherige Shopkonzepte bieder und altbacken erscheinen lässt. Intuitiv hat das Mailänder Modelabel hinsichtlich der Architekten die richtige Wahl getroffen; der Pritzker-Preis, der Koolhaas im vergangenen Jahr und Herzog & de Meuron in diesem verliehen wurde, wird die Verantwortlichen in ihrem Tun bestätigen. Zweifellos erhofft man sich von den beiden Büros, die nicht zuletzt durch Kulturbauten bekannt geworden sind und derzeit gemeinsam das Astor Place Hotel für Ian Schrager in Manhattan realisieren, eine Nobilitierung und zeitgemässe Positionierung der eigenen Produkte. «To fuse consumption and culture», beschreibt Prada die eigene Intention.


Konsum und Kultur

Ohnehin kann Rem Koolhaas, der unlängst das Prinzip Shopping untersucht hat, keine prinzipiellen Unterschiede zwischen einer Shopping Mall und etwa dem Guggenheim Museum in Bilbao ausmachen. In seinem Text, der kürzlich in «Domus» erschien, wird die Shopping Mall zum Paradigma eines hybriden Raums, der diverse Funktionen verschmilzt und so zum Ausdruck der von Koolhaas seit langem beschworenen «culture of congestion» wird. Shopping avanciert in seinen Augen zum eigentlichen Movens der zeitgenössischen Architektur und generiert als «the ultimate revenge of functionalism» ähnlich wie Kasinos oder Themenparks «junk space». Das konsumfeindliche Zeitalter ist unweigerlich an sein Ende geraten. Sich gegen Shopping aufzulehnen sei unsinnig, meint Koolhaas; und im Vorwort zu Noam Chomskys «Profit over people» liest man: «Die neoliberale Demokratie . . . bringt keine Bürger, sondern Konsumenten hervor, keine Gemeinschaften, sondern Einkaufszentren.»

Wenn Koolhaas provokativ John Jerde und Frank O. Gehry auf eine Stufe stellt, so vollzieht er sprachlich nach, was sich gedanklich längst ereignet hat: Konsum und Kultur, in den siebziger Jahren als antithetische Pole verstanden, werden heute weithin nicht mehr als Widerspruch begriffen. Dass dabei - um ein Diktum von Jacques Herzog aufzugreifen - nur ein Stararchitekt die Chance hat, seine Ideen vergleichsweise unbeeinträchtigt in die Praxis umzusetzen, zeigt sich bei Prada bereits mit aller Deutlichkeit.


[Ein Katalog der noch bis zum 8. April bei Prada an der Via Fogazzaro 36 in Mailand ausgestellten Modelle und Projekte ist in Vorbereitung. Ausserdem wird zukünftig www.prada.com über die Planungen informieren. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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