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Planet Shopping
Der Standard

Wenn Stararchitekten für Modestars maßschneidern, kommt ein flottes Outfit raus. Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron haben für die neuen Shops und Verkaufshäuser von Prada Maß genommen

27. April 2001 - Ute Woltron
Begegnungen mit Rem Koolhaas sind immer spannend und überraschend, weil der Architekt aus Rotterdam das scheinbar Nebensächliche mit konzentriertem Ernst und scharfsinnigen Ideologien in den Mittelpunkt zu rücken pflegt. Was man denn da in der Hand halte, fragt der gewöhnlich sehr Schweigsame beispielsweise zuzeiten aus dem Nichts heraus überrumpelte Plastiksackerlträger. Na, man habe halt nebenbei gerade eine Kleinigkeit eingekauft, so die zaghafte und verlegene Antwort, und Koolhaas hat wieder einmal eine Bestätigung seiner derzeit wichtigsten Theorie erhalten, die da lautet: Die Zukunft heißt einkaufen, einkaufen, einkaufen.

Die neoliberale Demokratie, so predigt der asketische Architekt, bringe keine Bürger, sondern Konsumenten hervor, keine Gemeinschaften, sondern Einkaufszentren. Wie aber schaut im dritten Jahrtausend der ideale Shop für eine Nobelmarke aus, wenn die Einkaufszentrumswut alle und alles erfasst und die früher vereinzelt vorkommenden Geschäfte zu riesenhaften Einkaufsstädten vereint hat? Wie kann sich eine einzelne Marke heutzutage architektonisch profilieren und sich bereits mit seinen raffiniert und markant gemachten Geschäften vom Einheitsbrei deutlich abheben?

Der italienische Mode-Multi Prada hat diese Frage an Rem Koolhaas und seine Schweizer Kollegen Jacques Herzog und Pierre de Meuron delegiert und jetzt ein paar atemberaubende Antworten bekommen. Unter dem von Prada ausgegebenen Motto, Kultur und Konsum elegant zu vereinen, entwickelten die Architekten für Standorte in San Francisco, New York, Tokyo, Los Angeles und Arezzo Prada-Shops, Prada-Gebäude, Prada-Verwaltungszentren mit den verschiedenartigsten Architekturcharakteren. Denn, so die Auftraggeber aus Mailand: Man hege nichts weniger als die Sehnsucht nach einer radikalen Neuerfindung und Neudefinition des Einkaufens schlechthin.

Nicht ein schöner, aber auf der gesamten Welt stereotyper Shop-Stil, der mit den immer gleichen Shop-Elementen, wie ihn etwa Chanel oder Gucci von Paris bis Sydney vornehm pflegen, für Wiedererkennung sorgt, soll fürderhin Pradas Erscheinungsbild markieren. Jeder große Standort möge vielmehr seine eigene, ganz spezielle Atmosphäre entwickeln. Die Architektur beschränkt sich dabei nicht auf das Bereitstellen von Verkaufsflächen und auf die Konzeption spektakulärer Räume, sondern sie wird das Thema Einkaufen selbst ganz neu und aufregend aufrollen. Schließlich wird hier von Stararchitekten für Modeprofis maßgeschneidert.

Suggestive Architektur nennt man das heute, und was damit gemeint ist, wird beispielsweise im Falle des zehngeschossigen Prada-Blocks von Rem Koolhaas in San Francisco deutlich. Der ist mit seiner metallverkleideten und rundlich käseartig durchlöcherten Haut ein städtebauliches Landmark. Weiters werden hier die in den letzten Jahren ausgefeilten Shop-Konzepte optimiert.

Da erstrecken sich exklusive VIP-Bereiche über ganze Geschosse, da locken gemütliche Kaffeehäuser und Bars zum Verweilen, liegen Catwalks im Scheinwerferlicht und intime Kundenzonen zum Kleideranprobieren im Verborgenen.

Konzeptuell ähnlich, in seiner Architektursprache aber ganz anders, wird das extravagante Prada-Haus von Herzog & de Meuron für Tokio funktionieren. Für alle Häuser und Shops entwirft die japanische Architektin Kazuyo Sejima ein Verkaufs-und Präsentationssystem, das die „Prada Beauty Line“ angemessen zur Geltung bringen wird.

Das Einkaufen ist bereits jetzt Hobby und Freizeitbeschäftigung der privilegierten Weltbevölkerung. Mit Prada soll es zum Spektakel werden. Wie Architekten und Unternehmen ihr Ziel, die Marke Prada zu stärken und zugleich die Individualität ihrer Kunden hochzuhalten, verwirklichen werden, wird erst ein Probeshopping in den neuen Planeten dieser „Prada universe“ weisen.

Rem Koolhaas selbst neigt dem Einkaufen übrigens weniger zu. Erstens hat er zu wenig Zeit dazu, und zweitens geht er lieber Dauerlaufen. Wenn es sein muss, sogar in der Stadt - auch wenn man sich da zwischen Plastiksackerlträgern durchschlängeln muss.

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