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Räume statt Flächen
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Erstmals können Jugendliche ihre Stadt planen.

8. Mai 2001 - Joseph Schimmer
Hartberg und Eferding haben abgewunken. Linz war der Vorschlag nicht einmal eine Antwort wert. Bruck an der Mur hingegen bewies Mut zum Risiko. Seit März erarbeitet ein Team von LandschaftsplanerInnen mit Jugendlichen an einem Konzept zur besseren Nutzung der Freiflächen der Stadt. teens_open_space heißt das Projekt, das öde Parks, Straßen und Plätze in Aufenthalts-, Kommunikations-, Spiel- und Rückzugsräumen verwandeln soll, die Jugendliche gerne benützen.

Freiraumgestaltung ist das Stiefkind der heimischen Raumplanung. Freiraum ist, was übrig bleibt, wenn alle Häuser, Straßen und Plätze gebaut sind, der ungeliebte Rest, der zu nichts nütze ist.


Modellfall Bruck?

Die steirischen Schul- und Industriestadt Bruck an der Mur könnte zum österreichischen Modellfall werden. Das Wissenschaftsministerium hat das Projekt initiiert und erwartet sich Impulse für die angewandte Forschung ebenso, wie für die Planungssituation selbst. Das Projektteam um Karin Standler erwartet sich eine Lösung, die auch auf andere Räume übertragbar ist und will in den Köpfen der Verantwortlichen die Idee festsetzen, dass Freiräume nicht eine willkürliche Anordnung von nicht genützten Flächen sind, sondern soziale Orte, deren Nutzung verhandelt werden muss. Da das Ministerium 80 Prozent der Kosten trägt, kommt die Gemeinde um wenig Geld zu einem Nutzungskonzept, dessen Notwendigkeit sich bislang niemand so recht eingestanden hat. Und die Jugendlichen selbst?

„Ich möchte mit der Gemeinde über den Schillerplatz verhandeln“, meint etwa Martin Prügger recht selbstbewusst in der Talkline des Projekts. Ihm geht es um die Erneuerung des Fußballplatzes. „Das ist ganz typisch“, meint dazu Projektleiterin Karin Standler. Während die Mädchen recht differenzierte Vorstellungen in das Projekt eingebracht haben, wollen die Buben in erster Linie dem runden Leder Raum geben.


Aufwendige Startphase

Standler und ihre KollegInnen sind in Schulen, Betriebe und Jugendzentren gegangen, um für das Projekt zu werben. Übrig geblieben ist eine Gruppe von 25 bis 40 Jugendlichen, die den Ist-Zustand erheben, ihre Wünsche artikulieren, an Lösungen arbeiten, und schließlich sogar mit der Gemeinde über die Umsetzung ihrer Ideen verhandeln werden. Mehrheitlich sind es Mädchen, die mitarbeiten, überwiegend SchülerInnen, es gibt aber auch einige Lehrlinge und sogar einige Sozialfälle, die eher die Aussicht auf eine warme Mahlzeit als ein neuer Park interessiert hat.


Selbstbewusstes Auftreten

Am überraschendsten war für das Planungsteam die Deutlichkeit, mit der die Brucker Jugend ihren Platz im öffentlichen Raum eingefordert hat. Keine verschwiegenen Winkel stehen auf der Wunschliste an die Politik, sondern frei zugängliche, öffentliche Orte. Es geht damit um Anerkennung, Präsenz, aber auch um soziale Kontrolle, wie sie vor allem Mädchen wünschen.


Alles ist möglich

Wie Bruck an der Mur in einigen Jahren aussehen wird, ist noch völlig offen. Nicht nur, weil sich die Gemeinde bisher nicht festlegen wollte, wie viel Geld ihr das Projekt in der Umsetzungsphase letztlich wert sein will. Das Planungsteam selbst ist noch ganz offen, welche Schlüsse es aus den ersten Erhebungen ziehen will.

Ein zentraler Ort, etwa der umgebaute Stadtpark oder ein neu zu errichtender Park sind ebenso denkbar, wie die Idee, die ganze Stadt zur Erlebniszone für Jugendliche zu machen. Dahinter steht der aktuelle Paradigmenwechsel der Raumplanung wie auch der Architektur, keine hoch spezialisierten, funktionalen Lösungen zu entwickeln, sondern variable Bespielungen und Mehrfachnutzungen zu ermöglichen. Die Möglichkeit, unbehelligt Party machen zu können, wird jedenfalls ebenso Thema werden wie die Überbrückung schlechter Witterung im Freien. Sabine etwa fordert in der Talkline überdachte Sitzgelegenheiten (wie sie kaum in einem heimischen Park vorhanden sind).

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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