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Renaissance in Mailand
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellung über Donato Bramante

4. Mai 2001 - Hubertus Adam
Von der Frührenaissance, die in Florenz mit Brunelleschi, Alberti und Michelozzo eingesetzt hatte, blieb Mailand unberührt. Das an der Antike geschulte Formempfinden sollte erst Einzug halten, als die Sforza Mitte des 15. Jahrhunderts in der Lombardei an die Macht gekommen waren. Mit Filarete, den die Nachwelt eher als Autor des einflussreichen «Trattato d'Architettura» denn als massstabsetzenden Architekten wahrgenommen hat, übertrug Francesco Sforza bewusst einem Florentiner Künstler die Planung des auch als «Ca' Grande» bekannten Ospedale Maggiore. Von dem Idealentwurf mit mehreren Höfen und einer Kapelle im Zentrum konnte indes nur ein Teil realisiert werden; in seiner Schrift klagt Filarete unverhohlen über die Dominanz des «barbarischen», also gotischen Stils. Knüpfte auch die früher Michelozzo zugeschriebene Portinari-Kapelle (1462-67) an Brunelleschis Sakristei von San Lorenzo in Florenz an, so war es doch Donato Bramante, welcher der Renaissance in Mailand zum Durchbruch verhalf.

Nahe der Tribuna, mit der Bramante 1492-97 Santa Maria delle Grazie ergänzte, widmet sich eine Ausstellung im Refettorio delle Stelline der Galleria Gruppo Credito Valtellinese nun den lombardischen Jahren des 1444 bei Urbino geborenen Architekten. Gegen 1479 kam Bramante erstmals nach Mailand; 1499, nach dem Sturz der Sforza, verliess er es Richtung Rom, wo er mit dem Tempietto von San Pietro in Montorio (1502) die Hochrenaissance einleitete und kurz darauf von Papst Julius II. mit einem Gesamtplan für den Vatikan betraut wurde.

Berechtigterweise erscheint der zunächst als Maler ausgebildete Architekt in der Schau nicht als einsamer Heros, sondern als Teil eines künstlerischen, geistigen und politischen Kraftfeldes, das Mailand unter Ludovico il Moro bestimmte. Berücksichtigt werden die Projekte Leonardos ebenso wie der gewaltige Lazarettkomplex, den Lazzaro Palazzi im Nordosten der Stadt errichtete; mit einzelnen Exponaten suchen die Veranstalter zudem auf die Bildhauerkunst und Malerei der Zeit hinzuweisen. Im Zentrum aber stehen die drei Mailänder Hauptwerke Bramantes: die Erweiterung von Santa Maria delle Grazie, die Kreuzgänge von San Ambrogio und die grandiose Kirche Santa Maria presso San Satiro, bei welcher der lediglich als Relief vorgetäuschte Chorraum die Illusion eines Zentralraums ergibt. Die Struktur der Ausstellung bleibt allerdings - anders als der prägnante Katalog - eher unübersichtlich. Zudem musste man sich bei Bramantes Bauten mit Fotos und neueren Modellen behelfen, da weder Originalzeichnungen noch Modelle existieren.

Bis 20. Mai im Refettorio delle Stelline. Katalog: Bramante e la sua cerchia a Milano e in Lombardia 1480-1500. Hrsg. Luciano Petretta; Skira, Mailand 2001. 240 S., Lire 45 000.

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