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Stadtplätze. Zeiträume
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Der Wandel des Stadtplatzes vom Mittelalter bis heute im Kontext städtebaulicher Konzepte und gestalterischer Prinzipien.

28. Februar 2001 - Beatrice Bednar
Plätze können nicht isoliert gesehen werden. Sie sind Teil städtebaulicher Raumsysteme und in ihrer Form und Funktion eng mit den Bildungsprinzipien dieser Raumsysteme verbunden. (Gerhard Curdes, 1993)

Heute ist der Hauptplatz die Visitenkarte der Stadt. In den letzten Jahrzehnten wurden die zentralen Freiräume vieler mitteleuropäischer Städte neu gestaltet. Nicht selten entzündete sich an den Entwürfen eine heftige Architekturdebatte. Dabei standen vor allem formale, ästhetische und funktionale Aspekte im Vordergrund. Der Kontext zur städtebaulichen Struktur um den Platz wurde kaum debattiert. Auch in den Fachpublikationen wird dieser Aspekt, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.

Ziel der Neugestaltungen ist u. a. die Belebung der Innenstadt, die Aufwertung des Standortes für Handel und Gastronomie, die Anlockung von TouristInnen. Trotz der Investitionen in das Erscheinungsbild bleiben die Plätze teils leer, devastieren bald und „müssen“ wiederum neu gestaltet werden.

In den Siedlungserweiterungsgebieten, wo sich der Städtebau von heute präsentiert, wurden kaum neue Plätze angelegt und die wenigen Beispiele reichen selten an die historischen Vorbilder heran.
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir Plätze in der Stadt überhaupt ? – als Einkaufszentren, Busbahnhöfe, Parkplätze, für Feste, Märkte, Kundgebungen, als Kunstraum, Visitenkarte, Orientierungspunkte? Können und sollen sich diese Funktionen und andere Nutzung überlagern? Reicht die Attraktivität der Gestaltung aus, um einen Stadtplatz zu beleben? Wie haben sich die Vorstellungen vom Stadtplatz in den unterschiedlichen städtebaulichen Konzepten verändert?

Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt meiner Diplomarbeit. Anhand von Klagenfurter Beispielen aus verschiedenen Epochen – vom Mittelalter bis in die 90er Jahre – wurden Anlage, Ausstattung, Wirkung und Nutzung der Plätze im Zusammenhang mit den städtebaulichen Konzepten untersucht. In einem Vergleich wurden die typischen Merkmale der Freiräume herausgefiltert und aus heutiger Sicht bewertet. Diese Dokumentation und Analyse diente als Grundlage für prinzipielle Überlegungen zur Planung und Gestaltung von Plätzen, die in einem Entwurf für den Kardinalplatz in Klagenfurt angewandt und geprüft wurden.

Vom Freiraum zur Fläche und zurück?

Der Vergleich der schematischen Platzgrundrisse zeigt einen Wandel vom schmalen, von vielen Langparzellen gefassten Platz im Mittelalter über die rechteckigen Anlagen mit Blockbebauung in Renaissance und Gründerzeit bis zur Zeilenbebauung der Moderne, die eine räumliche Fassung nicht mehr möglich macht. Ab den 70er Jahren werden die Gebäude wieder mit mehr Bedacht auf die Raumbildung am Grundstück situiert. Die Struktur der Bebauung und damit auch ihre Wirkung und Bedeutung für den Freiraum hat sich aber deutlich geändert.

Vom gereihten Haus zur gruppierten Zeile

Die Veränderung der Bautypen vom Reihenhaus über die Blockrandbebauung zu Wohnhof und freistehendem Gebäude wie Villa und Zeile führte zur Auflösung des Platzraumes in die Fläche. Die gruppierten Zeilen und Geschoßbauten der 80er und 90er Jahre bewirken zwar wieder eine stärkere Raumbildung, die Organisation des Randes hat sich aber stark verändert. Die Größe der Parzellen ist stetig gestiegen, folglich auch die Fassadenbreite. Es liegen immer weniger Hauseingänge am Platz, damit verringern sich die soziale Kontrolle und die Anlässe, den Raum zu nutzen. Die „platzähnlichen Freiräume“ in den neu errichteten Stadtrandsiedlungen werden häufig nur mehr von einem Gebäudekomplex gerahmt, ein „hofähnlicher“, fast „privater“ Eindruck entsteht.

Weg und Ort werden getrennt

Im Mittelalter war der Platz immer beides: Weg und Ort. Eine funktionale oder materielle Aufteilung des öffentliche Raumes gab es nicht. Die Raumform entstand vor Ort und nicht am Plan. Das orthogonale Erschließungsraster der Renaissance bringt symmetrische Stadtplätze hervor. Die Differenzierung in der Raumbildung zwischen Straße und Platz wird deutlich. Die Errichtung von Bürgersteigen in der Gründerzeit führt zu einer Zonierung der Fläche in Fahrbahn und Gehweg. Auch Alleen dienen der Gliederung der Straßen und Plätze. Die Bereiche liegen nebeneinander und überschneiden sich teilweise.

Die Funktionalisierung der Fläche

Mit dem Prinzip der Funktionstrennung der Moderne geht die Einheit von Weg und Ort fast vollständig verloren. Nutzungsüberlagerungen und alltägliche Nebenbeinutzungen sind kaum mehr möglich. Der Flächenverbrauch steigt deutlich an (siehe Schnitte). Es entsteht ein Fleckerlteppich an „funktionalen Flächen“: Gehweg, Radweg, Fußgängerzone, Abstandsgrün, Parkplatz, Spielplatz, Blumenbeet, Verkehrsfläche etc. Diese Entwicklung findet sich auch in der Flächengestaltung und -ausstattung (Rasenflächen, Beete, Hecken, Mauern, Zäune etc.) wider.
Der „Platz“ verliert sein Potential zur Konzentration von Nutzungen und kann sich daher nicht als belebtes Zentrum etablieren.

Der Kardinalplatz

Der Platz liegt am östlichen Rand der Klagenfurter Innenstadt. Er wurde bereits in der Renaissance angelegt. Die aktuelle Form des Raumes entstand erst durch die schrittweise Bebauung vom Barock bis in die Postmoderne. Anfang der 80er Jahre wurde eine Tiefgarage unter einem Teil der Freifläche errichtet. Aus dieser Zeit stammt auch die aktuelle Platzgestaltung.

Entwurf

„Ohne Grenzen , Senza confini, Brez meja“ – Der olympische Gedanke Klagenfurts wurde auf die Neugestaltung des Kardinalplatzes übertragen. Es entsteht ein offener Platz , der viel Raum für unterschiedliche Nutzungen bietet und frei von Grenzen und Barrieren ist. Durch die Überbauung der Tiefgaragenzufahrt wird diese Fläche bestmöglich genutzt, der Platz neu definiert und die Orientierung erleichtert. Die Gestaltung akzentuiert den aus der Mitte entrückten Obelisken , schafft Überblick und stiftet Identiät. Die Möblierung ist dezent und funktional. Belebend wirken die Wasserfontainen im östlichen Platzbereich. Die Bäume schützen vor der sommerlichen Mittagshitze. Die Beleuchtung vermittelt in der Nacht Sicherheit. l


Die physischen Räume, die wir entwerfen, machen immer nur die Hälfte der Geschichte aus; die Benutzer sind es, die die Geschichte vervollständigen.
Robin WINOGROND, 1996


Literatur:
WINOGROND, Robin (1996): Choreographie von Raum und Vorstellung. In: Auböck, Maria, Cejka, Andrea/Planbox(Hg.): Freiräume. Stadt. Wien.
CURDES, Gerhard (1993): Stadtstruktur und Stadtgestaltung. Stuttgart, Berlin, Köln.

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