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Wohnen durch die Soziologenbrille
ORF.at

„Livescapes“ sammelt Erkenntnisse über zukünftige Wohnformen.

21. Mai 2001 - Ines Mitterer
Die Interieurs und modischen Möbelbegehrlichkeiten wechseln, die Grundsehnsüchte des Wohnens hören sich auch im 21. Jahrhundert grundvertraut an. „Im Grünen, aber natürlich mitten in der Stadt, vorne die Ostsee, hinten der Ku'damm, wie Tucholsky gesagt hat, das ist nach wie vor der Traum der Leute, daran hat sich eigentlich gar nicht so schrecklich viel geändert“, fasst Michael Andritzky die Wohnsehnsüchte der Deutschen zusammen.

My Home is my...

Egal, wo man es sich einrichtet, der Raum wird sofort den persönlichen Bedürfnissen angepasst, den funktionellen aber auch den symbolischen. Von der Bauernstube bis zum Le-Courbusier-Möbel, von der venezianischen Gondel bis zum türkischen Spitzendeckchen auf dem Fernseher. Wohnen ist innerste kulturelle Bastion jeder Gesellschaft und kommt als Idee sogar mit in die Emigration.


Interkulturelle Spannungen

In Pariser Sozialwohnungen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, als eingewanderte Algerier ihre Balkone zum rituellen Schlachten von Schafen verwendeten. „Die Blutspuren würden die ganze Fassade verschandeln,“ erinnert sich der Kunsthistoriker Georges Teyssot, „dabei ist das doch besser als jedes Kunstwerk, es ist wunderschön.“

Für Teyssot markieren solche Zeremonien ebenso die Wohnfläche wie banalere Handlungen. Bestimmte Orte innerhalb der Wohnung können negativ besetzt sein, weil man an dieser Stelle einmal eine heftige Auseinandersetzung hatte; andere stehen für positive Erinnerungen und Möglichkeiten. Georges Teyssot nennt sie die erogenen Zonen einer Wohnung.


Spiegel der Persönlichkeit

„Ein Haus ist nie neutrales Terrain“, sagt Teyssot, aber nicht Architekten und Designer definieren die Qualität einer Wohnung, sondern die Bewohner." Die Maxime lautet: Erkenne dich selbst und lass zu, dass andere dich erkennen.

Sparsamkeit oder Luxus, Schmutz oder Sauberkeit, Alt oder Neu, die Wohnung ist Spiegel unseres Selbst. Das ist die Konstante aller Trends. Für Stefan Andritzky gibt es „Hausflüchter“ und „Haussucher“, und es gibt die sogenannten urbanen Neonomaden, die eigentlich gar kein Zuhause mehr wollen. Eine der berühmtesten stammt aus Wien. Hans Dampf In Allen Gassen, Peter Weibel, behauptet von sich, er hätte keine Wohnung mehr sondern nur noch Kleiderdepots und ansonsten seien ihm Luxushotels am liebsten.

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