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Schmuckkästchen in der Glitzerparade
Der Standard

Der neue Cartier-Shop bildet ein elegantes Entree für den Wiener Kohlmarkt

15. Juni 2001 - Ute Woltron
Der Wiener Kohlmarkt war immer schon eine piekfeine Adresse, doch in den vergangenen Jahren hat sich die noble Gasse in der Innenstadt mit den neuen Shops von Gucci, Chanel und seit kurzem auch Louis Vuitton zielstrebig zur mit Abstand attraktivsten Nobelgeschäftszeile Wiens gemausert, neben der sich die ehemals flotte, qualitätsgeschäftsmäßig mittlerweile leider ziemlich abgebaute Kärntnerstraße wie ein Flohmarkt ausnimmt.

Was dem Kohlmarkt bisher fehlte, war das entsprechend würdige Entree, das den vom Graben kommenden einbiegenden Flaneur empfängt. Doch auch das ist nun gelungen: Der neue Cartier-Shop, direkt an der prominenten Ecke gelegen, hat die historische, denkmalgeschützte Fassade aus dem Jahr 1897 wieder enthüllt und reiht sich als ein neuer Edelstein in diese elegant herausgeputzte kleine Glitzerparade ein. Das mit 180 Quadratmetern viermal so große Geschäft wird die kleine traditionelle Cartier-Schmuckschachtel, die zwei Häuser weiter liegt, ersetzen, und auch sein Outfit kommt großzügiger, jugendlicher, frischer daher als der etwas schwülstige gold-rot-grünmarmorne Vorgänger.

Der französische Nobeljuwelier und Uhrmacher Cartier baut sein Image überhaupt ein wenig um, auch die neue Schmuckkollektion, die im Herbst auf den Markt kommt, wird spritziger und jünger sein, als man das von den betont vornehmen Goldkünstlern gewohnt ist. Zu diesem neuen Imagekurs gehört selbstverständlich auch ein entsprechendes Shopkonzept, das alle Stückchen spielen muss. Vor zwei Jahren hat Cartier denn auch damit begonnen, seine rund 200 Shops weltweit mit demselben exquisiten, zugleich aber unprotzigen Architekturgewand einzukleiden.

Den Schnitt dazu erfand der Architekt Jean-Michel Wilmotte, die Ausführung übernahm der Kollege Christophe Carpente, die neuen Möbel entwarf Pierre Deltombe. Prägend sind vor allem die Stoffe, mit denen die Architekten arbeiten. Der auffälligste und schönste davon ist ein norwegischer Stein, der in den Innenräumen zur Anwendung kommt. Er heißt Pillarguri und schimmert wie Perlmutt, das aber schwarz, was ganz prachtvoll aussieht. Würdige Rahmen geben ihm sandgestrahlte, also ziemlich stark riffelige und anschließend weiß getünchte Eichenpaneele, die Außenfassade wird mit grauem Schiefer eingefasst.

Alle Geschäfte haben, wie gesagt, sehr ähnliche Schnitte, die gleichen Stoffe, und doch sind Konfektionsgrößen und persönlicher Pepp ganz unterschiedlich. Jean-Michel Wilmotte beschreibt sein Konzept folgendermaßen: „Durch besondere Betonung von Ebenholz oder gekalktem Holz oder Stein kann man Varianten von bestimmten Grundnoten erzielen. In manchen Boutiquen wird es mehr Schmuck geben - da werden wir mehr Akzente mit Pillarguri, Kristall, gekalktem Holz setzen.“ Und zu den ausgewählten Materialien meint er: „Pillarguri ist das Symbol der Juwelierkunst. Ebenholz der Wunsch, dass das Holz in den Hintergrund tritt, indem man die Eleganz seiner grauen Venen herausarbeitet, als Anspielung auf den Schiefer, der die silbrigen Fäden als Übergänge einsetzt.“

Eine üppige Beschreibung - doch das Wiener Geschäft bietet einen angenehm zurückgenommenen, eleganten, fast möchte man sagen einfachen Anblick. In die graue Steinfassade sind schlanke, hohe Glasschreine eingelassen, in denen die Schmuckstücke lagern und durch die der Passant flüchtige, unpräzise Einblicke in das Geschäftsinnere erhaschen kann. Drinnen herrscht Ruhe, Klarheit. Die Vitrinen-Schautische aus Palisanderholz stehen auf dunkelrotlila Teppichflausch, eine Treppe führt in die noch exquisitere, privatere Zone im Untergeschoß, wo - erstmals in Wien - auch die Haute-Joaillerie von Cartier, also Einzelstücke oder Schmuck, der nur in ganz geringen Stückzahlen auf den Markt kommt, zu haben sein wird.

Das neue Cartier-Shopkonzept kam bisher bereits etwa in Tokio, Paris, Kuala Lumpur, Osaka und Singapur zur Anwendung. In den kommenden fünf Jahren soll die gesamte Flotte umgebaut sein. Doch was passiert mit dem traditionellen Cartier-Rot, das sich jedem einprägt, der das Glück hat, ein Stück aus dem guten Hause zu besitzen, weil das stets in diesen knallroten Schmuckkästchen von Verpackung steckt? Keine Sorge, meint Christophe Carpante: „Das Rot bleibt mit der Verpackung erhalten und wird auch im Geschäft und in der Präsentation der Stücke wie ein Eyecatcher wirken.“

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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