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Im Prater blüh’n wieder die Bäume
zolltexte

Die Bedeutung des städtischen Freiraumes für den Alltag und die Entwicklung der Kinder.

22. Juni 2001 - Marco Hüttenmoser
Es ist schön, wenn im „Prater die Bäume wieder blühn …“ und kann für die Kinder bereichernd sein, wenn sie am Sonntag mit der Familie in Parks spazieren gehen oder sich dort mit befreundeten Familien treffen, picknicken und spielen. Doch das ist nicht der Alltag der Kinder. Für die gesunde körperliche und geistige Entwicklung von Kindern zählt vielmehr, was vor der Haustür liegt und im besten Fall selbständig erreichbar ist.

Erreichbare und unerreichbare Orte

Zürich verfügt über ein sehr dichtes Netz an öffentlichen Spielplätzen. In den Nachkriegsjahren wurde damit begonnen, die verschiedenen Quartiere mit öffentlichen Parks und Spielplätzen zu versorgen. Diese Plätze sollten den Kindern und Familien das nähere Umfeld, das weitgehend dem privaten Motorfahrzeugverkehr überlassen wurde, ersetzen. Während Jahren wurde großzügig geplant und gebaut, ohne dass man sich dabei überlegte, wie denn die Kinder zu diesen für sie eingerichteten Plätzen gelangen könnten. Das heißt, man ging davon aus, dass jüngere Kinder an die Hand der Mutter gehören. Ein selbständig erreichbarer öffentlicher Freiraum wurde kleinen Kindern nicht zugestanden.

In Zürich wohnen heute 36 % der 5- jährigen Kinder nur fünf Gehminuten und weitere 29 % 6 bis 10 Gehminuten vom nächsten Spielplatz entfernt. Die Hälfte aller fünfjährigen Kinder kann zudem innerhalb von zehn Gehminuten mindestens zwischen zwei verschiedenen öffentlichen Spielplätzen wählen. Nur – und das ist entscheidend: Bescheidene 15 % der Zürcher Kinder haben beim Eintritt in den Kindergarten schon einmal einen Spielplatz ohne Begleitung besucht.

Das größte Hindernis für die selbständige Erreichbarkeit jeder Art von Freiraum außerhalb von Haus und Garten bildet der motorisierte Straßenverkehr. In der Stadt Zürich geben 76 % der Eltern an, dass es die Gefahren der Straße sind, die verhindern, dass die Kinder allein im Freien spielen, in der untersuchten ländlichen Region machen sogar 88 % diese Angabe.

Doch auch andere Hindernisse können sich erschwerend auswirken. So können 12 % der fünfjährigen Kinder der Stadt Zürich die Haustüre nicht selbständig öffnen, weil sie zu schwer ist. 46 % der Kinder stehen, wenn sie vom Wohnumfeld in die Wohnung zurück wollen, vor geschlossenen Türen und für 16 % der Kinder ist die Türklingel zu hoch angebracht.

All dies heißt, dass die selbständige Erreichbarkeit von Freiräumen außerhalb des eigenen Hauses für jüngere Kinder ein zentrales Problem darstellt, dem bis heute zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Liegt vor der Haustüre eine stark oder rasch befahrene Straße, ist der Ort für den zur Überbauung gehörenden Spielplatz ungünstig gewählt, fehlt die Möglichkeit, jederzeit vom Spielplatz in die Wohnung zurückzukehren, so bedeutet dies für viele Kinder, dass sie weiter zuwarten müssen, manchmal ein weiteres Jahr oder mehr, bis sie allein ins Freie gehen können.

Reiche arme und arme reiche Kinder

Oft wird argumentiert, dass die Verfügbarkeit über Freiräume ein Problem der Schichtzugehörigkeit, von Bildung, Einkommen und Vermögen sei. Aus der Sicht unserer Erhebungen im Raume Zürich trifft dies nur bedingt zu.
Jene 24 % der Kinder der Stadt Zürich, die nicht ohne Begleitung ins Freie können, verteilen sich in ähnlichem Ausmaß auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten. Das heißt, es hat auch unter Kindern aus Familien mit höherem Einkommen und besserer Bildung viele, die außerhalb von Wohnung und Garten nicht über Freiräume verfügen.
Wichtiger als die Schichtzugehörigkeit erweisen sich die Verkehrssituation in der näheren Umgebung und die Wohnbauweise. Verhältnismäßig oft über selbständig erreichbare Freiräume verfügen in der Stadt Zürich Kinder in Siedlungen mit Reiheneinfamilienhäusern oder in größeren Siedlungen mit Mehrfamilienhäusern. Ungünstige Bedingungen hingegen bieten oft isoliert stehende Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser mit eigenem Umschwung.
Eine so genannte „ruhige Verkehrslage“, wie dies in Wohngebieten zumeist besser gestellter Familien der Fall ist, garantiert den jüngeren Kindern noch keineswegs einen unbegleiteten Zugang zu Spiel- und Begegnungsräumen. Der private Garten kann nicht als solcher Freiraum bezeichnet werden. Er eignet sich nicht für Begegnungen und nur sehr beschränkt zum Spielen. Nachbarschaftliche Spielgruppen entstehen auf den Quartierstraßen und in halböffentlichen Räumen und nicht hinter Zäunen. Unsere Untersuchung in einer ländlichen Region bestätigte dieses Ergebnis: Wer nur im eigenen Garten spielen kann, hat nur wenig Spielkameraden und kaum Freunde in der näheren Umgebung.
Die entscheidende Rolle spielt jedoch die Verkehrssituation. Hier muss man allerdings differenzieren: Nicht nur das Ausmaß des motorisierten Straßenverkehrs entscheidet darüber, ob Kinder Haus und Garten unbegleitet verlassen dürfen, sondern vor allem die gefahrenen Geschwindigkeiten. Wenig, aber rascher Motorfahrzeugverkehr verhindert das Spiel oder die gegenseitigen Besuche der Kinder über die Straße hinweg genauso wie ein verhältnismäßig großes Verkehrsaufkommen. Wenn Eltern auf der Quartierstraße vor dem Haus nur einzelne rasch fahrende Motorfahrzeuge beobachten, so werden sie den Aufenthalt der Kinder auf der Straße und in Straßennähe verhindern.

Oft wird erwähnt, dass es stark von der Einstellung der Eltern abhänge, ob ein Kind im Alter von fünf Jahren allein im Freien spielen darf oder nicht. Dies mag in einzelnen Fällen zutreffen. Unsere Erhebungen in der Stadt wie auf dem Land haben jedoch gezeigt, dass dort, wo die Umgebung stimmt – dort, wo der motorisierte Straßenverkehr die Kinder nicht gefährdet – und wo es Kinder hat, die Kinder auch unbegleitet im Freien spielen dürfen. Zumeist ist das weit früher als mit fünf Jahren der Fall.

Die Auswirkungen fehlenden Freiraumes

Wenn an dieser Stelle verschiedentlich hervorgehoben wird, dass es nicht darum gehen kann, die Städte und Dörfer mit möglichst vielen kinderfreundlichen Freiräumen zu versorgen, sondern dass es vor allem Freiräume braucht, die von jüngeren Kindern selbständig erreicht werden können – d. h. geeignete Bereiche in unmittelbarer Wohnnähe –, so müssen wir dies auch begründen.

Die Begründung liegt in den Zusammenhängen zwischen dem Verlauf der kindlichen Entwicklung und der Verfügbarkeit selbständig erreichbarer Freiräume.

In den Jahren 1991 bis 1997 konnte ich verschiedene Forschungsprojekte durchführen, in deren Zentrum das Thema „Wohnumfeld/Verkehr und kindliche Entwicklung“ stand. Dabei verglichen wir immer zwei Gruppen fünfjähriger Kinder. Die einen, von uns als A-Kinder bezeichnet, wuchsen in einer Umgebung auf, in der ein ungefährdetes und unbegleitetes Spiel im Freien möglich war. Die zweite Gruppe, die B-Kinder, hatte in ihrem Wohnumfeld keine derartig günstigen Bedingungen, sondern mussten ständig begleitet werden, wenn sie das Haus verlassen wollten. Ausgangspunkt bildete eine Intensivuntersuchung in zwanzig Familien, wobei Tiefeninterviews, Beobachtungen und Entwicklungstests durchgeführt wurden. Zudem ließen wir die Kinder durch die Kindergärtnerin beurteilen. Anschließend befragten wir telefonisch alle Eltern mit fünfjährigen Kindern in der Stadt Zürich. Zusätzlich füllten alle Eltern, die ihre Kinder nicht länger als vier Halbtage außerfamiliär betreuen ließen, einen detaillierten schriftlichen Fragebogen aus. Ein Jahr später wurde es möglich, in sieben unterschiedlich strukturierten Ortschaften einer ländlichen Region eine Kontrollerhebung mit den gleichen Fragen durchzuführen.

„Die Straße trennt“

Herrscht viel Verkehr vor der Wohnungstüre, so wird dadurch das soziale Leben in der Nachbarschaft stark beeinträchtigt: Fehlen im näheren Wohnumfeld selbständig erreichbare Begegnungs- und Spielräume, so führt dies zu einer massiven Reduktion an SpielkameradInnen und an FreundInnen, die man zu Hause besuchen kann. Auch die gegenseitigen Kontakte und Hilfeleistungen unter den Eltern der Kinder reduzieren sich massiv.

Die erwähnte Intensiverhebung analysierte bei zwanzig Familien die Folgen dieser Isolation: Fehlt selbständig erreichbarer Freiraum in der näheren Umgebung, so weisen die Kinder zum Zeitpunkt ihres Eintrittes in den Kindergarten im Vergleich zu den in geeigneten Umfeldern aufgewachsenen Altersgenossen signifikante Rückstände in der sozialen Entwicklung auf.

„Die Straße macht immobil“

Kann ein Kind das Wohnhaus nur in Begleitung verlassen, so führt dies zu einem deutlichen Rückgang der insgesamt im Freien verbrachten Zeit. Kinder, die ungehindert im Wohnumfeld mit andern Kindern spielen, verbringen an einem schönen Tag ohne weiteres drei, vier und mehr Stunden im Freien. Benötigen die Kinder jedoch eine Begleitung, so sind es nur mehr zwei bis zweieinhalb Stunden. Das heißt: Diese Kinder gehen „an der Hand oder im Auto der Mutter“ einkaufen, besuchen FreundInnen, Parks und öffentliche Spielplätze.

Der massive Verlust an Zeit, die zumeist in intensiver Bewegung verbracht wird, hinterlässt Spuren in der kindlichen Entwicklung. Auch hier stellt die Intensivuntersuchung fest, dass Kinder aus einer ungünstigen Umgebung zum Zeitpunkt ihres Eintrittes in den Kindergarten deutliche Rückstände in der motorischen Entwicklung aufweisen. Dabei sind insbesondere die grobmotorischen Bereiche wie die Sprungkraft, das Gleichgewichtsvermögen sowie die gesamtmotorische Gewandtheit betroffen. Dies verdeutlicht, dass das Defizit mit dem Fehlen geeigneter Außenräume zu tun hat.

Man kann gewiss argumentieren, dass derartige Defizite mit dem Heranwachsen und durch den Einfluss des Kindergartens behoben würden. Die Argumentation, dass es sich um vorübergehende Benachteiligungen handeln würde, ist jedoch äußerst riskant. Auch neue Untersuchungen von Schulkindern zeigen, dass viele Kinder bereits in unteren Klassenzügen unter beachtlichen Haltungsschäden und motorischen Defiziten leiden.

Erfahrungsgemäß muss man davon ausgehen, dass
a) frühe motorische Benachteiligungen sehr schwer aufzuholen sind und
b) motorische Defizite in der Folge auch soziale Probleme nach sich ziehen.

Ein Kind, das sich in der Kindergruppe motorisch sehr ungeschickt verhält – keinen Gegenstand fangen kann, mit dem Fuß den Ball nie trifft etc. –, läuft Gefahr, auch in sozialer Hinsicht isoliert zu werden.

Der Straßenverkehr bindet die Kinder an ihre Mütter

Wir stellen in unseren Erhebungen fest, dass Mütter, die eine enge Beziehung zu ihren Kindern haben und ihnen nur wenig Freiheit zugestehen, vermehrt an Hauptstraßen oder an Straßen mit gefährlichem Verkehr wohnen. Dass verschiedene Hindernisse bei den Hauseingängen bestehen und dass das Wohnumfeld ingesamt wenig attraktiv ist.
Das Fehlen selbständig erreichbarer und nutzbarer Freiräume im Wohnumfeld macht Kindheit weitgehend zu einer begleiteten Kindheit. Es besteht die große Gefahr, dass dieser Mangel zu starken gegenseitigen Abhängigkeiten führt, die eine Loslösung des Kindes von den Eltern verzögern und das Heranwachsen einer eigenständigen Persönlichkeit letztlich verhindern.

Auf der Insel stark werden – die Möglichkeiten des Einzelnen sind beschränkt

B-Eltern machen deutlich mehr Ausflüge mit den Kindern als A-Eltern. Sie besuchen des Öfteren FreundInnen, gehen vermehrt spazieren etc. Auch besuchen die B-Kinder vermehrt Angebote wie Spielgruppen, Mutter-Kind-Turnen, Ballett, Gymnastik etc. Die motorischen Defizite, verursacht durch ein ungünstiges Wohnumfeld, lassen sich damit, wie die Ergebnisse der Intensivuntersuchung zeigen, nicht ausgleichen. A-Kinder ihrerseits benötigen derartige Angebote weit weniger, und ihre Eltern haben deutlich mehr Zeit für sich und können sich besser entspannen.

Öffentlicher Spielplatz versus Wohnumfeld

Ein Beispiel für das skizzierte Dilemma stellt der Besuch von öffentlichen Spielplätzen dar. B-Kinder werden weit häufiger auf derartige Plätze begleitet: 62 % von ihnen weilen wöchentlich zwei- bis fünfmal auf einem öffentlichen Spielplatz, von den A-Kindern sind es nur 25 %.

Ein Vergleich der Aktivitäten der Kinder auf öffentlichen Spielplätzen mit den Aktivitäten im Wohnumfeld verdeutlicht, wie wenig Sinn letztlich den gut gemeinten Bemühungen der B-Eltern zuzumessen ist.

Die meisten Aktivitäten, die für die Entwicklung der Kinder von besonderer Bedeutung sind, finden auf öffentlichen Spielplätzen nur selten statt. Die Gründe dazu liegen auf der Hand:

- Auf öffentlichen Spielplätzen trifft man im Gegensatz zum Wohnumfeld immer wieder andere Kinder. Für intensive gemeinsame Spiele, das Erarbeiten gemeinsamer Spielideen etc. kennt man sich zu wenig.
- Bewegliche Objekte, Bälle, Fahrräder, Stelzen, Bretter, Tücher fehlen auf den öffentlichen Spielplätzen. Spontane Spielideen können kaum verwirklicht werden, da die dazu nötigen Materialien fehlen.
- Wer miteinander auf den Spielplatz kommt, bleibt zumeist beieinander. Die begleitenden Mütter, Großmütter, Großväter und Väter sorgen dafür, dass sich ihr Kind „anständig“ benimmt und keine Konflikte beginnt.

Die Inseln neu beleben

Wenn wir für eine im umfassenden Sinne gesunde Entwicklung der Kinder in den ersten zehn Lebensjahren sorgen wollen, so müssen wir die einzelnen Wohnumfelder – und im weiteren die sie verbindenden Wege – ins Zentrum unserer Bemühungen stellen. Diese je nach Situation völlig unterschiedlich gearteten Räume – es können die Häusergruppen und Vorgärten an einer Quartierstraße oder eine in sich geschlossene Überbauung sein etc. – müssen wir umgestalten und neu beleben. Eine solche Belebung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen:

Ausgangspunkt ist die Neuregelung des motorisierten Verkehrs: Die Straßenräume in der Nähe von Wohnungen müssen grundsätzlich als Begegnungs- und Spielraum betrachtet und entsprechend gestaltet werden. Dies bedingt nicht zwingend ein Fahrverbot, sondern eine Gestaltung des Straßenraumes, die die Motorfahrzeuge zwingt, im Schritttempo zu verkehren. Von besonderer Bedeutung ist auch die Überprüfung der Zugänglichkeit. Es muss garantiert werden, dass bereits jüngere Kinder aus den umliegenden Wohnungen auch tatsächlich in die vorhandenen Freiräume gelangen können (Überprüfung der Eingänge, Art der Türen, Schlossmechanismen, Klingel, Gegensprechanlagen, Stiegenhäuser als anregende Wege ins Freie etc.).

Als weitere Maßnahme sollte sukzessive eine institutionelle Bereicherung und Stärkung des Wohnumfeldes ins Auge gefasst werden. Damit könnten sichernde Maßnahmen insbesondere im Straßenbereich und bei den Eingängen besser durchgesetzt und kontrolliert werden.

Ich denke dabei – nebst einer Neuorientierung des Berufs der Hauswartinnen und Hauswarte – vor allem an Bereiche, die das jüngere Kind und die junge Familie betreffen und die eigentlich ins Wohnumfeld gehören. Zum Beispiel die verschiedenen Formen der Kleinkindbetreuung (vgl. Alexander et al, 1995, 1977).

Die Kleinkindbetreuung ist nur ein Beispiel, allerdings ein wichtiges, für die Rückkehr bestimmter öffentlicher und privater Dienstleistungen ins Wohnumfeld.

Begegnungsstraßen

Im Anschluss an die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse und ihrer Verbreitung in den Medien enstand in der Stadt Bern unter dem Namen „Begegnungsstraßen“ eine neue Bewegung.

Die Grundidee der Begegnungsstraße ist einfach und einleuchtend. Anwohner und Anwohnerinnen einer Quartierstraße setzen sich dafür ein, dass sie „ihre“ Straße zum Zweck der Begegnung und des Spiels immer wieder „besetzen“ dürfen. Das heißt: Die Straße wird von ihnen möbliert. Tische und Stühle werden auf die Straße gestellt, und die Kinder spielen dort. Eingangs und Ende der Straße werden Hinweistafeln aufgestellt. Die Straße wird dadurch für Motorfahrzeuge nicht völlig unterbunden, aber es ist nicht möglich, schneller als im Schritttempo zu fahren. Da der administrative Aufwand sehr gering ist – ein Telefonanruf an die Verkehrspolizei am Tage zuvor genügt –, kann je nach Bedarf eine solche Begegnungsstraße recht oft eingerichtet werden.

Die Forschungsergebnisse gegen den Strich lesen

Liest man die vorgestellten Forschungsergebnisse „gegen den Strich“, so zeigt sich, dass überall, wo jüngere Kinder Wohnung, Haus und Garten unbegleitet verlassen können und in der näheren Umgebung mit anderen Kindern spielen, auch ein intensives nachbarschaftliches Leben besteht. Das Kinderspiel führt dazu, dass auch die Erwachsenen miteinander reden, Feste veranstalten und Ausflüge organisieren.

Man kann daraus folgern, dass die von den SoziologInnen in den letzten Jahren immer wieder totgesagte Nachbarschaft lebt. Sie lebt dort, wo das Wohnumfeld gut ist, und sie lebt vor allem unter jungen Familien.

In einem guten Umfeld fühlt man sich zu Hause und man bleibt auch zu Hause. Die an Wochenenden gefahrenen Kilometer verminderten sich laut unseren Ergebnissen von einem schlechten zu einem guten Wohnumfeld in der Stadt wie auf dem Land um die Hälfte, nämlich von 140 auf 70 Kilometer. Eine Verbesserung der Wohnumfelder führt in diesem Sinne auch zu einer Verbesserung der umweltlichen Situation.


Literatur:
Alexander, Ch. et. al (1995/1977): Eine Muster-Sprache. Wien.
Degen-Zimmermann, D., Hollenweger, J. , Hüttenmoser, M. (Projektleitung) (1992): „Zwei Welten“. Zwischenbericht zum Forschungsprojekt „Das Kind in der Stadt“. NFP 25, Masch. Manus., Zürich.
Hüttenmoser, Marco. (1993): Zum ersten Mal allein unterwegs. Elemente einer Theorie des Schulweges. In: Und Kinder, Nr. 47, Marie Meierhofer-Institut für das Kind. Zürich.
Hüttenmoser, Marco (1994a): Spielplatz und Wohnumfeld im Vergleich. In: Und Kinder, Nr. 49, Marie Meierhofer-Institut für das Kind, Zürich.
Hüttenmoser, Marco (1996): Kein schöner Land. Ein Vergleich städtischer und ländlicher Wohnumgebungen und ihre Bedeutung für den Alltag und die Entwicklung der Kinder. Und Kinder, Nr. 54, Marie Meierhofer-Institut für das Kind. Zürich.
Hüttenmoser, Marco (1997): Sicherheit gegen oder für die Entwicklung der Kinder? Ein altes Dilemma von Maßnahmen zur Verkehrssicherheit. In: Institut „Sicher Leben“ des Kuratoriums für Verkehrssicherheit: Kindersicherheit (Hg.): Kindersicherheit: Was wirkt? Beiträge zum Internationalen Kongress, Essen, 27. und 28. September 1996. S. 147 - 162. Wien.
Hüttenmoser, M., Degen-Zimmermann, D. (1995): Lebensräume für Kinder. Empirische Untersuchungen zur Bedeutung des Wohnumfeldes für den Alltag und die Entwicklung der Kinder. Nationales Forschungsprogramm Stadt und Verkehr (NFP 41), Bd. 70, Zürich (Nachdruck: Edition Soziothek, Köniz).
Sauter, D. (1996): Kinderunfälle auf dem Land und in der Stadt. Zum Zusammenhang von Verkehrssicherheit und Bewegungsfreiheit der Kinder. In: Und Kinder Nr. 54, Marie Meierhofer-Institut für das Kind. Zürich.

Der vorliegende Beitrag ist in einer ausführlicheren Version bereits erschienen in: Mehr Platz. Auswirkungen von Freiraummangel auf Kinder und Jugendliche. Stadtplanung Wien, Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwickung und Stadtgestaltung. Band Nr. 67/2000.

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