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Radikaler Umbau
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Die erste Ausstellung im neuen Architekturzentrum ist ein Projekt mit Sprengkraft, wie Ines Mitterer berichtet.

28. Juni 2001 - Ines Mitterer
50 Minuten der Zerstörung auf sieben Projektionsflächen. Altbauten stürzen ein, die alte Kuppel des Berliner Reichstags fliegt in die Luft, ein Schornstein bricht in sich zusammen, ein Wolkenkratzer wird zu Schutt und Staub. Der Tod des Gebäudes, wie er in Wochenschauen, Fernseh-Nachrichtensendungen und den privaten Filmaufnahmen von Sprengmeistern zu sehen ist.

Über tausend Sprengungen aus der Nachkriegszeit haben die beiden Künstler Julian Rosefeldt und Piero Steinle recherchiert und in ihrer raumfüllenden Installation komponiert. Herausgekommen ist dabei ein Panorama der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Wir wollten dem ständig propagierten Optimismus ein ebenso reales Bild entsetzen. Deutschland baut nicht auf, Deutschland sprengt“, verkünden die beiden.


Gesellschaftliches Reinigungsritual

Was gesprengt wird, erzählt vom herrschenden Konsens in Politik und Gesellschaft: die Bauten des dritten Reiches gleich nach dem Krieg, ganze Straßenzüge mit Altbauten in den 50er Jahren - im Berlin des Wirtschaftswunders braucht man Platz für Stadtautobahnen -, Industrieanlagen im Ruhrgebiet der 70er Jahre, Plattenbausiedlungen in den 90er Jahren des wiedervereinten Deutschland.

Am leichtesten gesprengt hat man nach dem Krieg - auch aus ideologischen Gründen, fanden Rosefeldt und Steinle heraus. „Es wurde aber auch gleich vieles aus dem 19. Jahrhundert weggesprengt. Man wollte auch das alte Gerümpel aus der Kaiserzeit nicht mehr sehen und hat mit großer Lust alles Alte in die Luft gejagt. Ideologisch gesehen war das sicherlich die radikalste Sprengphase.“


Lang lebe das MQ

Ästhetisch und emotional geben diese Sprengungen einiges her. Jeder Gebäudetyp stirbt anders. Ziegelbauten, Betonklötze, Stahlkonstruktionen. Und neben der Beklemmung gegenüber diesem Zerstörungswerk schleicht sich doch auch Faszination ein. Mit dieser Eröffnungsausstellung, die noch bis 3. September läuft, wünscht das Architekturzentrum Wien dem Museumsquartier ein langes Leben...

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