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Musentempel am Vierwaldstättersee
Neue Zürcher Zeitung

Jean Nouvel im Kunstmuseum Luzern

13. Juli 2001 - Fabrizio Brentini
Es ist nicht das erste Mal, dass Jean Nouvel sein Kultur- und Kongresszentrum KKL in Luzern selber in einer Ausstellung thematisiert. 1998 präsentierte er in der Architekturgalerie Luzern mit eigenen Photographien so etwas wie eine persönliche Annäherung an dieses zu einem Hauptwerk in seinem Œuvre aufgestiegene Denkmal. Im Kunstmuseum, also unter dem Dach des KKL, bot sich ihm aber die faszinierende Möglichkeit, im realisierten Bau die Stationen auf dem langen Weg von der Ausschreibung des Wettbewerbs im Jahre 1989 bis zur Einweihung des Musentempels im Jahre 2000 zu rekapitulieren. Hierfür reservierte Nouvel einen Raum, in dem nicht nur die ersten Skizzen, sondern auch Fotos vom Bauplatz, Detail- und Ausführungspläne, Terminkalender und Materialproben ausgelegt sind. Es entsteht so der Eindruck eines aufgeräumten Architekturstudios, das in diesem speziellen Fall einen direkten Bezug zum Umfeld herstellt.

Die ausgebreitete Kollektion erinnert an den Versuch von Gigon Guyer im Jahre 1993, in der Architekturgalerie Luzern mit einem Regal voller Rohstoffproben auf die Qual der Wahl bei der materiellen Umsetzung architektonischer Ideen hinzuweisen. Während Gigon Guyer nach Selbstdisziplinierung strebten, gibt sich Nouvel nun dem Materialrausch hin. Er wagt Kombinationen, die das Auge - ähnlich wie ein barockes Gesamtkunstwerk - überfordern. Tatsächlich wird man bei der Begehung des KKL immer wieder durch Brüche und Übergänge überrascht, die eine von Nouvel vermutlich einkalkulierte Unruhe verursachen. Schon oft ist seine Liebe zum Film erwähnt worden, so dass Deutungen auf diesen Aspekt hin kaum fehlgehen dürften. Demnach entspräche die Ausbreitung seiner Arbeitsspuren der Fragmentierung einer Filmspule; Materialproben und Pläne würden für Standbilder stehen, die erst durch den Betrachter am Schneidepult, das heisst im Durchschreiten des ganzen Baus, zu einem Ganzen komponiert werden können.

An den zentralen Ausstellungssaal schliessen sich weitere Räume an, in denen insgesamt 22 Diaprojektoren in unregelmässiger Folge Aufnahmen von Nouvels Bauten zeigen. Am Boden sind mittels Leuchtbändern prägnante Sätze zur Architektur zu lesen, etwa: «Im 21. Jahrhundert Architekt sein heisst das Reale manipulieren.» Weder werden die Bilder kommentiert, noch erhält man einen Schlüssel zum Gezeigten. Das ist aber auch nicht entscheidend, denn Nouvel überträgt die Regie des Hauptraumes auf sein ganzes Werk. Er liefert lediglich Ausschnitte, die teilweise bestimmte Themen seines architektonischen Denkens visualisieren, etwa Signale, Licht, Oberflächen, Texturen, Durchblicke, Konstruktionen. Der Rhythmus des Bilderwechsels ist erstaunlich moderat, gerade im Vergleich zum optischen Bombardement, das Nouvel anlässlich der Mailänder Architekturtriennale 1996 auslöste. Es kann aber durchaus sein, dass die Luzerner Schau nur eine Aufwärmphase für den auf Ende Jahr angekündigten Grossauftritt im Centre Pompidou ist, bei dem das KKL einen prominenten Platz einnehmen soll.


[Bis 25. November. Kein Katalog. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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