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Gebaute Zwischenräume
Der Standard

Die Sieger des Wettbewerbes Europan 6 stehen fest. Die Pläne haben sogar beste Chancen auf Realisierung.

21. Juli 2001 - Franziska Leeb
Unter dem Titel „stadt-land-schafft“ schickten Anna Popelka und Georg Poduschka ihren Beitrag zum sechsten Europan-Wettbewerb für Architektinnen und Architekten unter 40. Sie haben nun beste Aussichten, das Projekt auch bald realisieren zu dürfen.

Mit ihrem Plädoyer für individuelle Lösungen anstatt blinden Vollzugs allgemeiner Bauregeln überzeugten sie die für die drei österreichischen Standorte Wien, Villach und Graz zuständige Jury (Vorsitz: Klaus Kada; Nasrine Seraji, Joost Meuwissen, Thierry Verdier, Angela Bulloch, Peter Sloterdijk, Wolfgang Krejs, Hartmut Spiluttini, Johannes Voggenhuber). Zum europaweit ausgeschriebenen Thema „Zwischenorte - Architektur im Prozess zur urbanen Erneuerung“ standen in 67 Städten Grundstücke zur Verfügung, Bereiche in einer Zone zwischen den historischen Stadtkernen und der Peripherie, Gegenden, die von neueren Entwicklungen überrollt wurden.

Den Wettbewerb um den Standort Graz entschied das Laibacher Team Ofis Architects (Rok Oman und pela Videcnik) mit einer grünen „Curly Landscape“. Sehr bemerkenswert der Beitrag für Villach vom Team der Berliner Architektin Zeynep Ay¸se Hicsasmaz. Ausgehend von der These, dass die Zwischenräume einer Stadt nicht nebuloses Niemandsland sind, setzt sie diese Leerräume als strukturierendes und planendes Element ein. Der Beitrag „Draußen im Haus“ positioniert das Wohnen und Leben in der Stadt in einem neuen Kontext und versucht auch Aspekte aus der natürlichen Landschaft in eine dichte Stadt überzuführen.

Popelka und Poduschka (PPAG) schnitzten aus dem auf dem Grundstück an der Fickeystraße in Wien-Simmering maximal möglichen Volumen jene Teile weg, die den Lichteinfall auf die benachbarte Bebauung beeinträchtigen können, und gewinnen daraus eine dreidimensionale Figur, in die sie ihre Stadtlandschaft auf mehreren Ebenen implantieren. Einschnitte bringen Licht in das Innere und bilden Canyons und Plazas. Ihr Ansatzpunkt ist die wahrnehmbare Stadt, in der Häuser künstliche Berge sind, zwischen denen sich die Straßenschluchten schlängeln. Der vorgesehene Nutzungsmix deckt fast alle Funktionen ab, die es in einem belebten Quartier braucht: Büros, öffentliche Einrichtungen, Läden, Cafés und Wohnungen, die an den attraktivsten Stellen angesiedelt werden sollen.

Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein, und doch ist die Realisierung so sicher wie noch nie zuvor bei einem österreichischen Europan-Siegerprojekt. Bereits im Vorfeld kooperierte man nicht, wie sonst üblich, mit der Stadt, sondern mit einem Bauträger. Die Firma Mischek stellte das Grundstück zur Verfügung, finanzierte den Wettbewerb und gab die Absichtserklärung, das Projekt zu realisieren. Und alle Vorzeichen deuten auch nach Abschluss des Wettbewerbs auf Umsetzung hin. Michaela Mischek ist Feuer und Flamme für das Projekt, auch die Verantwortlichen der Stadt Wien signalisierten Zustimmung.

Damit dürfte das PPAG-Projekt vom Schicksal früherer Europan-Projekte verschont bleiben. Insgesamt sieben - je eines in Wien und Klagenfurt, der Rest im Europan-Österreich-Sitz Graz - wurden bisher seit 1989 realisiert, in Umfang und endgültiger Ausführung meist stark vom ursprünglichen Konzept abweichend. Die Lösung, von Anfang an mit einem Bauträger zu kooperieren, der willens ist, avantgardistische Beiträge junger Architekten zu realisieren, dürfte die zielführendere sein.

Um Kommunikation und Verfahrenspraxis besser zu strukturieren, soll der neu gegründete Forschungsverein Habitat 2000 plus das Wettbewerbsverfahren als „intelligenter Mediator“ begleiten. Wünschenswert wäre es, wenn diese Begleitung bei Projekten mit experimentellem Charakter über den Zeitpunkt der Fertigstellung hinausginge, um endlich wissenschaftlich fundierte Aussagen über das Funktionieren neuer Wohn- und Städtebaukonzepte getroffen werden könnten. Auf dieser Basis könnten künftige Wettbewerbsziele trefflicher formuliert und gegenüber potenziellen Bauherren besser argumentiert werden. Hunderte von Jungarchitekten, die bei Gelegenheiten wie diesen Talent, Zeit und Geld investieren, werden es danken.

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