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Platzhirsche röhren vor der Brunft
Der Standard

Der Architekturwettbewerb zur Renovierung und Revitalisierung der Volksoper ist zwar entschieden. Das Rennen zwischen den Erstgereihten, dem Berliner Team Zerr-Hapke-Nieländer und Wilhelm Holzbauer, geht aber über den Sommer in die entscheidende Runde, was das übliche Platzgerangel ausgelöst hat. Die endgültige Entscheidung treffen nun Georg Springer und Dominique Mentha.

13. Juli 2001 - Ute Woltron
Wien - Die Jury unter Vorsitz von Gustav Peichl zur Findung des besten Architekten für die Sanierung der maroden Volksoper hat ihre Arbeit getan. Am Mittwoch vergangener Woche entschied man in der zweiten Runde des Wettbewerbs, dass man sich eigentlich nicht entscheiden könne, und erklärte zwei Projekte ex aequo zum Sieger. Das eine stammt vom Wiener Wilhelm Holzbauer und wurde auch schon heftig in zwei Zeitungen publiziert. Das andere kommt von den Berliner Kollegen Zerr-Hapke-Nieländer, es wird vom STANDARD hier erstmals vorgestellt.

Holzbauers mediales Vorpreschen noch vor der letztgültigen Entscheidung erregt nicht nur den Unwillen von Georg Springer, der als Chef der Bundestheater-Holding der Bauherr ist: „Ich garantiere, dass die veröffentlichten Bilder nicht von uns kamen. Wir müssten uns selbst ins Knie schießen wollen, hätten wir einen der beiden Entwürfe an die Medien gespielt. Ich empfinde es als unfaire Geschichte, wenn vom Platzhirsch so stark PR in eigener Sache betrieben wird, zumal sich die anderen weit vom Schuss in Berlin befinden.“

Auch die ebenfalls siegreichen Kollegen zeigen sich vom Geröhre des „Platzhirschen“ Holzbauer noch vor der Brunft unangenehm berührt. Andreas Zerr sagte dem STANDARD gegenüber: „Ich bin irritiert und verärgert über dieses unkollegiale Vorgehen. Ich denke, dass es auch das Eingeständnis der qualitativen Unterlegenheit des Entwurfes ist. Wir hatten im Sinn der Loyalität zu Springer und Mentha nicht vorgehabt, an die Presse zu gehen, doch die Situation zwingt uns nun dazu zu antworten.“

Auf die Frage, wie er seine Chancen als Berliner Baumann einschätze, im architektonisch traditionell wienlastigen Wien tatsächlich aktiv zu werden, antwortete Zerr: „Wir haben aus Berlin gehört: ,Vergesst einen Wettbewerb in Wien, wir kennen keinen Berliner, der dort schon gebaut hätte.' Umgekehrt ist das allerdings ständig der Fall. Trotzdem schätzen wir unsere Chancen nach wie vor gut ein, obwohl wir wissen, dass die politische Situation in Wien gegen uns spricht. Eines ist aber klarzustellen: Es gab kein fixes Budget außer den vorgegebenen 50 Millionen Schilling für die Fassadensanierung, was wir eingehalten haben. Holzbauer hatte offensichtlich Insiderinformationen, wonach für diese Summe sowohl Fassade als auch Foyer saniert werden sollen.“

Während das Team aus Berlin ein unterirdisches Foyer vorsieht, will Holzbauer den Vorplatz bebauen. Holzbauer sieht es als „grundsätzliche Entscheidung, ob man mit dem Pausenraum in den Keller geht oder ihn oben, wie in meinem Entwurf, im Foyer unterbringt“. Anzumerken ist, dass dieses Foyer nicht Thema des Wettbewerbs war.

Bauherrn Springer, der „seine“ Häuser in den kommenden Jahren um rund 183 Millionen Schilling sanieren muss („63 davon müssen wir selbst aufbringen, 120 hoffen wir, im Rahmen einer PP-Partnership vom Bund zu bekommen“), kämen Kostenreduktionen selbstredend gelegen, dennoch will er gemeinsam mit Volksoperndirektor Dominique Mentha größten Wert auf die Architekturqualität legen. Er sagt: „Das billigere Projekt hat natürlich die Versuchung des Angenehmen, doch die Beträge liegen nicht so weit auseinander.“

Über den Sommer werden beide Projekte von den Architekten nachbearbeitet, anhand von Modellen werden Mentha und Springer „spätestens im November, Dezember die Entscheidung treffen, damit wir am 1. Juli 2002 die Sanierung der Volksoper mit Full Power in Angriff nehmen können“. Schon seit zwei Jahren sei das Haus so undicht, dass „sogar Faxgeräte abgesoffen sind“.

Die Berliner Architekten haben sich derweilen sicherheitshalber ihre Wettbewerbsarchitektur zum Teil patentieren lassen, denn, so Zerr: „Man kriegt den Eindruck, dass in Wien im Allgemeinen Kräfte im Hintergrund wirken, die sich nicht allein auf die architektonische Arbeit beziehen. Es scheint, als ob große Projekte aufgeteilt würden und selbst Architekten wie Coop Himmelb(l)au nur an der Peripherie bauen dürften. Ich empfehle, den Wiener Klüngelverein der Architektenpensionisten aufzulösen, dann wird sich die Qualität der Architektur in dieser Stadt schlagartig verbessern.“

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